Fragen an das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V., kurz FÖS. (Green Budget Germany)

Liebe Leser,

am 18.04.2011 habe ich über die Studie von Greenpeace-Energy berichtet. Die Studie hat das „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.“ erstellt. Zu dieser Studie haben wir ein Interview mit Frau Küchler von der FÖS geführt. Das Interview ist eine weitere Neuheit in unserem Blog.

Globalinformations.de:  Arbeitet das FÖS unabhängig  von Greenpeace bzw. Greenpeace-Energy?

Swantje Küchler: Die Arbeit des FÖS erfolgt grundsätzlich überparteilich und unabhängig von Verbänden und Interessengruppen, was sich auch in der Struktur unserer Mitglieder widerspiegelt. Unter den derzeit rund 170 Mitgliedern befinden sich Experten aus Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Forschung, Politiker aller demokratischen Parteien, Journalisten und eine Vielzahl engagierter Bürger aus anderen Berufen.

Das FÖS ist ein gemeinnütziger Verein, der sich zum Einen über Mitgliedsbeiträge und Spenden und zum Anderen über Drittmittel finanzierte Projekte und Aufträge finanziert. Zum Teil sind dies wissenschaftliche Expertisen und Studien, wie beispielsweise unsere Arbeiten zu den staatlichen Förderungen von Atomenergie und Kohle (2010) im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace oder die aktuelle Studie zum Vergleich der staatlichen Förderungen und gesamtgesellschaftlichen Kosten verschiedener Energieträger im Auftrag des Ökostromanbieters Greenpeace Energy. Die angewendete Methodik und Vorgehensweise ist dabei nicht von den Auftraggebern vorgegeben, so dass wir unabhängig von deren Zielen und Interessen arbeiten.

Globalinformations.de:  Was sind die Aufgabengebiete des FÖS?

Swantje Küchler: Das FÖS versteht sich als Sammelbewegung unabhängiger Vordenker und ist gegenüber Entscheidungsträgern und Multiplikatoren Anstoßgeber wie Konsensstifter in der Debatte um eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Das FÖS setzt sich dafür ein, die soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft weiter zu entwickeln. Wir unterstützen Bestrebungen, neben verlässlichen sozialen Sicherheitssystemen auch den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in der Umweltpolitik zu stärken. Unsere aktuellen Forderungen sind beispielsweise die Beseitigung ökologisch kontraproduktiver Subventionen und Ausnahmeregelungen, die pragmatische Fortentwicklung einer ökologischen Steuer- und Finanzreform (die langfristig angelegt ist und neben ökologischen Zielen auch soziale Gerechtigkeit und Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt) sowie die Abschaffung steuerlicher Privilegien beispielsweise von Flugverkehr und Dienstwagen.

Globalinformations.de:  Was bedeutet Green Budget Germany?

Swantje Küchler: „Green Budget Germany“ ist einfach unsere englische Bezeichnung. Der Name steht für eine ökologische Ausrichtung des Steuer- und Finanzsystems und zur Weiterentwicklung marktwirtschaftlicher Steuerungsinstrumente. Das zugrunde liegende Ziel ist eine innovativere, naturschonendere und zugleich wettbewerbsfähigere Wirtschaftsordnung.

Wir sind über Deutschland hinaus auch auf europäischer und internationaler Ebene aktiv. So richteten wir im Oktober 2007 die achte Weltökosteuerkonferenz in München aus und gründeten im September 2008 mit einigen Partnern das Expertennetzwerk „Green Budget Europe“ als europaweiten Dachverband für politische Lobbyarbeit im Bereich umweltökonomischer Instrumente und marktwirtschaftlicher Umweltpolitik.

Globalinformations.de:  Wie kann man ausschließen / objektiv begründen, dass die Greenpeace Studie keine interessengeleitete (Hauptsache sie hilft der Öko-Bewegung oder bringt sie Vorteile für Solar- und Windkraftindustrie?) Angelegenheit ist? Gibt es Argumentationsketten dafür?

