Franz Graf: Kommen Sie wieder!

Für gewöhnlich bieten sich runde KünstlerInnengeburtstage dazu an, eine Überblicksschau über das jeweilige Werk zu zeigen. Wer es in unserer schnelllebigen Zeit geschafft hat, mit 60 Jahren noch im Kunstbusiness vertreten zu sein, hat sicherlich auch ein gewisses Anrecht darauf und wird sich über eine dementsprechende Einladung unter Garantie freuen. Einzelausstellungen – noch dazu in einem großzügigen Ambiente – werden einem nicht alle Tage angeboten. Umso erstaunlicher, dass Franz Graf der Einladung von Agnes Husslein-Arco ins 21er Haus zwar gerne folgte, dabei aber nicht unbedingt sein eigenes Schaffen in den Mittelpunkt stellte. Allerdings aus einem anderen Blickwinkel betrachtet – ist dies gar nicht erstaunlich. Wer die Arbeitsweise des Österreichers kennt, weiß, dass gerade die Einbeziehung anderer künstlerischer Positionen für Graf nicht ungewöhnlich ist. Was nun aber im 21er Haus zu sehen ist, sprengt den Rahmen einer Personale bei Weitem. Unter dem Titel „Franz Graf Siehe was dich sieht“ werden im lichtdurchfluteten Raum im Parterre, der sich seit der Neueröffnung des Hauses durch die darin gezeigten Einzelausstellungen in einem permanenten Wandel befindet, insgesamt 270 Werke präsentiert. 21 davon stammen von Graf selbst, 179 aus seiner – wie sich durch diese Schau zeigt – beachtlichen Sammlung zeitgenössischer Kunst, sowie 27 aus der Sammlung Belvedere, aus welcher der Künstler nach Gutdünken aussuchen durfte. Franz Graf zu Seite stand dabei der Kurator der Ausstellung Severin Dünser.

Kommen Sie wieder!

Kommen Sie wieder!

Heraus kam dabei eine überbordende Impressionsfülle, die jedoch die Möglichkeit bietet, in das aktuelle Kunstuniversum von Franz Graf einzutauchen, sich darin zu verlieren oder – im idealeren Falle – mit einigen Erkenntnissen reicher die Ausstellung zu verlassen. Und, was sehr wahrscheinlich ist, noch einmal wiederzukommen.

Einen der stärksten Eindrücke hinterlässt die Ausstellungsarchitektur selbst. Geschaffen aus Gerüst- und Bühnenbauteilen, werden die Wände und die sie tragenden Teile, die Sitzgelegenheiten und die „Laufstege“, die sich quer durch den Raum ziehen, nicht mit Gipsplatten verbrämt, sondern in ihrem ursprünglichen Zustand belassen. Die Ausstellungsarchitektur wird zu einer räumlichen Ornamentierung, die einem genauen Plan folgt. In einzelnen Cubes – wenngleich keine white ones! – werden künstlerische Positionen vereint, aneinandergereiht oder auch gegenübergestellt. Dabei finden sich nicht nur Zeitgenossen von Graf, sondern auch Vorgänger – wie Arbeiten seines Lehrers Oswald Oberhuber, aber auch von Herbert Boeckl, Arik Brauer oder August Gaul, um nur einige zu nennen, der mit seinem „Großen Eselreiter“ von 1914 in die Ausstellung leitet. Neben künstlerischen Arbeiten selbst werden auch Artefakte gezeigt, die unter Glasstürzen und auf Podesten präsentiert, sich plötzlich in einer völlig anderen Rezeption wiederfinden als in ihrem ursprünglichem Kontext – nämlich in Regalen oder Kästen in Franz Grafs Atelier oder Wohnräumen. Da findet sich unter anderen eine Porzellanfigur, ein Aschenbecher aus dem Standard Hotel Los Angeles, Videokassetten und Plattencover – und harren der Gedankensprünge des Publikums. Auf diese hat es Franz Graf offenbar besonders abgesehen, denn es gibt keinen allgemeingültigen Leitfaden, mit welchem die Ausstellung zu begehen, zu beschauen und zu rezipieren wäre. Genauso viele Positionen wie es Ausstellungsbesucherinnen und -besucher geben wird, werden sich zwangsläufig aus deren unterschiedlichen Betrachtungs- Wahrnehmungs- und Verarbeitungsweisen ergeben können, vorausgesetzt, das Publikum lässt sich darauf auch ein. Schon alleine der Umstand, dass das Alter der Besucherinnen und Besucher deren Blick und Erfahrungen zu einem Großteil bestimmt, ist in diesem Zusammenhang ein interessantes Phänomen. Jemand, der den Aufbruch der Kunst der 70er und 80er Jahre in Österreich selbst miterlebt hat, wird andere Schwerpunkte in den Sammlungsstücken herausfiltern als junge Menschen, die vielleicht mit Arbeiten wie der „Lammraumdecke“ von 2014 von Anouk Lamm Anouk, die prominent vor einem Architekturgestänge von Graf frei im Raum hängt, vertrauter sind.

Ob es Arbeiten aus dem konzeptualen Bereich sind, die fotografisch festgehalten wurden oder ob es sich um grafische, skulpturale oder malerische Werke handelt – es scheint, als ob Franz Graf bei seiner Auswahl keine Kunstgattung der letzten Jahrzehnte ausgelassen hätte. Dies wird noch dadurch betont, als in den nächsten Wochen vor Ort auch Live-Performances abgehalten werden, Franz Graf seine Ausstellung teilweise neu positioniert und abändert oder aber auch jungen Künstlerinnen und Künstlern für je 2 Wochen die Möglichkeit der Präsentation ihrer Arbeiten gibt.

Aufgrund all dieser Opulenz erstaunt es, dass die Arbeiten von Franz Graf selbst in diesem lebenden Ausstellungsorganismus ganz und gar nicht untergehen. Vielmehr sind seine Schwarz-Weiß-Positionen, mögen sie auch noch so abseits oder hoch angebracht sein, unverkennbar. Ob lyrisch-geometrisch, ob mit Sprache und Form agierend oder darstellend-expressiv, wie es in den Portraits der Fall ist – seine Handschrift hebt sich von all den anderen gezeigten vehement ab. Dabei bestechen sein sicherer Strich und sein offensichtliches Gespür für Harmonie. Mag sein, dass es all der anderen Arbeiten bedarf, um gerade im direkten Aufeinanderprallen Grafs Bilder in ihrer Besonderheit wahrzunehmen. Mag sein, dass all das virile Kunstgeschehen rundherum die Leinwände von Graf mit ihren eigenen ästhetischen Ansätzen zusätzlich befruchten. Wie auch immer die Betrachtungs- und Interpretationsweise dazu erfolgt – sowohl die Konzeption als auch die Ausführung der Ausstellung ist hervorragend gelungen. Wie Severin Dünser in seinem Eingangsstatement der ersten Ausgabe des Kataloges zur Ausstellung – der sich im Laufe der Ausstellungsdauer erst zu seinem tatsächlichem Endprodukt entwickeln wird – ausführt: „Er (Anm: Franz Graf) ist weder vom Typ Konzeptkünstler, Malerfürst, verkanntes Genie, Staats- oder Marktkünstler noch ein Institutionskritiker und dennoch eine Menge von alle dem“. Dass dies in dieser Ausstellung tatsächlich spürbar wird, steht außer Zweifel.

Weitere Informationen:

Ausstellungsinfo 21er Haus


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