Frau Käßmann und Herr Luther

Von Nicsbloghaus @_nbh

Margot Käßmann, Foto James Steakley (wikipedia, CC)

Frau Käßmann darf man wohl mit eini­gem Recht als “Christ-Populistin” bezeich­nen. Der “Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017″ wurde von der Öffent­lich­keit sogar ihre Alkoholfahrt im Februar 2010  ver­ge­ben. Nach kur­zer Pause ist sie wie­der all­ge­gen­wär­tig.

So auch in der FAZ, wo sie einen Gastartikel unter­brin­gen durfte und sich dort mit Luthers Antisemitismus aus­ein­an­der setzt. Nicht unklug gemacht das Ganze.

Sie gibt ihn zu; schreibt sogar:

Bis auf wenige Einzelne ver­sagte die evan­ge­li­sche Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, weil sie Menschen jüdi­schen Glaubens nicht schützte und sich dem Holocaust nicht vehe­ment ent­ge­gen­stellte.

um anschlie­ßend daran aber davon zu reden, dass es die jüdi­sche Gemeinde war, die der evan­ge­li­schen Kirche den “rech­ten Weg” wies. Sie schreibt:

Luther ver­trat – wie fast alle ande­ren Reformatoren auch – einen kla­ren Antijudaismus. Das erscheint aus heu­ti­ger Perspektive unver­ant­wort­lich…

und “ver­gisst” dann aller­dings die wei­tere Auseinandersetzung mit die­sem Thema – um fort­zu­fah­ren:

…ist doch ein respekt­vol­ler Dialog der Religionen offen­sicht­lich die not­wen­dige Basis für ein fried­li­ches Zusammenleben.

Dabei umschifft sie – nicht unge­schickt – die Frage, wel­che Verantwortung eine auf Luther sich beru­fende Religion hat, sich mit dem Antisemitismus aus­ein­an­der­zu­set­zen. Sondern nennt – ablen­kend von der eige­nen Verantwortung – Missbrauch, was ihr Kirchenvater lehrte:

Luthers anti­ju­da­is­ti­sche Schmähschrift von 1543 wurde immer auch vom spä­te­ren ras­sis­ti­schen, also bio­lo­gis­tisch begrün­de­ten Antisemitismus miss­braucht. Sie diente als Rechtfertigung für Diskriminierung, Ausgrenzung und Mord an euro­päi­schen Juden.

Es waren also “die Anderen”, die Luther “miss­brauch­ten” – nicht “die Eigenen”. Wer den Artikel liest, hat an die­ser Stelle ver­mut­lich schon das ein­gangs Zitierte ver­ges­sen. Hofft Frau Käßmann.

Viele, auch evan­ge­li­sche Wissenschaftler haben diese Geschichte auf­ge­ar­bei­tet; auch hat die evan­ge­li­sche Kirche nach 1945 die Bedeutung des jüdi­schen Erbes für den christ­li­chen Glauben völ­lig neu ver­ste­hen gelernt.

Zugegeben; die evan­ge­li­sche Kirche hat sich in einem gewis­sen Rahmen ihrer Verantwortung gestellt. Anders als die katho­li­sche; die zu jener Zeit geschlos­se­nen Verträge gel­ten zum Teil noch heute und wer­den mit Krallen und Klauen ver­tei­digt.

Allerdings wird mir leicht übel, wenn ich ihre Forderung lese:

Trotz des neuen Bewusstseins und der Über­win­dung von Antijudaismus in den christ­li­chen Kirchen in Deutschland kommt der Antisemitismus auf erschre­ckende Weise immer wie­der zum Vorschein… Es geht darum, immer wie­der aktiv auf­zu­ste­hen für eine Toleranz, die den Namen ver­dient, weil sie zum Dialog fähig ist und auf Dialog drängt, weil sie Intoleranz nicht tole­riert, und dabei offen ist für Lernerfahrungen und Horizonterweiterungen.

Denn zum Einen denke ich an den aktu­el­len Fall des evan­ge­li­schen Jugendpfarrers Lothar König, der eben dies ver­sucht und dafür von Staat bestraft wer­den soll – und zum Anderen frage ich mich nach der Dialogbereitschaft und der Toleranz auch der evan­ge­li­schen Kirche gegen­über Nichtgläubigen, die immer­hin ein Drittel (im Osten Deutschlands die Hälfte) der Bevölkerung aus­ma­chen. Da scheint es mit “Lernerfahrungen und Horizonterweiterungen” nicht weit her zu sein.

Nic

[Crosspost mit EHBB-Blog]