Die RP bezieht sich z. B. häufig aus Aussagen von der dena, dabei ist die dena eine “nur“- halbstaatliche Institution, an der seit 2007 mit je 8 Prozent die Konzerne Allianz SE, Deutsche Bank AG und DZ BANK AG beteiligt sind handelt. Über 50 Prozent der laufenden Mittel zahlt die Energiewirtschaft, überwiegend die vier großen Stromkonzerne (E.on, EnBW, RWE, Vattenfall Europe). Also ist die DENA keineswegs unabhängig in Meinung und Aussage, besonders, wenn es um angeblich benötigte fossile Kraftwerke oder Überlandleitungen geht!

Swantje Küchler: Die vorliegende Studie bietet einen Vergleich der staatlichen Förderungen und gesamtgesellschaftlichen Kosten der verschiedenen Energieträger. Dabei wurde für alle Energieträger nach einer einheitlichen Methodik und Systematik vorgegangen, die transparent und nachvollziehbar dargestellt und begründet wird. Im Zweifelsfall wurden Schätzungen der Förderwerte bei den erneuerbaren Energien eher zu hoch als zu gering ausgewiesen, um jeden Anschein zu vermeiden, Ergebnisse zugunsten der erneuerbaren Energien „schönrechnen“ zu wollen. Dies betrifft z.B. die Schätzungen der Förderwerte der Energiebesteuerung und des Emissionshandels sowie eine vorsichtige Schätzung des Merit-Order-Effekts, der gegenläufig zum Förderwert des EEG wirkt. Mit dieser Transparenz wollen wir erreichen, dass die Leser „den methodischen Weg zum Ergebnis“ genau nachvollziehen und schließlich selbst entscheiden können, ob sie unseren Schlussfolgerungen folgen möchten oder nicht.

Globalinformations.de:  Sind die Ergebnisse für Sie überraschend?

Swantje Küchler: Nach den Ergebnissen der Studien aus dem letzten Jahr zu Atomenergie und Kohle war bereits zu vermuten, dass die erneuerbaren Energien in der Gesamtsumme der staatlichen Förderungen im Zeitraum 1970-2010 deutlich hinter den konventionellen Energieträgern zurückbleiben würden. Das hat natürlich vor allem damit zu tun, dass eine substantielle Förderung in diesem Bereich erst seit Anfang der 1990er Jahre mit dem Stromeinspeisungsgesetz und später dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zu verzeichnen ist. Weniger eindeutig war für uns zu Beginn, was die Ergebnisse bei den Förderwerten im Verhältnis zur erzeugten Strommenge (ct/kWh) und den „gesamtgesellschaftlichen Kosten“ betrifft.

Globalinformations.de:  In vierzig Jahren soll der Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Die Förderung müsste dementsprechend ein Vielfaches höher sein. Ist dieses Ziel mit den momentan gezahlten Förderungen überhaupt realistisch?

Swantje Küchler: Zu dieser Frage haben wir keine eigenen Prognosen gemacht. Es gibt aber eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen, die belegen, dass eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien zu vertretbaren Preisen bis zum Jahr 2050 möglich ist.

Globalinformations.de:  Sie geben an, dass der Atomstrom 12,8 Cent kostet. Sie schreiben, dass die Endlagerung Morsleben nur teilweise mit den Kosten eingerechnet ist. Welche Kosten sind das genau und welche fehlen? Wie schaut es mit den Kosten für das Lager Gorleben und Asse aus?

Swantje Küchler: Bei den Kosten für die End- und Zwischenlager für radioaktive Abfälle wurden jeweils nur diejenigen Kosten einbezogen, die die öffentliche Hand trägt.

