Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung ist in den Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Rheinmetall gewählt worden. Politisch verwerflich oder politisch gewollt? Eine Abwägung.
"Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln", hat der preußische Militärstratege Carl von Clausewitz verkündet. Zu seiner Zeit, im frühen 19. Jahrhundert war das keineswegs anstößig. Krieg war ein übliches Mittel, politische Interessen durchzusetzen. Heute ist der Krieg nicht mehr politisch korrekt. Trotzdem werden überall auf der Welt bewaffnete Konflikte ausgetragen - auch mit deutschen Waffensystemen. Einerseits wirbt Deutschland aufgrund seiner historischen Verantwortung stets für Versöhnung und Frieden, andererseits wird hochmodernes Kriegsgerät exportiert. Das allein ist ein politischer Balanceakt. Biografisch heikel wird es, wenn Franz Josef Jung als früherer Verteidigungsminister in die Rüstungsindustrie wechselt. Die Düsseldorfer Rheinmetall Gruppe nennt sich selbst "Technologiekonzern für Sicherheit und Mobilität" - und die Hightech-Waffensysteme laufen unter dem Label "defense". Dennoch bleiben Waffen Kriegsgeräte und sind keine originären Friedensstifter.
Quelle: Rheinmetall-Pressebilder
Rechtlich spricht nichts gegen Jungs Wahl, allerdings ist sie von symbolpolitischer Brisanz. Ein Verteidigungsminister a. D. entdeckt sich neu als Rüstungslobbyist? Jung bringt immerhin ein wertvolles Netzwerk zu Außen- und Sicherheitspolitikern weltweit mit. Die absehbaren Reaktionen all derer, die nun mit Moral und (politischem) Anstand argumentieren, waren absehbar - und Franz Josef Jung dürfte sie eingepreist haben. Geld allein wird wohl auch nicht den Ausschlag gegeben haben. Als langjähriger Parlamentarier und Bundesminister muss sich der 68jährige Franz Josef Jung um seine Altersvorsorge keine Gedanken mehr machen. Bleibt die Frage, inwiefern personelle Verbindungen zwischen Politik und Rüstungsindustrie nicht nur biografisch, sondern auch politisch gewollt sind - und vielleicht sogar sinnvoll. Denn abseits aller lauten Empörung über vermeintlich mangelndes politisches Feingefühl von Franz Josef Jung: Ein Aufsichtsrat soll die Geschäftsführung kontrollieren. Und für diese Aufgabe bringt Franz Josef Jung einen Erfahrungsschatz mit, der ebenso von Wert sein dürfte wie seine Kontakte. Gerade wenn heikle Geschäfte mit dem NATO-Partner Türkei anstehen - die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr mehrere Waffenlieferungen dorthin verweigert - ist es sicher nicht von Nachteil, einen politischen Routinier an Bord zu haben. Natürlich steht und fällt das mit der persönlichen Integrität dessen, der eine solche Doppelrolle ausfüllt. Franz Josef Jung eine faire Chance verdient, seine Eignung für diese Aufgabe zu beweisen. Vielleicht kann ihm Clausewitz raten: Es sollte jedenfalls zu keiner Zeit der Eindruck entstehen, dass der Rüstungslobbyismus die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist...