Aus: Die Welt, 13.Januar 2010 S. 2 Essay von Naomi Wolf, politische Aktivistin und Gesellschaftskritikerin, Project Syndicate.
„Die Gepflogenheit, Anklägerinnen in Vergewaltigungsfällen nicht namentlich zu nennen, ist ein Relikt aus viktorianischen Zeiten, Frauen galten damals als fragil, rein und unwissend. Sie mußten vor der Unerbittlichkeit der Öffentlichkeit geschützt werden.
Vorwürfe jedoch, die anonym erhoben werden nimmt niemand so ernst, wie solche, die öffentlich gemacht werden. Wenn eine Frau eine ernste Anklage erhebt, dann braucht sie nicht auf die Stufe eines Kindes gestellt zu werden. Sie muss als moralisch erwachsen behandelt werden wollen – und sich auch selbst so behandeln. Es ist falsch, überhaupt jemanden, ob männlich oder weiblich, auf der Grundlage anonymer Beschuldigungen vor das Gericht der öffentlichen Meinung zu stellen.
Eines der Rechte, für das Suffragetten kämpften, war für eigene Verbrechen verurteilt zu werden.
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article12124955/Frauen-sind-keine-Kinder.html