Free Fire

Von Pressplay Magazin @pressplayAT

Free Fire

5Actionkomödie

Den Briten Ben Wheatley kann man nach A Field in England und High-Rise wohl zu den interessantesten Filmemachern der Gegenwart zählen. Interessant ist Free Fire durchaus, aber reicht es auch zu mehr?

Man kennt die Prämisse aus vielen anderen Filmen: in einem stillgelegten, verlassenen Lagerhaus treffen sich zwei Gruppen um einen Waffendeal über die Bühne zu bringen. Die Situation eskaliert, denn die beiden Seiten können sich von Anfang an nicht ausstehen. Was folgt ist Dauerfeuer und Tote an allen Ecken und Enden, sich ständig verändernde Allianzen und notgedrungene Partnerschaften. Was in den meisten Filmen oft nur eine Szene oder längere Sequenz im großen Ganzen des Handlungsgerüsts darstellt, dehnt Ben Wheatley mit Free Fire auf Spielfilmlänge aus.

An sich ist das ein spannendes Unterfangen, gerade die Verdichtung einer Handlung auf einen einzigen, abgeschotteten Schauplatz komprimiert die Dramaturgie und das Konfliktpotenzial nicht nur räumlich, sondern für die Figuren (und im besten Fall auch für die Zuschauer) um ein mehrfaches. Egal ob es sich dabei um Actionklassiker wie Stirb Langsam, den Sci-Fi Horror in Alien, den Gangsterthriller Reservoir Dogs oder um Dramen wie Gott des Gemetzels handelt, in den richtigen Händen sorgt die Beschränkung des Handlungsortes für Originalität in der Inszenierung und dichte Dramaturgie. Vorausgesetzt der Zuschauer fühlt mit bzw. interessiert sich für die Figuren. Ein Umstand, der bei Free Fire leider nicht gegeben ist.

Obwohl die Besetzung mit u.a Brie Larson (Kong: Skull Island), Cillian Murphy (Dunkirk), Sharlto Copley (District 9) und Armie Hammer (Nocturnal Animals) durchaus als Hochkarätig zu bezeichnen ist, weiß das Drehbuch jedoch zu wenig mit den Figuren anzufangen, weshalb sie allesamt austauschbar und charakterlos bleiben. Viel zu oft fragt und wundert man sich, wer denn nun da eigentlich auf wen schießt und wer da wohl gerade ins Gras beißt oder kurz davor ist. Die einzigen Figuren, die aus dieser Masse an gesichtslosen Schablonen (denn zu viel mehr als Klischees reicht es nicht) hervorstechen, vor allem deshalb weil ihnen so etwas wie eine private, persönliche Fehde auf den Leib geschrieben ist, sind die von Sam Riley (On the Road – Unterwegs) und Jack Reynor (Macbeth) verkörperten Nebenfiguren Stevo und Harry. Sie sind gleichsam Katalysatoren um die Geschichte in Gang zu setzen und das emotionale Zentrum des Films.

Abseits dieser beiden Figuren ist es ein Sammelsurium an altbekannten Stereotypen, denen selbst die gut besetzten und talentierten Schauspieler wenig neue Facette abgewinnen können. Dafür gelingt Wheatley etwas, das nur wenigen Regisseuren gelingt: aus einem vergleichsweise schwachen Drehbuch einen dennoch ansehnlichen Film zu machen. Er schafft es, die Situation immer skurriler und abstruser werden zu lassen, die sich ständig verändernden Kräfteverhältnisse zwischen den Figuren, die sich bildenden und auflösenden Allianzen und auch die diversen körperlichen Schmerzen und Verletzungen, durch die sich die zerschundenen Körper quälen müssen, werden immer haarsträubender und absurder.

Wheatley steigert es stellenweise so sehr ins extreme, dass Free Fire zu einer schwarzen Komödie wird – und also solche sollte man den Film auch von Anfang an sehen, auch wenn der brutale, skurrile Humor leider erst viel zu spät einsetzt. Es hilft somit wenig über die Längen und Schwächen hinweg, fördert aber zumindest den Unterhaltungswert. Man wird das Gefühl nicht los, dass Free Fire besser als Kurzfilm aufgehoben gewesen wäre, denn als Spielfilm und so sehr sich Wheatley im Regiestuhl auch abmüht, die Figuren werden dadurch trotzdem nicht interessanter. Als Zuschauer fühlt man sich am Ende eigentlich nur genauso leer, wie die verlassene Lagerhalle in der die Schießerei stattfindet und fragt sich vielleicht das gleiche, wie die Protagonisten in Free Fire: wozu war das Ganze eigentlich gut?

Regie: Ben Wheatley, Drehbuch: Amy Jump, Ben Wheatley, Darsteller: Brie Larson, Cillian Murphy, Armie Hammer, Sam Riley, Sharlto Copley, Jack Reynor, Michael Smiley, Filmlänge: 91 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 25.08.2017


Autor

Marco Rauch

Aufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.



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