Jetzt spricht der Mittelstand und warum Frankfurt erst recht nicht von der neuen Landebahn profitiert
Frankfurt stürzt ab
Laut einer Pressemitteilung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vom 17.2.14 ist für die Unternehmen in Deutschland eine stabile Stromversorgung der wichtigste Infrastrukturbereich, gefolgt von einem hochwertigen Straßennetz und einem leistungsfähigen Kommunikationsnetz. Das Luftverkehrsnetz sei für viele Unternehmen dagegen nicht so wichtig. Das gleiche Institut befragte im Oktober 2011 rund 4000 Unternehmen in den 50 größten Städten Deutschlands zu ihrer Standortzufriedenheit und im Oktober 2012 rund 2700.
Das Luftverkehrsnetz hat für viele Unternehmen als Infrastruktbestandteil nicht die höchste Priorität – Foto: © Rene K / youtube.de
Abgefragt wurden drei Felder: das Verwaltungshandeln (Wirtschaftsfreundlichkeit, Serviceorientierung, Einsatz von E-Administration und Sparsamkeit), die Infrastruktur (Verkehr, Gewerbeflächen, Schulen, Kinderbetreuung, Freizeit- und Kultureinrichtungen) sowie die
Attraktivität, in denen weichere Faktoren, wie das Image der Stadt bzw. die Zukunftssicherheit als Unternehmenssitz einfließen. Ein Jahr nach Eröffnung der Nordwest-Landebahn verlor Frankfurt vier Plätze im Standortranking und erzielte Rang 20 von 50. In zwei Unterpunkten überraschen deutliche Rückgänge: Die Verkehrsinfrastruktur wurde nur noch unterdurchschnittlich bewertet: Rang 26 nach Rang 7. Bei der Frage „Würden Sie Frankfurt noch einmal als Unternehmensstandort auswählen?“ fiel Frankfurt von Rang 2 auf Rang 20.
Ein Vertreter aus dem Mittelstand wehrt sich:
Inwieweit die Ergebnisse für Frankfurt im Zusammenhang mit der neuen Nordwest-Landebahn stehen, ist spekulativ. Der ehemalige Präsident der IHK Offenbach, Dr. Wolfgang Kappus, resümierte aber schon 2001: „Ich habe selbst einige der Fragebogen der Fraport damals im Mediationsverfahren ausgefüllt. Da waren so Fragen drin: Glauben Sie, dass ihr Unternehmen in zehn Jahren noch wachsen kann, wenn Sie nicht mehr im Stundentakt eine Verbindung nach London oder Paris haben? Ja, das waren wirklich Fragen, die in der Mediation gestellt wurden. Diese Verbindung im Stundentakt oder die Erreichbarkeit eines Flughafens innerhalb von 45 Minuten steht auf der Liste der unabdingbaren Ansiedlungsvoraussetzungen nicht an wichtiger Stelle. Neben einer sicherlich notwendigen vernünftigen Verkehrs- und Infrastruktur gibt es viel wichtigere Probleme zu lösen: die Zulieferersituation, gut ausgebildete Arbeitnehmer, wirtschaftsfreundliche Verwaltungen, Wohnumfeld, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Gerade die zuletzt genannten weichen Standortfaktoren spielen bei den Unternehmen eine viel größere Rolle und dafür ist der Ausbau des Flughafens kontraproduktiv.“ Mittlerweile fliegt man im 20-Minutentakt von Frankfurt nach Paris.
Zwei Fragen stellen sich hier: Lag die deutsche Exportnation vor ca.15 Jahren am Boden, als es nur eine Verbindung im Stundentakt von Frankfurt nach Paris gab? Angenommen, die extrem hohen Flugmöglichkeiten in Frankfurt sind nicht das Resultat eines Bedarfs, sondern die logische Konsequenz des Hubs:
Wie viele Zehntausende Flugbewegungen können am Flughafen Frankfurt problemlos gestrichen werden, ohne dass es die deutsche Exportnation tangiert, sondern allerhöchstens das Fraport-Geschäftsmodell, das darauf abzielt, kauffreudige Umsteigepassagiere durch Einkaufspassagen zu schleusen? – Laut Fraport sind ca. 55% der Passagiere Umsteiger.