Die Kosten für die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle tragen gemäß Atomgesetz die Verursacher. Dies ist in der „Endlagervorausleistungsverordnung“ geregelt, nach der auch die Energieversorger ihren Beitrag leisten. Allerdings ist auch der Bund als Betreiber von Forschungseinrichtungen an der Finanzierung beteiligt. So wurden beim Salzstock Gorleben in der Kalkulation der staatlichen Förderungen nur der Teil der Kosten einbezogen (rund 11 Prozent), der nach Angaben der Bundesregierung auf die öffentliche Hand entfällt. Der Salzstock Asse war als Forschungsendlager gedacht, in dem die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle erprobt werden sollte. Rund die Hälfte der Einlagerung erfolgte jedoch im Zeitraum 1967-1975, erst danach wurden Gebühren erhoben. Die so eingenommenen 16,5 Mio. DM decken aber nur einen Bruchteil der insgesamt zu veranschlagenden Sanierungskosten von mindestens 3,7 Mrd. Euro ab. Die Kostendifferenz für Weiterbetrieb und Stilllegung trägt nach AtGÄndG (10. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes) der Bund.

Morsleben ist ein Sonderfall, da es sich eigentlich um „Altlasten“ der ehemaligen DDR handelt. Die Ausgaben der Bundesregierung für die Stilllegung des ehemaligen Salzstocks sind insofern eine Folge der deutschen Wiedervereinigung. Allerdings wurden auch nach der Wende in großem Umfang „westdeutsche“ nukleare Abfälle eingelagert. Hierfür zahlten die Abfallverursacher im Zeitraum der Einlagerung (1994-1998) nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz nur einen Bruchteil der Kosten (138 Mio. Euro), die die Offenhaltung und Stilllegung insgesamt verursachen wird (rund 2,3 Mrd. Euro). Für die Berechnung der Förderwerte für Atomstrom wurden demnach nur der Teil der Bundesmittel berücksichtigt, der gemäß dem Anteil des westdeutschen Atommülls nicht als Folge der deutschen Wiedervereinigung zu werten ist.

Globalinformations.de:  Wurde bei der Berechnung der Kosten bei der Stein- und Braunkohle auch der CO2-Emissionshandel berücksichtigt?

Swantje Küchler: Bei der Kalkulation der staatlichen Förderungen wurde in dem Bereich „C“ (budgetunabhängige Förderungen) auch die Förderwerte berechnet, die sich aus der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten ergeben. Bei den gesamtgesellschaftliche Kosten hingegen sind nur die staatlichen Förderungen mit Auswirkungen auf den Haushalt (und damit auf den Geldbeutel der Steuerzahler) einbezogen – Hier ist der Emissionshandel also nicht explizit eingerechnet, auch um eine Doppelzählung zu vermeiden. In den Börsenpreisen ist der Emissionshandel ja bereits indirekt eingerechnet.

Globalinformations.de:  In der Auflistung der Förderungen für das einzelne Jahr fällt auf, dass einige Beträge mit Minus angegeben sind. Was bedeutet das?

Swantje Küchler: Minusbeträge bzw. „negative Förderwerte“ ergeben sich aus der Energiebesteuerung der unterschiedlichen Energieträger. Um die Förderung durch ungleichmäßige Energiebesteuerung bewerten zu können, bedarf es eines Leitbildes. Wir haben die tatsächlich gezahlten Steuern (Energiesteuern, Stromsteuer, Kohlepfennig) mit einem theoretisch zu erhebenden Steueraufkommen verglichen. Das zugrunde liegende Leitbild fußt auf einem Vorschlag der EU-Kommission, Energiesteuern am Energiehalt und CO2-Ausstoß der Energieträger auszurichten. Daraus ergibt sich, dass für erneuerbare Energien und teilweise auch Braunkohle höhere Beträge gezahlt wurden, als dies das Leitbild der Energiebesteuerung verlangt.

Globalinformations.de: Ganz herzlichen Dank für das Interview.

Liebe Grüße,

Dirk



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