Francesco M. Cataluccio: La memoria degli Uffizi.

Wolfgang Krisai: Die Uffizien am Abend. 2011.„In die Uffizien gingen wir seit unserer Kindheit, jeden Sonntag. Da unsere Familie am Feiertag keinerlei Gottesdienste besuchte, führte uns Papa am Vormittag zu dem Ritus der Laien, zur Betrachtung von Gemälden, der dem heidnischen Ritus des Nachmittags voranging, dem Besuch des Fußballmatchs der ‚Fiorentina‘ im Stadion des ‚Campo di Marte‘, das ganz aus konkaven und konvexen Formen bestand, die Pier Luigi Nervi entworfen hatte. Gegen zehn, während Mama (eine ganz schlechte Köchin) sich bemühte, das einzige wirkliche Mittagessen der Woche zuzubereiten, führte uns unser Vater in die Uffizien, wo wir einen Saal – immer einen anderen, nach dem Rotationsprinzip – besichtigten. Heute, wo auch ich mit wechselndem Resultat als Elternteil dasselbe mache, muss ich anerkennen, dass meine Eltern wahrhaft vorbildlich waren, indem sie uns dieser ‚kulturellen Mission‘ unterzogen, an der mein Bruder und ich übrigens sehr gerne und voller Neugier teilnahmen.“ (S. 11, Übersetzung von mir.) Als ich im Bookshop der Uffizien vor wenigen Tagen diese Zeilen in dem dünnen, dunkelblauen Sellerio-Bändchen las, konnte ich nicht anders, als das Buch zu kaufen. Unterzog ich doch gerade jetzt eine ganze Schulklasse genau dieser „kulturellen Mission“, nicht nur in den Uffizien, sondern in ganz Florenz, und hatte ich doch auch meine eigenen Kinder vielfach in Museen geschleppt, zu ihrer nicht immer ungeteilten Begeisterung, aber mit positiver Langzeitwirkung, wie ich jetzt weiß. Kaum hatte ich das Büchlein gekauft, fürchtete ich auch schon, es werde die doch etwas dünne Handlung breit auswalzen und bald langweilig werden. Weit gefehlt. Kaum nach Hause zurückgekehrt, schnupperte ich in das Buch hinein und konnte nicht mehr aufhören. Cataluccio erzählt weit mehr als nur seine Kindheitserinnerungen an Museen. Er bietet einen ganz persönlich gefärbten Rundgang durch die Uffizien, mit einigen Seitensprüngen in andere Museen wie die Galleria Palatina, wo dies angebracht erscheint. Dabei gewinnt er auch sattsam bekannten Gemälden wie etwa Botticellis „Geburt der Venus“ oder Michelangelos „Tondo Doni“ noch neue Aspekte ab, sodass ich am liebsten gleich wieder umgekehrt wäre, um in den Uffizien vor dem Original Cataluccios Erkenntnisse nachzuvollziehen. Ein Beispiel: Da hängt ein Gemälde Albrecht Dürers mit dem Titel „Madonna mit der Birne“, und dem oberflächlichen Betrachter mag der Titel auch schlüssig scheinen, hält die Madonna doch neben Jesus auch noch eine birnenförmige Frucht in der Hand. Cataluccio nun verweist auf einen Artikel von 2013, in dem eine Spezialistin für seltene Obstsorten nachweist, dass es sich bei der angeblichen Birne um einen Apfel handelt! Wenn man genau hinsieht, wird einem bewusst, dass dort, wo bei der Birne der Stengel wäre, hier der Rest des Blütenstands zu sehen ist, also die andere Seite. Folglich ist das ein Apfel, der ein wenig wie eine umgedrehte Birne aussieht, ein Vertreter der Sorte „Muso di bue“, „Rindernase“. Häufig erzählt Cataluccio auch von seiner persönlichen, meist originellen und interessanten Interpretation der Werke. Ein wahres Lesevergnügen. Es ist zu hoffen, dass das Buch bald auch auf Deutsch zur Verfügung steht. Francesco M. Cataluccio: La memoria degli Uffizi. Sellerio editore, Palermo, 2013. 134 Seiten Text, 26 Seiten Anhang, 16 Farbtafeln. Bild: Wolfgang Krisai: Die Uffizien am Abend. Tuschestift und Buntstift. 2011.


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