Zehntausende weniger Flüge würden es Zehntausenden Menschen in der Region einfacher machen, nicht als Nervenbündel an ihren Arbeitsplätzen zu erscheinen, sondern für ihre jeweiligen Arbeitgeber ihre vollen Produktivkräfte zu entfalten. Noch einmal Wolfgang Kappus: „Es gibt nicht nur wirtschaftliche Gründe für den Ausbau, sondern eine Reihe wirtschaftlicher Gründe gegen den Ausbau, die viel schwerer wiegen. Oft sind es ethische und regionalpolitische Gründe, die so viel schwerer wiegen als diese schlicht vordergründigen „Erfolgsaussichten” der Wirtschaft. Viele Unternehmer wissen das, und viele Unternehmer werten das auch so. Die Bevorzugung des Giganten Fraport gegenüber anderen Wirtschaftsunternehmen ärgert mich als Mittelständler ganz besonders. Ich habe mich immer als ein Repräsentant mittelständischer Unternehmen verstanden, die den größten Teil der Arbeitsplätze in dieser Region schaffen.“
Der Standort Frankfurt hat mit der neuen Landebahn nicht an Attraktivität für die lokalen Unternehmen gewonnen. Es nicht zu gewagt zu behaupten, dass Frankfurt somit auch für externe Unternehmen nicht attraktiver geworden ist.
Das Rheinisch-Westfälische-Wirtschaftsinstitut Essen fand 1999 in einer Studie heraus, dass der Arbeitsmarkt in Relation zur Größe eines Flughafens nicht positiv beeinflusst wird.
Über die magnetische Anziehungskraft eines Luftverkehrsdrehkreuzes
Gibt es also keine unternehmensseitigen katalytischen Effekte, die man dem Wert der negativen externen Effekte (Krankheit, Umweltverschmutzung, Immobilienwertverlust) gegenrechnen könnte, die der Ausbau des Frankfurter Flughafens ausgelöst hat? E-Mail-Anfrage an Anja Obermann, die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH: „Ist es feststellbar, dass sich aufgrund der neuen Landebahn am Frankfurter Flughafen im Oktober 2011 neue Unternehmen in Frankfurt angesiedelt haben?“ „Die Inbetriebnahme der zusätzlichen Landebahn ist für eine unternehmensstrategische Entscheidung wie z.B. die Eröffnung einer Niederlassung oder der Verlagerung eines Unternehmenssitzes nicht ausschlaggebend. Vielmehr sind begleitende Entwicklungen wie z.B. die Fertigstellung des The Squaire oder die Verfügbarkeit neuer Flugziele von vorrangiger Bedeutung.“ E-Mail-Anfrage an Christopher Holschier, den Stellv. Pressesprecher von Fraport: „Werden mit Eröffnung der neuen Landebahn neue Flugziele angeflogen?“ „Es ist uns nicht möglich, eine direkte Aussage darüber zu treffen, in wie weit neue Flugziele in Zusammenhang mit der Eröffnung einer neuen Landebahn stehen. Die Entscheidung, welche Ziele angeflogen werden, treffen die Fluggesellschaften. Die grundsätzlichen Erweiterungen im Winterflugplan 2011/2012 (also mit Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest) können Sie unter folgendem Link ansehen:“ Die verlinkte Presseerklärung informiert nicht darüber, ob und inwieweit Airlines aus Effizienzgründen redundante Strecken gestrichen haben.
E-Mail-Anfrage an Christopher Holschier, den Stellv. Pressesprecher von Fraport:
„Gibt es eine Art Historie der Ziele, die angeflogen werden, so dass man z. B. sagen kann:1990 gab es 90 Flugziele, 1995 95 Flugziele, 2000 flogen die Fluggesellschaften 94 Ziele an usw.?“ „Hierzu kann ich Ihnen lediglich das Dokument ‚Historische Verkehrszahlen‘ anbieten, das Sie auf unserer Internetseite finden. Es reicht bis 1980 zurück:“ Das Dokument informiert über die Anzahl an Flugbewegungen, die Anzahl an beförderten Passagieren und das Gewicht an transportierter Fracht. Die Fraport AG kann also nicht sagen, wie viele Flugziele im Verlauf der Jahre bis heute in den jeweiligen Sommer/Winterflugplänen angesteuert wurden. Daher sind Aussagen von ihr, wonach die Exportnation Deutschland von der neuen Nordwest-Landebahn profitiere, da mit ihr die Drehscheibenfunktion des Frankfurter Flughafens gestärkt würde, als reine Behauptung einzustufen. Entsprechend ist nicht erkennbar, dass durch die neue Bahn für die in der Region ansässigen Firmen ein Markterweiterungspotential entstanden ist.
