Ich in 30 Jahren? Eine düstere Zukunftsvision…
Hochverehrten Publikum, liebe Lesers!
Ihr ahnt es bereits – heute geht es um die deutsche Sprache! Tja. Der progressive Bildungsbürger weiß natürlich, dass falsches Deutsch eine hohe Kunst ist, wenn man es richtig macht. So wissen wir inzwischen alle, dass die korrekte Antwort auf die Frage „Wer gehört datt Fahrrad im Flur?“ nicht etwa lautet „Mein!“, sondern „Ich!“. ( Für Außenstehende, die in das Geschehen nicht unmittelbar involviert sind, lautet die korrekte Antwort in dem Falle „Dem sein!“ oder „Der ihrs!“, aber das ist bereits höhere Materie. )
Richtiges falsches Deutsch ist eine lyrische Gratwanderung und eine hohe Kulturleistung, die ein feines Gehör und eine fundierte Kenntnis der deutschen Grammatik erfordert. Als oberste Regel können wir uns merken: Nur was zweifelsfrei keinen Sinn ergibt, ist richtig. Lyrik eben.
So verursacht die Frage „Nehmen Sie bei den Pommes Ketchup?“ dem geübten Kenner geradezu Schmerzen, kann die Antwort doch lauten: „Ja, wenn ich bei den Pommes sitze, nehme ich auch hin und wieder Ketchup.“ Das geht also gar nicht. Die Frage „Kommt auf den Pommes noch watt drauf?“ hingegen klingt wie Musik. Die korrekte Antwort lautet hier: „Spezial.“ Auch die Variation „Kommt bei dem Pommes noch watt bei?“ ( Dativ! ) verrät kreatives Gespür.
Ein absolutes Ding der Unmöglichkeit aber ist falsches richtiges Deutsch! Das tut weh. So wie mir letztens. Ich bin ja bekennender Autist und brauche meine Rituale. Das gibt Sicherheit und hilft, die Verwirrungen des Alltags in scheinbarer Überschaubarkeit zu erleben. Eines meiner Rituale ist das Hörbuch zum Einschlafen. Ohne kann ich ja nicht, nä? Deswegen nehm ich da auch alles, Hauptsache, jemand fängt an vorzulesen, wenn ich mir die Decke über den Kopf ziehe. Dann schlummert die Frau Groka immer sofort ein und kriegt nix mehr mit. Hab ich gedacht. Jetzt hab ich da aber diese Historienschmonzette für billig abgegriffen, „Die Herrin der Burg“ heißt das gute Stück. Und es ist – sagen wir mal – grenzwertig. Gut, wenn man einen unseligen Hang zu Mittelalterschinken hat, hat man sich mit „blütenweißen bebenden Schenkeln“ und „knospenden Brüsten“ abgefunden. Was da alles bebt und knospt ist schon erstaunlich, aber da hört man halt als geübter Hörer drüber wech. Was jetzt aber sehr verwirrend ist, ist die Tatsache, dass in diesem Roman alle Schlüsselfiguren auf der Zollernburg Friedrich heißen, ja? Also, da wäre der Graf Friedrich, Eitel-Friedrich, Friedrich der Mertenberger, der alte Friedrich, der jüngere Friedrich und/oder der ältere Friedrich, der Bruder des Mertenbergers, der auch, man höre und staune, Friedrich genannt wird. Wahlweise ersetzt die Autorin den Namen Friedrich durch „Ritter Friedrich“ oder einfach „der Ritter“.
Ich gebe es ja zu – das ist schon schwierig, wenn 70 % der Hauptfiguren den gleichen Namen tragen, hat uns doch der Deutschlehrer erklärt, dass man sich nicht zu oft wiederholen sollte und auch ruhig mal Synonyme ausprobieren darf. Aber da stehen dann also die ganzen Friedrichs so vor dem Pallas rum, spinnen Intrigen und sehen der vorbei eilenden Magd Gret auf die knüspenden Bröste…nee, auf die schebenden Benkel…ist ja jetzt egal, und dann sagt der Ritter zu Friedrich „Bla!“ worauf der Ritter erwidert „Hmhm!“ und dann zum Ritter sagt, dass Friedrich, der Ritter, dem Ritter gesagt hat…
Ganz unter uns: Der Lektor, der sowas durchgehen läßt, gehört verkloppt. Den Siedepunkt erreichte das Ganze dann, als ich beim Hörbuchgenuss bereits tief entschlummert zu sein glaubte, als ein Bote an die Tore der Zollernburg hämmerte und ausrief: „Lasst mich ein! Eile ist geboten, ich muss den Graf sprechen!“
*zuck*
Ich schreckte hoch und rief wirr in die Dunkelheit: „WEN? WEN oder was muss er sprechen!? AKKUSATIV!“
Menschen, genannt Römer, gehen das Haus…
Ich habe fertig.
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