Frauen sind stärker.

Von Berit Andersen

Eine Freundin erklärte mir anno dazumal, dass AfrikanerInnen stärker sind als ihre Männer. Jedenfalls glauben das die Afrikaner,  Männer wie Frauen.

Die deutsche Sitte, dass der Mann den Koffer seiner Herzensdame trägt, riefe demnach Kopfschütteln und allgemeine Belustigung hervor. Das könnte uns nicht passieren. Ich musste dem Ehemann gewaltsam die Tüte mit den Krankenhaussachen in die Hand drücken, als ich mich mit Wehen auf den Weg zum Auto machte.

Ob das mit den Afrikanern so stimmt, weiß ich nicht, aber dieser Glaube scheint genetisch im Kopf des ansonsten besten Ehemannes der Welt zu brüten. Jetzt ist er geschlüpft.

Die Ausgangslage nach dem gestrigen Schwimmbad-Abend gestaltete sich so:

Vorspann:

Ankunft Ehefrau mit E-Bike: Der kleine Riesensohn fährt auf seinem neuen Rad. Allerdings im zweiten Gang. Den dritten will er sich aufsparen, bis er “größer” ist. Mein Hinweis, er sei wirklich schon groß genug für den dritten Gang, wird verworfen. Mein Sohn, der Draufgänger, besteht auch darauf, Berge hinunter zu schieben – Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Den Berg hoch wird sowieso geschoben. Auf den kümmerlichen Resten – den gerade Strecken – wird gequatscht, was das Zeug hält: “Mama, hier musste ich einen Bogen fahren. Da hat ein Vogel sein großes Geschäft gemacht! Huch! Jetzt bin ich beinahe in das Auto gekracht. Hihi, Mama, kleiner Scherz am Rande. Hast du dich erschreckt?”

Der neuerdings Max-Frederik genannte große Zwilling sitzt auf dem Gepäckträger-Kindersitz, Jon-Florentin im Anhänger, nachdem er auf seinem Laufrädchen in der Mittagshitze schlappgemacht hat. Das Laufrädchen habe ich mit meinem Aquajogging-Gürtel auf dem Anhänger fixiert. Beide Zwillinge schlafen.

Außerdem an Bord: 100 Kilo Handtücher, Sonnencreme, Trinkflasche, Kamera, Wechselkleidung, Hüte und Handtasche.

Ankunft Ehemann: Auto mit Klimaanlage, Massagesitz und automatischem Cocktailausschank.

Zu seinen Gunsten spricht: Die Ausgangsbedingungen sind unveränderbar. Er kommt von der Arbeit, ich zwar auch, aber unterwegs habe ich noch unsere Dutzend Kinder vom Kindergarten abgeholt.

Viel spannender ist nun die Verhandlung der Abfahrts-Modalitäten, denn nun – der aufmerksame Leser ahnt es schon – schlüpft das afrikanische, seit jahrtausenden in unseren Chromosomen gespeicherte kulturelle Fehlwissen: Die Frau, ihr wisst schon.

Hauptspann:

Ich erkläre dem Ehemann, der stets aufmerksam und sorgfältig zuhört, den Abfahrtsplan:

“Du nimmst zwei Kinder und das große Fahrrad von Melek. Er schafft den Heimweg nicht mehr, schau, wie müde er aussieht.”

“Gut”, antwortet der Afrikaner, “dann hopp, Melek, ab auf´s Rad, Mama fährt jetzt los. Jon-Florentin, du kommst mit mir.”

“Jippieh!” schreit Jon-Florentin und hüpft an Papas Hand hinterher.

Die Ehefrau steht offenen Mundes da.

Der Afrikaner schnappt sich beide Zwillingsfahrradhelme (0,5 Kilo Schaumstoff!) und bummelt Richtung Auto.

Was zum Kuckkuck? Die Ehefrau löst sich aus ihrer Verblüffungsstarre: “Und die Tasche mit den nassen Handtüchern??” Sie rennt hinterher. Mit 200 Kilo nassen Handtüchern und restlichem Klimbim.

Der Afrikaner hört nicht ist so darauf konzentriert, sein Gefährt zu beladen (Helme), dass er weder hört noch sieht. Ich erwische ihn vor der Abfahrt und reisse den Kofferraum auf.

Puh, 200 Kilo Gepäck weniger! Und sogar noch einen Helm ergattert.

Und jetzt ratet mal, wer dann später noch die nassen Sachen in die Waschmaschine geworfen hat?

Abspann:

Heute abend aber habe ich mich in meinem Büro eingeschlossen und ignoriere geflissentlich alle Hilferufe aus dem Rest des Hauses … die Rache der starken Frau.