Fracking Deutschland: Benzol-Lecks und Erdbeben – Jetzt bohrt RWE Dea über 5000m tief in Intschede

Von Politropolis @sattler59


Im Niedersächsischen Intschede im Kreis Verden wird ein „Erdgasfeld“ vermutet.
(1) Das will die RWE Dea in über 5000 Metern Tiefe erkunden. (2) In der Nähe wird bereits ein großes Vorkommen in Völkersen ausgebeutet. Gefrackt wird dort bereits seit 2001. Stefan Wenzel von der Grünen-Landtagsfraktion stellte vor Kurzem fest, „..die vom Niedersächsischen Landesbergamt erteilten Genehmigungen für die Förderung seien «leichtfertig» vergeben worden“ (3) Das glauben auch die Betroffenen vor Ort, die weniger milde Aussagen treffen. Die schon jetzt zu beobachtenden Pannen sprechen eine eindeutige Sprache – auch im Bezug auf die zukünftige Störfallwahrscheinlichkeit.

Fracking in Deutschland: Probleme, Pannen, Risiken – aber kein Mitspracherecht der Bürger und Kommunen. (Bild:Gasbohrturm bei Vechta)

Erdbeben, Benzolvergiftung und Verpressung von Lagerstättenflüssigkeit mitten im Wasserschutzgebiet

Dass das heute sehr umstrittene und riskante Fracking in Völkersen schon seit 2001 betrieben wird, davon berichtete der Weser Kurier: Die Bohrungen stehen im Verdacht, ein Erdbeben in 10km Tiefe verursacht zu haben. Bei Anfragen aus dem Jahr 2011 des dortigen Landrats an das zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie kam heraus: Schon im April 2001 wurde erstmals ein Erdgasfeld in Völkersen „gefrackt“. (4) Damals wusste die Öffentlichkeit so gut wie nichts von der heute kontrovers diskutierten, riskanten Technik, gleichzeitig wurde bei der Anfrage vom Landesamt lapidar geantwortet, dass der betroffene Landkreis keine Befugnis habe, die „Fracking-Methode zu unterbinden“.

Was genau wird da eigentlich in den Untergrund gepumpt?

Über genaue Zusamensetzung der Frack-Flüssigkeit selbst, besteht einige Unklarheit. Diese bietet ein Gefährdungspotenzial, das wie eine Zeitbombe im Untergrund tickt. Aus der Antwort des Landesamtes:

Die typische Fracking-Chemikalie bestehe zu 95 Prozent aus Wasser, dazu kämen drei Prozent Kaliumchlorid und zwei Prozent “weiterer Stoffe”. Auf die Frage, ob diese Substanzen in Verbindung mit Trinkwasser gesundheitsgefährdend seien, heißt es von der Behörde: “Generell hat jeglicher Kontakt der Frac-Flüssigkeit mit den Grundwasser führenden Schichten zu unterbleiben. Dies wird über verschiedene technische Maßnahmen und die vorhandenen geologischen Barrieren erreicht.” Einzelne Inhaltsstoffe der Frac-Flüssigkeit wie Essigsäure seien als “reizend” oder “entflammbar” (Isopropanol) gekennzeichnet. Aufgrund der starken Verdünnung sei die Frac-Flüssigkeit nicht als Gefahrstoff kennzeichnungspflichtig. (4)

Und was sprudelt uns da alles entgegen?

Diese ungesunde Frack-Brühe muss also gesetztlich nicht als Gefahrstoff deklariert werden. Im kilometertiefen Untergrund kann diese ein unkontrollierbares Eigenleben entfalten. Bei den Bohrungen werden drüberhinaus möglicherweise in der Erde ruhende hochgiftige Lagerstätten aus früheren Erdzeitaltern angebohrt, deren Gifte -samt radioaktiver Stoffe- mit dem Frack-Wasser an die Oberfläche gelangen können. Hören Sie dazu Christophe Tourre von der französischen Aktion: “Stop au gaz de schiste” im Video von Euronews ab Minute 4:26. (5)

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Billige Rohre und Behörden-Irrsinn

Selbst das bei der Gasförderung anfallende „Lagerstättenwasser“, das durch ein Rohrsystem oberirdisch abtransportiert und im Untergrund verpresst werden soll, stellt die Förderunternehmen vor technische Probleme. Es wurde Geld gespart und ungeeignete „PE-100“-Rohrleitungen verwendet, das kam erst vor ein paar Monaten heraus. Das Ergebnis: Hochgiftiges Benzol trat aus. Und der absolute Hit: Die Anlage zur Verpressung der Lagerstättenflüssigkeit wurde mitten in ein Wasserschutzgebiet gebaut! Die Betroffenen können es kaum glauben. Dem Leser bleibt die Spucke weg und die Frage offen, wie Behörden so etwas genehmigen konnten. (6)

