“Frauen im Laufgitter” von Iris von Roten

Ein feministischer Klassiker von zeitloser Aktualität ist “Frauen im Laufgitter” von Iris von Roten, einer Schweizer Juristin, die von 1917 bis 1990 lebte. Nach wie vor ist das Buch aber  weniger bekannt als Simone de Beauvoirs “Das andere Geschlecht”. Auch wird weniger oft auf sie als auf Beauvoir Bezug genommen, was auch an den unterschiedlichen Biografien liegen kann. Beauvoir können wir unter “sie lebte das Leben einer Intellektuellen” einordnen und über ihre Beziehung zu Jean-Paul Sartre spekulieren, während Iris von Roten verheiratet war, ein Kind hatte – und im konservativen Mief der 1950er und 1960er Jahre in der Schweiz massiv angefeindet wurde.

Ihre Abrechnung mit der Situation der Frauen schlug wie eine Bombe ein; gerade Frauenvereine distanzierten sich von ihr. Ehemann Peter von Roten war zeitweise Abgeordneter und kämpfte engagiert, wenn auch vergeblich, für das Frauenstimmrecht. Iris von Rotens Analyse ist auch heute noch zutreffend, etwa wenn sie Machtverhältnisse entlarvt, die heute wie früher unter angeblicher “Andersartigkeit” von Frauen kaschiert wurden. “Jede kollektive Über- und Unterordnung, sofern sie von einiger Dauer ist, bewirkt auf beiden Seiten eine Vorstellung vom Typus und von der Rolle, welche der einen oder anderen Lage entsprechen.

“Frauen im Laufgitter” von Iris von Roten
Peter und Iris von Roten


Sie trägt dazu bei, das Machtverhältnis beziehungsweise die Unterdrückung ideell zu verankern und damit zu verstärken, Ergebnis der Selbstbewertung ist auf der einen Seite Minderwertigkeitsgefühl, auf der anderen Überheblichkeit. Die Bewertung der anderen Seite bewirkt hier Respekt, ja Ehrfurcht, dort Verachtung.” – So stellt von Roten das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen dar und spricht auch von einer “Arroganz” auf Seiten der Männer, die an das Verhalten von Weltmächten gegenüber kleinen Staaten oder den Umgang von Städtern mit der Landbevölkerung erinnert. Es handelt sich bei der Unterwerfung “der Frau” unter “den Mann” aber nicht um ein “persönliches Minderwertigkeitsgefühl”, denn an Geschlechtsgenossinnen wird “kein guter Faden gelassen”.

Frauen hegen “wie alle Zurückgesetzten” eine gewisse Verachtung für ihre “Schicksalsgenossinnen” und haben weniger Vertrauen in deren Fähigkeiten als in jene der Männer. Damit ist das Verhalten der meisten Frauen in der Politik hinreichend beschrieben, denn sie strafen ihre eigenen forschen Worte, wenn es um Frauenforderungen geht, stets durch ihr Handeln Lüge. Sie setzen sich nicht mit allen Politikbereichen auseinander, sie buckeln vor “wichtigen” Männern, sie machen einen ganz grossen Bogen um jene Frauen, die alle Themen relevant finden und gleichberechtigt mitmischen wollen.

Frauen schätzen das eigene Geschlecht nicht

Wenn gerade auch von Frauen im Stich gelassene Frauen klagen, nicht so zu sein wie andere, ist dies schlicht ein Faktum, während unterwürfige Frauen mit ihrer Abgrenzung nur gegenüber den “Herren” zeigen, dass sie weiterhin gefügig sind, und zudem an mutigeren Frauen unangenehm finden, dass sie ihnen die ewigen Ausreden nehmen. Denn wenn “die” sich einmischen und aufstehen kann, wenn “die” sich Wissen aneignen, Partei ergreifen kann, dann heisst das, dass sie es auch könnten. Von Roten meint, dass sich gerade Frauen “Wort für Wort an vielerlei tendenziöse Schriftchen über weibliche und männliche Eigenheit” halten, was nach wie vor zutrifft. Denn wer liest Ratgeber, wer liest Frauenzeitschriften, wer liest all das, wo Frauen bestimmtes und Männern anderes Verhalten als “natürlich” nahegelegt wird?

