© MFA Filmdistribution / Greta Gerwig ist Frances in Noah Baumbachs “Frances Ha”
Mit „Frances Ha“ ist Regisseur Noah Baumbach eine faszinierend-reale Charakterstudie gelungen. Sein Handlungsraum ist der Alltag, wie ihn viele New Yorker erleben dürften, übertragbar auf sämtliches Großstadtleben dieser Welt – man nehme allein die deutsche Produktion „Oh Boy“, die sich Baumbachs Film sehr verwandt fühlen dürfte. Greta Gerwig, ein Independent-Darling der USA, ist die Verkörperung eines modernen, weiblichen Woody Allen Stereotyps: Die Großstadtneurotikerin. Ihre Darstellung der Frances ist höchst optimistisch konzipiert, sie trotzt jedem Großstadtbedingten Rückschlag, tritt lächelnd jeder Situation entgegen. Das zeigt sich vor allem in ihrer ewig andauernden Wohnungssuche, von elitärer Hipsterwohngemeinschaft bis hin zur Kleinraum-Einzimmerbude.
„Frances Ha“ ist ein Road Movie durchs Leben, bei dem sich die Protagonistin eigentlich nicht sonderlich von der Stelle bewegt. Der Road Movie findet um sie herum statt, die Welt zieht an dieser jungen Frau vorbei, die sich erst noch dazu durchringen muss, auf den Bus des Lebens aufzuspringen. Sie lässt sich noch treiben. Andere Menschen übernehmen die Strukturierung ihres Lebens. Je mehr sie sich jedoch gegen diese Struktur sträubt, desto mehr entfernen sich die lieb gewonnenen Dinge von ihr, explizit ihre beste Freundin, die mit dem Freund bereits sesshaft geworden ist, nicht mehr mit Frances um die Häuser ziehen mag, sondern den Sinn ihres eigenen Lebens aus der Jugend in die Erwachsenewelt überführt hat. Ein Ort, an den Frances noch nicht gefolgt ist.
Greta Gerwig als Frances mit der besten Freundin Sophie (Mickey Sumner)
Dass der Film in schwarz/weiß gezeigt wird, fügt sich gleich auf zweierlei Weise in das Konstrukt dieser Geschichte ein. Es symbolisiert hier das Alte und das Neue zugleich. Das Alte fügt sich passend zur immer präsenten Musik: von George de la Raè und anderen Musikern derselben Periode mit ihren romantisch verliebten Klangwelten. Das Neue passt derweil zum modernen New Yorker Lebensstil, zu der Gefühlswelt die von der Großstadtmetropole ausgeht, zu diesem rastlosen Umherziehen, dem nicht sesshaften, sondern ewig suchenden Lebenswelten. In diesen Welten zwischen Alt und Neu findet sich Greta Gerwig ein, die Dinge und Situationen lebendig und fast schon improvisiert gespielt wirken lassen kann. Ihre Frances ist eine soziale Klette, die an Dingen und Personen festhält, sie fest umklammert und nicht mehr loslassen will. Alles soll so bleiben wie es ist, dafür möchte Frances sorgen, nicht um ihre Umwelt an sich zu binden, viel mehr um sich selbst nicht ändern zu müssen. Denn eigentlich ist doch alles gut so wie es ist.
Dieser umhertreiberische Akt, die Auseinandersetzung mit der besten Freundin und die damit einher gehende gänzliche Abstinenz einer Problematik, die sich um einen männlichen Love Interest drehen könnte, macht „Frances Ha“ zu einer Art Anti-Romantic-Comedy über eine Single-Frau in New York, der kein Mann an ihrer Seite fehlt. Der Mann wird nicht einmal gesucht, er wird nicht thematisiert. Eine Seltenheit im Hollywoodkino, eine willkommende Abwechslung und viel größerer Realitätsbezug des amerikanischen Independent-Kinos.
Einen Fokus in „Frances Ha“ auszumachen ist sowieso ein schweres Unterfangen. Denn es geht nicht um die eine Sache. Es geht nun mal um ein Lebensgefühl, um eine Dame, die sich durch die urbane Moderne schlägt. Vielleicht möchte man diese Frances am Ende deswegen so gerne selbst kennenlernen, weil sie so sehr der realen Welt entsprungen scheint. Aber zumindest in der Großstadt muss niemand auf Greta Gerwig warten, denn irgendwo kennt man sie wahrscheinlich, diese gutaussehende junge Frau, die mit dem Leben ringt und doch irgendwie klarzukommen scheint.
“Frances Ha“
Originaltitel: Frances Ha
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 86 Minuten
Regie: Noah Baumbach
Darsteller: Greta Gerwig, Mickey Sumner, Michael Esper, Adam Driver, Michael Zegen
Deutschlandstart: 1. August 2013
Im Netz: francesha.de