Rezension Franzobel - Das Floß der Medusa
Klappentext:18. Juli 1816: Vor der Westküste von Afrika entdeckt der Kapitän der Argus ein etwa zwanzig Meter langes Floß. Was er darauf sieht, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren: hohle Augen, ausgedörrte Lippen, Haare, starr vor Salz, verbrannte Haut voller Wunden und Blasen ... Die ausgemergelten, nackten Gestalten sind die letzten 15 von ursprünglich 147 Menschen, die nach dem Untergang der Fregatte Medusa zwei Wochen auf offener See überlebt haben. Da es in den Rettungsbooten zu wenige Plätze gab, wurden sie einfach ausgesetzt. Diese historisch belegte Geschichte bildet die Folie für Franzobels epochalen Roman, der in den Kern des Menschlichen zielt. Wie hoch ist der Preis des Überlebens?
Im Juli 1816 läuft das französische Schiff Medusa auf eine Sandbank auf. Doch es gibt zu wenig Rettungsboote, um alle Passagiere zu fassen. Ein Floß wird gebaut, darauf knapp 150 der an Bord befindlichen Menschen, das von den Booten gezogen werden soll. Doch das Seil wird gekappt und die verzweifelten Menschen bleiben auf dem Floß zurück. Es folgen Tage des Schreckens, des Hungers, Tage an denen die Moral der Menschen auf einem schmalen Grat läuft und sich die Frage stellt, wie weit ein Mensch gehen kann, um sein Überleben zu sichern. Denn nur 15 Menschen werden überleben und in die Geschichte eingehen.
Die Geschichte setzt an der Rettung dieser 15 Menschen an und schon auf den ersten Seiten offenbart sich, dass der Autor seine Leser nicht schont. Und einen verdammt genialen Erzählstil einzusetzen weiß. Mit beißendem Humor, vielen Ausschmückungen und einer doch sehr modernen Erzählweise wird dieser Roman zu einem Leseerlebnis. Denn es handelt sich zwar um einen historischen Roman, basierend auf einer realen Geschichte, deren Hintergründe hier sehr gut aufgearbeitet wurden, angestaubt wirkt der Stoff aber keinesfalls.
Trotz aller Groteske bleibt man als Leser aber auch nicht unberührt von der Geschichte, die einen nachdenklich stimmt und bei der ich froh war, dass ich mich bisher nie in so einer Extremsituation befinden musste. Ein Roman, der besten Stoff zum Diskutieren bietet und sich auch auf heutige und aktuelle Geschehnisse umlegen lässt. Denn letztendlich sind wir alle doch nur Tiere, wenn wir in Ereignisse geraten, in denen es ums schiere Überleben geht.
Fazit:Modern und fast schon poppig wird hier ein historischer Stoff aufgearbeitet, der an seiner Aktualität nichts eingebüßt hat. Schonungslos, aber auch mit viel Biss führt Franzobel seine Leser an die Grenzen des Ertragbaren und darüber hinaus, ein verdammt gut geschriebenes Stück Literatur in all seiner Groteske.
Von mir gibt es 4,5 von 5 Punkten.Gebunden: 26,00 Euro
Verlag: Zsolnay
ISBN: 978-3-552-05816-3
Seitenzahl: 592