Frauen neigten dazu, sich bezüglich der Eigenschaften, die “zur Herrschaft befähigen”, ein Armutszeugnis auszustellen, sagt von Roten. Sie nennt abstraktes, logisches Denken und Gerechtigkeitssinn, Unparteilichkeit, Sachlichkeit des Urteils, die sich Frauen absprechen. Zum einen ist mit der Unterwerfung unter andere unvereinbar zu sagen “ich kann Dinge selbst beurteilen, Schlussfolgerungen ziehen, richtig und falsch unterscheiden”, zum anderen sind “weibliche” Eigenschaften eher das Unkonkrete, Schwammige, Gefühlsbetonte. Man denke an die Erwartung, dass Frauen auch am Arbeitsplatz Konflikte entschärfen, sich um andere kümmern, nur ja nicht zu genau wissen sollen, was sie wollen.

Umso mehr spielt das Atmosphärische am “Arbeitsplatz” Haushalt und Kinder eine Rolle, aus dem nach wie vor viele Frauen, in Einklang mit gesellschaftlichen Vorstellungen, alles andere ableiten. Logisch, abstrakt, gerecht bedeutet auch zu unterscheiden, zu entscheiden. Wenn ich das eine tue, kann ich nicht zugleich das andere tun; ich kann diesen oder jenen Weg gehen. Viele Frauen wollen kein Entweder – Oder, wollen auf nicht gewählte Möglichkeiten nicht verzichten und sich dabei auch nicht selbst ermächtigen, sich für etwas zu entscheiden.

Als “überraschenden Anschauuungsunterricht über das, was die Frauen von den Frauen im allgemeinen halten”, bezeichnet von Roten Debatten über das Frauenstimmrecht: “Vereinzelte verdammen ihre Geschlechtsgenossinnen in Grund und Boden. Lieber wollen sie keine politischen Rechte als sie mit solchem Gewürm zu teilen.” Aktuell sieht man solche Ansichten in Diskussionen über Quoten – da könnte ja die eine oder andere unqualifizierte Frau dabei sein, als ob unter den stark überrepräsentierten Männern nur Leuchten wären. Dabei muss man aber Frauen, die sich aus Eigeninteresse für Quoten stark machen, an ihren Handlungen messen. “Was TUT die konkret, davon abgesehen, dass sie REDET und FORDERT?” geht aber wieder in Richtung Logik, Nüchternheit, Unterscheidbarkeit, während für viele Frauen nur zählt, ob “die” irgendwie “nett” wirkt.

Frauen trauen sich selbst wenig zu

“Es liegt auch ganz im Sinne des Minderwertigkeitsgefühles der Frauen in bezug auf ihr Kollektiv, dass sie sich häufig weder die Intelligenz noch die Kraft für die Politik zutrauen. Politik muss eine Angelegenheit für Giganten sein, wenn sie schon Männern solche Mühe bereitet. So nehmen sie denn häufig mittelmässiges, ja jämmerliches politisches Treiben der Männer einfach hin.” Den meisten Frauen in der Politik erscheint es undenkbar, Männern Parole zu bieten, die intrigieren, die eigenen Leute aufs Glatteis führen und falsche Entscheidungen treffen. Im Gegenteil, sie loben als besonders peinliche Unterwerfungsgeste dann gerade diese Typen, wenn die einmal einen Sager zur Gleichberechtigung loslassen. Dass sie mit Frauen, aber auch anderen Männern zynisch und menschenverachtend umgehen, scheint nicht aufzufallen.

Wer sich unterwirft, überschätzt natürlich auch die, die ihm überlegen sind. “Wie Erwachsene in den Augen von Kindern, so können Männer in den Augen vieler Frauen grundsätzlich alles.” Dies geht durchaus mit Kritik im Einzelfall konform, aber “die Hochachtung vor dem männlichen Geschlecht bleibt. Das Götterbild hält sich zähe.” Dann ist es natürlich kein Wunder, dass die Männer “dieses Bild eines besseren Ich, das ihnen die herrschaftliche Selbstüberschätzung eingegeben hat, schließlich selbst für ihr Konterfei” halten. “Wo die Frauen zurückgesetzt sind, halten viele Männer sie bis zum massiven Beweis des Gegenteils für dümmer und schwächeren Willens, dagegen erachten zahlreiche Frauen die Männer zum vornherein für klüger und energischer als jede Geschlechtsgenossin. Eine solche Atmosphäre ist nicht gerade Treibhausluft für die Idee einer Machtverschiebung zwischen den Geschlechtern…..”

“Frauen im Laufgitter” war lange Zeit nur antiquarisch erhältlich, wurde aber 1991 vom Berner eFeF-Verlag neu aufgelegt (www.efefverlag.ch).


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