Das kleine Puppenhaus wird plötzlich riesig. Der Nussknacker, der eben noch als Holzpuppe auf der Bühne stand, spaziert in voller Pracht und Herrlichkeit lebensgroß aus dem Biedermeierschrank. Genauso Mamsell Trutchen, die kleine Puppe, mit der Marie, die Tochter von Medizinalrat Stahlbaum so gerne spielt.
Hoffmanns Geschichte klug adaptiert
In der Weihnachtsinszenierung „Der Nussknacker“ im Theater der Jugend wird mit Bühnenzauber für das junge Publikum nicht gegeizt. Der Regisseur und Dramaturg Gerald Maria Bauer hat die Sprache E.T.A. Hoffmanns und auch die Handlung vom „Mäusekönig und Nussknacker“ ein wenig zeitgeistiger modelliert, belässt das Märchen aber im 19. Jahrhundert. Dementsprechend aufwendig sind auch die schönen Kostüme von Stephan Dietrich gestaltet. So treten die beiden Schwestern und ihre Mutter in langen Taftkleidern auf, der Vater ist elegant mit Ausgehrock und Zylinder unterwegs. Der Bruder darf in Pluderhosen auf seinem Holzpferd über die Bühne hoppeln und im weißen Nachthemd zu Bett gehen.
Die Bühne (Magdalena Wiesauer) zeigt einen in sich in die Tiefe verjüngender Wohnraum, der das Ensemble noch größer erscheinen lässt als es ohnehin ist. Und dass Lichteffekte und Theaternebel auch zum Einsatz kommen, lässt die Kinderherzen noch höher schlagen.
Das Spiel im Spiel als Unterhaltungshighlight
Die Geschichte um den verzauberten Nussknacker (Luka Dimic), der gegen den Mäusekönig ankämpfen muss, ist zwar für die Allerkleinsten nicht einfach zu verstehen. Die Rückblende in der Mitte des Stückes erfordert seitens der Erwachsenen doch einiges an Erklärungen. Dafür ist sie aber umso humorvoller angelegt. In ihr spielen Florian Stohr, Barbara Spitz und Janina Stopper auch ein Königspaar mit ihrer Tochter Pirlipat. Diese Szene ist als Stück im Stück angelegt und eines der Highlights der Vorführung. Ganz in Schwarz/Weiß gehalten, bezaubern die drei das Publikum und erheitern es gleichzeitig mit gekonntem Mienenspiel und überdrehtem Gehabe.
In der Bauer-Fassung ist Mäuserinks (Pia Baresch), die Mutter des Mäusekönigs (Stefan Rosenthal), quietschlebendig und lässt mit diesem jede Menge Humor über den Bühnengraben schwappen. Mit seinem herzzerreißenden Ruf nach seiner „Muttiiiii!“ ist erst dann Schluss, als diese ihn davon abhält, seine Leibspeise Torte zu essen und ihn stattdessen zum Speckverzehrt zwingt.
Wunderwerke der Mechanik
In der Geschichte, die zwischen Traum und Wirklichkeit changiert und in welcher die Fantasie der Menschen als hohe Auszeichnung gefeiert wird, feiert Hoffmann, wie in vielen anderen auch, die Errungenschaften der Mechanik. Hier im Besonderen mit der Rolle des Paten Drosselmeier, der den Kindern zu Weihnachten immer allerhand mechanisches Spiezlzeug schenkt. Bauer lässt Hoffmann zu Beginn selbst auf die Bühne treten und verpasst Matthias Mamedof dafür ein höchst Hoffmann-ähnliches Aussehen, das er als schrulliger Pate mit einem großen Herz für Kinder beibehalten darf.
Anklicken umDas 8-köpfige Ensemble agiert bravourös in allen Mehrfachrollen und ist dabei durch rasche Kostümwechsel höchst gefordert. Einzig Tanja Raunig muss ihre Rolle als Marie nicht verlassen.
Ein wunderbares Theatererlebnis für die Jugend, die dabei in eine Zeit eintauchen darf, in der aufgezogene Uhren und mechanische Puppen das Non-plus-ultra an technischer Errungenschaften in einem gutbürgerlichen Haushalt darstellten. Dank der intelligenten und witzigen neuen Fassung präsentiert sich der Text dennoch zeitgeistig und schlägt so einen wunderbaren Bogen ins Hier und Heute.
Weitere Termine auf der Homepage des Theater der Jugend.