Freche Fläche im Schnawwl

Farbe

Copyright: Christian Kleiner, Quelle: Nationaltheater Mannheim

Ja, ich gebe es zu: „Freche Fläche. Verwandlungen in den Raum“ von Marcela Herrera und Nicole Libnau ist schon über ein Jahr alt. Aber ich bin so begeistert von diesem Kindertheaterstück – oder vielleicht sollte ich eher sagen: dieser Performance –, dass ich einfach noch darüber schreiben muss. Außerdem war es das erste Mal, dass ich mein Kind mit ins Theater genommen habe, also für mich doch eine Premiere. „Freche Fläche“ wurde auch in Heidelberg aufgeführt und ist jetzt zusätzlich mobil von Kindertagesstätten buchbar. Wir – mein Kind, ein Freund mit Mama und ich – sind ins Mannheimer „Schnawwl“ gegangen, das Kinder- und Jugendtheater des Nationaltheaters.

Das Kind ist zweieinhalb und nicht gerade mit Schüchternheit geschlagen. Daher verwundert es nicht, dass es als erster der kleinen Zuschauer vom elterlichen Schoß rutscht, in die Mitte des Raums läuft, wo das Stück bereits in vollem Gange ist, und selbstbewusst verkündet: „Ich darf.“ Ja, es darf. Bei „Freche Fläche“ sind die kleinen Zuschauer nämlich zugleich Akteure und Teil des Stücks. Es ist nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht und mit eingeplant, dass die Kinder das Geschehen mitgestalten.

Aber was passiert denn eigentlich? Ein Mann betritt mit einem Koffer die kleine Spielfläche des Schnawwl, um die herum Kinder ab zwei Jahren mit ihrer erwachsenen Begleitung auf niedrigen Bänken sitzen. Aus dem Koffer werden nach und nach ein paar wenige Requisiten hervorgezaubert: eine Schnur und Packfolie, mit denen der Raum weiter eingegrenzt wird, eine Tube mit blauer Farbe, Pinsel, Spraydose. Der Mann – Cédric Pintarelli – beginnt mit der Farbe ein Bild zu gestalten. Dabei integriert er die Kinder, die mittlerweile alle selbstbewusst (oder selbstvergessen?) durch den Raum wuseln, selbst nach dem Pinsel greifen und die Materialien neu arrangieren. So entsteht bei jeder Aufführung ein neues, einmaliges Kunstwerk. Die blaue Farbe wird schließlich ergänzt durch rote Papierstreifen, die begeistert zusammengeknüllt und durch den Raum geworfen werden, und gelbe Schnipsel, die man in die Luft pusten kann.

Was für eine herrliche, bunte, kreative Anarchie! Alles ist erlaubt, jeder darf mitmachen, und am Ende entsteht etwas Wunderbares. Ich kann mir keine bessere Tür für kleine Menschen in die wunderbare Kunstwelt vorstellen. Und auch wir Erwachsenen sind verzaubert und beglückt nach diesen vierzig Minuten.

Auf youtube gibt es einen schönen Film von einer der ersten Aufführungen 2013.. Ich kann allerdings nur empfehlen, selbst hinzugehen, solange das noch möglich ist, oder „Freche Fläche“ für die Kita zu buchen.

Übrigens kommt Cédric Pintarelli, der Schauspieler und Künstler des Stücks, ursprünglich aus der Graffitiszene, wo er als Sweet Uno bekannt ist; es gibt also mal wieder eine schöne Querverbindung zur Streetart. Der gebürtige Schweizer hat in Freiburg Schauspiel studiert, ist eng mit dem Kinder- und Jugendtheater Zwinger3 in Heidelberg verbandelt und aktuell Mitglied im Ensemble des Schnawwl. Parallel betreibt er aber auch seine Graffitikunst weiter und liebt es, die Disziplinen zu verbinden, wie das ja eigentlich auch in „Freche Fläche“ passiert.


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