Frank
8TragikomödieKunst oder Kommerz? Avantgarde oder Schrott? Genie oder Wahnsinn? Auch wenn das Denken in dichotomen Gegensatzpaaren für kreative Prozesse vielleicht weniger förderlich ist, sind das Fragen, mit denen sich Musikerinnen und Musiker, und solche, die es noch werden wollen, früher oder später auseinandersetzen müssen.
Dass scheinbar objektive Bewertungskriterien und wirtschaftlicher Erfolg beim Musikmachen aber gar keine so große Rolle spielen müssen, zeigt Frank, Mastermind der unaussprechlichen Gruppe The Soronprfbs und Titelspender dieser Mischung aus Independent-Komödie und Musikdrama, die es mit etwas Verspätung endlich auch hierzulande ins Kino geschafft hat.
Jon (Domhnall Gleeson), seines Zeichens Möchtegernmusiker, bietet sich die vermeintlich große Chance für den Sprung ins Musikbusiness, als er ad hoc bei der kleinen, unbekannten Band The Soronprfbs als Keyboarder anheuert. Er begleitet die Band zu einem abgelegenen Ferienhaus und verbreitet heimlich den Entstehungsprozess des neuen Albums in den sozialen Medien. Schnell wird ihm dabei klar, dass er hier keiner gewöhnlichen Musikcombo beigetreten ist. Der – wortwörtliche – Kopf der Band Frank (Michael Fassbender) trägt rund um die Uhr einen übergroßen Schädel aus Pappmaché und kann auch sonst, ebenso wie die anderen Bandmitglieder, als eher exzentrisch bezeichnet werden. Die langwierigen Arbeiten am Album und die Nichtanerkennung seitens seiner Bandkollegen machen Jon zu schaffen, seine mediale Präsenz macht sich schließlich aber bezahlt und die Band landet einen Gig beim renommierten SXSW-Festival in Texas. Der Sprung in die große Öffentlichkeit stößt bei den anderen Bandmitgliedern aber auf wenig Begeisterung und manch einer droht dabei sogar den Kopf zu verlieren.
Wer sich von Frank ein Feelgood-Movie mit vielen Gags, verschrobenen Charakteren und bissigen Seitenhieben aufs Musikbusiness erwartet, wird nicht enttäuscht den Kinosaal verlassen, der Film bietet allerdings einiges mehr, als die bloße Unterhaltung auf Kosten von anderen. Im Vordergrund steht eindeutig die Liebe zur Musik und zu seinen Außenseiterfiguren. Dass letztere vor allem in den Nebenrollen etwas zu vage bleiben und oft noch etwas mehr Zeichnung vertragen hätten, stört das Gesamtbild aber kaum. Im Vordergrund steht klarerweise ohnehin der großköpfige Titelgeber, dessen Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn dankenswerterweise nicht sensationsgierig ausgeschlachtet oder als Allürenhaftigkeit dargestellt wird, sondern bei dessen Figurenzeichnung hinter all der Fassade zwischendurch auch der Leidensdruck einer psychischen Erkrankung durchblitzen darf. Solche Momente verleihen Frank einen, auf den ersten Blick unvermuteten, ernsten Unterton und eine zunehmend tragikomische Komponente, die vom bemerkenswert nuancierten Spiel Michael Fassbenders stolperfrei getragen wird.
Frank ist ein Film, der eine vermeintlich naive Position zu künstlerischen Entstehungsprozessen einnimmt. Frank und dem Rest der Band geht es nicht darum, Reichtum und Ruhm zu erlangen – die Aussicht auf ein großes Publikum begeistern und beängstigen den Vollblutmusiker gleichermaßen. Der riesige Kopf ist kein Marketinggag eines als exzentrisch gelten wollenden Künstlers, sondern mehr Selbstschutz gegen die Außenwelt. Hier geht es nicht um Selbstinszenierung als Mittel zum Zweck, sondern um Selbstverwirklichung, um die kindliche Lust am Musizieren, um Kreativität, die weder gefallen noch provozieren will. Erst durch den an einer breiteren Öffentlichkeit orientierten Jon brechen externe Anforderungen über das Schaffen und Auftreten der Band herein, denen sie sich weder stellen will noch kann.
Diese Perspektive auf die Kunst und ihre Protagonisten mag recht verträumt erscheinen – natürlich müssen auch hier Rechnungen bezahlt werden, natürlich möchte man Selbstgeschaffenes mit möglichst vielen Menschen teilen, natürlich möchte man gefallen – man kann die cineastische Liebeserklärung an die Musik aber auch als unverklärten Blick darauf sehen, worauf es beim Musikmachen wirklich ankommt. Und, selbst wenn das in einer durch Ruhmsucht und Profitgier schon zynisch gewordenen Welt reichlich naiv erscheint, das wichtigste Kriterium ist doch immer noch die Lust und die Freude an der Musik. Frank lädt unbedingt zu einer Wiederentdeckung derselben ein.
Regie: Leonard Abrahamson, Drehbuch: Jon Ronson, Peter Straughan, Darsteller: Michael Fassbender, Domhnall Gleeson, Maggie Gyllenhaal, Scoot McNairy, François Civil, Filmlänge: 95 Minuten, Kinostart: 04.09.2015, www.magpictures.com/frank/
Autor
Karin GaschAufgabenbereich selbst definiert als: Zwielichtaufsuchende mit Twilight-Phobie. Findet "Ours is a culture and a time immensely rich in trash as it is in treasures" (Ray Bradbury) zeitlos zutreffend.
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