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Fortsetzung folgt:

Die Erkundung eines weiteren großen Erdgasfeldes durch die RWE Dea nimmt im Moment gestalt an. Ein Bohrturm soll auf einer asphaltierten Fläche entstehen, irgendwo in der Nähe von Völkersen, in der benachbarten Gemeinde Intschede. Eine „Explorationsbohrung“ wird durchgeführt und bei alledem hütet man sich seitens RWE davor, das Wort „Fracking“ auch nur zu erwähnen. „Wir suchen einen Standort, der am wenigsten Probleme macht – und zwar technisch-geologisch und naturschutzmäßig aber auch in der Akzeptanz der Bevölkerung“. (1) (Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand zu einer Wohnbebauung beträgt übrigens nur 250 Meter.)

Der dortige Bürgermeister wird im gleichen Artikel zitiert. Er sagt, aufgrund von Bundesgesetzen habe man keine Möglichkeit, das Vorhaben zu verhindern. Und ausserdem habe vor 50Jahren einmal ein Ölbohrturm in der Nähe gestanden, das habe damals auch niemanden gestört. Er schlug dem RWE Konzern ein entsprechendes Gelände in Engenwerder vor. Übrigens: Von den Gewinnen sehen die Kommunen nichts, die kassiert das Land.


Schwarz-Gelb geht mit den geplanten Gesetzesänderungen zu “Fracking” den “amerikanischen Weg” und der setzt auf Eigenverantwortung der Unternehmen.

“Die von Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Altmaier vorgeschlagenen Gesetzesänderungen weisen zum amerikanischen Weg überraschende Parallelen auf. Die Gasindustrie verspricht, auf giftige Chemikalien beim Fracking zu verzichten und erhält im Gegenzug ein “Schlupfloch”, um die derzeit geltenden Moratorien zu umgehen.” (7/8)

Jörn Krüger fasst es in seinem Beitrag (7) prägnant zusammen:

“Die katastrophalen Verhältnisse in den USA zeigen, dass Versprechen der Industrie nichts wert sind, wenn die Gesetzesgrundlagen für Strafverfolgung fehlen und die kontrollierenden Behörden nicht über ausreichend und entsprechend geschultes Personal verfügen, um Kontrollen überhaupt durchzuführen.”

Ein generelles Verbot von Fracking in Deutschland ist der einzig wirksame Schutz vor den erheblichen Risiken, die diese Gasfördermethode mit sich bringt.

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Die Verbots- bzw. Einschränkungs-Anträge der Oppositionsparteien im Bundestag, der SPD, der Grünen und der Linken zu “Fracking” und die unterirdische Verpressung des “Flowbacks” (wie man das Abwasser nennt), scheiterten am 17.12.2012 kurz vor der Weihnachtspause im Parlament.  Die Grünen forderten unter anderem: “Die Industrie müsse nachweisen, dass sie den Flowback auf eine umweltverträgliche Weise entsorgen beziehungsweise aufbereiten könne.”

Mittlerweile sprechen sich weitere der kleineren Parteien generell gegen Fracking aus, so beziehen neben den Linken (9), auch die Freien Wähler (10) klare Position gegen “Hydraulic Fracking”. Besonders aktiv sind die Piraten (11) in Schleswig Holstein: Letztere haben gerade am 18. April eine “Fracking-Petition” an den Landtag übergeben. Mit dem gerade neu eingeführten “Petitions-System” wurden in kurzer Zeit 2.965 Zeichnungen erzielt. 2.000 wären dafür nötig gewesen, dass der Petitionsausschuss sich mit dem Thema befasst.

“Die Petition richtet sich gegen das so genannte Hydraulic-Fracturing-Verfahren (kurz: Fracking) und hat ein Moratorium zum Ziel, das jede weitere Genehmigung durch das Bergamt mit sofortiger Wirkung unterbinden würde. Zudem wird in der Petition die unverzügliche und zukünftige Offenlegung der Anträge und der Antragsgebiete gefordert. Dies gäbe Sicherheit für Mensch und Umwelt, bis das Bergrecht überarbeitet sei.”


Zu den Problemen mit Fracking in den USA sehen Sie auch den Beitrag von 3Sat am Ende des Artikels.
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Lesen Sie zum Thema Fracking folgende Artikel auf politropolis:
Gier contra Erde: FRACKING – Gifteinsatz für Öl- und Gas-Profite
EU-Studie zu “Fracking”: riskant, gefährlich, mögliche Fördermengen zu klein
• Fracking – wohnt halb Europa bald auf toxischen Chemikalien?
• Fracking Verbotsanträge gescheitert – für Schwarz-Gelb überwiegen ökonomische Chancen

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