Warum der Frankfurter Hub für die Rhein-Main-Region nicht attraktiv ist
In Hinblick auf internationalen Umsteigeverkehr und unter der Voraussetzung, dass man die Bedeutung des Frankfurter Flughafens als Arbeitsstätte verwirft, fand Prof. Dr. Friedrich Thießen von der Technischen Universität Chemnitz ein treffendes Bild: „Einen Hub in das Zentrum eines Ballungsraumes zu setzen, ist etwa so, wie wenn man ein Stahlwerk oder ein Chemiekombinat in die Mitte einer Menge von Menschen setzt: Die Menschen haben die Nachteile dieser Betriebe aber keine Vorteile, die andere von den Werken belieferte Menschen nicht auch hätten.“
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) formuliert am 17.2.14 in seinem Gutachten „Infrastruktur zwischen Standortvorteil und Investitionsbedarf“: „Ein fehlender Ausbau der Kapazitäten an den wichtigen Flughafenstandorten mit Drehkreuzfunktion könnte die Verlagerung interkontinentaler Verkehre zulasten des Wirtschaftsstandorts Deutschland begünstigen.“ Mitverfasser Klaus-Heiner Röhl konkretisiert, was mit „dem Standort Deutschland schaden“ gemeint ist: „Weil es sonst nicht mehr unsere Fluggesellschaften sind, die das Geschäft machen.“
Am Standort Frankfurt sehen sich die Fraport AG und die Lufthansa AG aus geschäftlichen Gründen – Langstreckenverbindungen sind meistens profitabel – in einem Elefantenrennen mit zukünftigen Mega-Hubs wie Abu Dhabi, Dubai, Katar und Istanbul. Da Fraport zur optimalen Auslastung des Frankfurter Drehkreuzes auf eine große Anzahl von Zubringerflügen (engl. „Feeder“) angewiesen ist, ist die AG im globalen Kampf um Verkehrs- und Passagierzahlen dankbar für jeden (Interkontinental)flug.
Kennen die Verantwortlichen bei Fraport, bei Lufthansa und ihrer Unterstützer in der Politik, die mit einer Weiterwachsen-oder-Sterben Rhetorik den ewigen Ausbau des Frankfurter Flughafens propagieren, den Unterschied zwischen einer von Menschen dicht besiedelten Region und “Sandkörnern-soweit-das-Auge-reicht”? Der geplante Mega-Hub in Istanbul, der ab 2018 der größte Flughafen der Welt sein soll und dessen Konkurrenz Fraport-Chef Stefan Schulte fürchtet, liegt 35 km außerhalb des Stadtkerns Istanbuls.
Bei einem Verkehrsflugzeug machen die Treibstoffkosten rund 50 Prozent der Gesamtkosten aus. Der einfachste Weg, den Energieverbrauch zu senken, besteht darin, auf kürzestem Weg von A nach B zu fliegen.
Dem von Lufthansa und Fraport konsequent verfolgten Hub-Konzept erwächst inzwischen Konkurrenz durch umsteigefreie Interkontinentalflüge mit kleineren und dank einer Leichtbauweise in kohlefaserverstärkte Kunststoffe, deutlich sparsameren Flugzeugen. „Hubs und wenig energieeffiziente Großflugzeuge lassen sich angesichts steigender Treibstoffpreise mittelfristig nur noch in Regionen mit großen Ölvorkommen wirtschaftlich betreiben (z.B. Golf-Region)“, prognostiziert der ökologische Verkehrsclub VCD Hessen.
von Claus Folger
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Die Wahrheit über „Deutschlands größte Arbeitsstätte“ und ein Verwaltungsgerichtshof im Dienst der herrschenden Kräfte.
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Quellen – weiterführende Links
Landeanflug Frankfurt – Foto: © Rene K / youtube.de