Eine Platte, die @ungeschrien an schöne Zeiten erinnert: Frankmusik – Complete Me (2009)
Ich weiß es jetzt. Das klingt alles ein bisschen nach britischem Electronica-NewRave. Zumindest, wenn man nach den Tags von Last.fm geht. Und das muss ich nun einmal, weil ich mich mit musikalischen Genres überhaupt nicht auskenne.
Es begann im Juni letzten Jahres. Ich hatte mein Abitur in der Tasche. Geil. Dann kommt jetzt das, was man „Orientierungsphase“ nennt. Also drei Monate lang Zeit dafür, sich von dem Abistress zu erholen und mal zu überlegen, wer man nach zwölf Jahren Schule ist… und wer man eigentlich sein möchte. Und das war mal nötig. In der ganzen Zeit habe ich wirklich viele Platten gehört. Von Owl City, Hadouken!, Mae und vielen anderen. Aber am meisten erinnere ich mich an Frankmusik, den ich rauf und runter gehört habe. Dabei muss ich aber zugeben, dass ich selten Alben kaufe, sondern mir die Musik, die ich haben möchte, Lied für Lied zusammensuche. Hier war es nicht anders; deswegen ist es nicht nur die Platte, sondern auch vereinzelt andere Lieder – und Künstler –, die mich erinnern lassen. Dazu später.
Aber wie kam’s?
Last.fm. Ich liebe Last.fm. Es kennt meinen Musikgeschmack besser als ich selbst. Oft verbringe ich Stunden damit, mich einfach durch meine Musiksammlung zu klicken und ähnliche Künstler anhand der Tags [electronica, classical, powerpop, …] zu suchen. Und so stieß ich über ich weiß nicht wie viele Ecken auf einen Künstler mit diesem Profilbild. Okay – sofort anklicken, reinhören, verlieben!
Complete Me ist das am 3. August 2009 erschienene Debüt-Album von Vincent Frank. Auf der Bühne Frankmusik. Ein britischer Electropop-Künstler, der früher als Beatboxer unterwegs war und dessen erste Lieder vom Radiosender Gaydar gespielt wurden. Von den auf dem Album vertretenen Liedern gibt es viele Versionen; das ist aber in dem Genre wohl so üblich. Deswegen bietet es eine unglaubliche Bandbreite von Pop über Synth, New Rave und Bassline-Remixe bis hin zu ruhigen Balladen auf der im Dezember erschienenen Acoustic-Version des Albums [Completely Me]. Für jeden lässt sich also das Passende finden. Wer jetzt aber Mozart oder Metallica hört, ist mit Complete Me vielleicht nicht ganz so gut bedient. Man sollte schon eine Vorliebe für „synthetische“ Musik haben. Leicht elektronische Klänge. „Mainstream-Melodien“.
Tiefsinn sucht man hier nämlich vergebens. Es wird über Liebe, Eifersucht, Liebeskummer und sowas gesungen. Das lassen die Liedtitel Better Off As Two, Gotta Boyfriend? und 3 Little Words, dessen Video ich übrigens ganz nett finde, schon erahnen. Nicht unbedingt sozialkritisch, arg melancholisch oder augenöffnend. Aber das muss auch nicht sein, denn ich bin der Meinung, dass man mit genügend Fantasie so viel in Lyrics hineininterpretieren kann, dass der Tiefsinn von ganz allein kommt. Jeder empfindet ein Lied anders. Das ist gut so, denn:
Und so verbrachte ich die Monate vor Studienbeginn mit mehr oder minder seichter Musik, glich das aber durch intensives Tagebuchschreiben und Zumirselbstfinden aus. Melancholische Schwermut hätte ich in der Zeit wahrscheinlich auch nicht gewollt, denn mit dem ständigen Gedanken an den baldigen Studienbeginn ist man trotz vieler Freizeit irgendwie doch etwas aufgekratzt. Bald wird man ins kalte Wasser geworfen. Bald wohnt man allein und kennt niemanden in der großen, neuen Universitätsstadt. Dann ist man wieder der Kleinste. Erstsemester. Allein. Ohje.
Ich fieberte also den letzten freien Tagen entgegen. Machte den Mietvertrag für die neue Wohnung fertig, schaute nochmal über den Bafög-Antrag und fuhr los. Und saß dann allein im neuen Zimmer. Nordseite. Jalousien unten. Noch kein Internet. Da bleibt einem nur die Musik. Da dreht man den Bass etwas höher [ehrlich gesagt, bis Anschlag] und wartet, dass etwas passiert. Und dann passiert auf einmal so viel. Auf einmal geht’s los. Überall Studenten. Überall Musik, überall Alkohol und überall so viel zu tun! Zu so vielen Liedern muss man plötzlich tanzen! Und wenn man sich früher vor lauter Rumsitzen die Zeit ein bisschen mit basslastiger Musik vertrieben hat, findet man sich jetzt auf einmal mit dem Kopf an einer Balustrade in einem Club lehnend wieder, spürt das Wummern im Kopf, schließt die Augen und ist dankbar, dass man dadurch mal kurz der Realität entfliehen kann, um nachzudenken, was um einen herum eigentlich passiert.
Und wer sich jetzt wundert, warum ich von Bässen rede, obwohl Complete Me in der Hinsicht eigentlich noch recht zurückhaltend ist, wenn man mit anderen Electronica-Bands vergleicht, wundert sich zurecht. Es ist „ungerecht“, die ganze Zeit nur von Frankmusik zu schreiben, denn wie ich am Anfang schon sagte, lieferten auch andere Bands ihren Beitrag zu den Erinnerungen an diese schöne Zeit: Zum Beispiel Hadouken! oder Does It Offend You, Yeah?, die dem gleichen Genre angehören und mich mit ihren [spärlichen] Lyrics in dieser Phase der Veränderungen irgendwie total ins Herz trafen:
Und jetzt sitze ich hier, schreibe diesen Text, höre wieder Frankmusik und mir kommt es vor, als schriebe ich von letzter Woche. Dabei ist es schonwieder ein Jahr her. Und was kann ich sagen?
I’m not complete – but completely me. Danke, Musik. :-)
Über den Autor: Der Ungeschrien versucht seinen verwirrenden Alltag twitternd zu verarbeiten, ärgert sich fürchterlich, wenn er freie Zeit nicht zum Musik hören nutzen kann, da ihm das die Statistik auf Last.fm kaputt macht, und liebt Diagramme, die seinen Musikgeschmack widerspiegeln.
Frankmusik: Website Myspace Amazon
Dieser Text entstand im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „31 Tage – 31 Platten“. Mehr dazu gibt es an dieser Stelle.