Und weil ich mich sowieso schon eher auf allen Vieren als aufrecht durch den Garten bewegte, schnappte ich mir auch gleich die Kamera und fotografierte die Schätzchen - weil ich mal wieder Lust auf einen fotoografischen Streifzug ins Wortreich hatte. Ich war sehr gespannt, ob ich zu den Kräutern passende Zitate aus dem Projekt Gutenberg finden würde. Hier ist das Ergebnis meiner Suche:
Den Anfang macht der Gundermann. Wie zu erwarten, taucht dieser Begriff in der Literatur hauptsächlich als Nachname auf - z.B. bei Emile Zola ("Das Geld") oder bei Theodor Fontane ("Der Stechlin"). Die Brüder Grimm aber haben in der "Deutschen Mythologie - Kapitel 37 - Kräuter und Steine" das Kraut - nach heutigen Maßstäben etwas schwer verständlich - beschrieben:
Hederich ist kein alter name, sondern erst dem lat. hedera nachgebildet, nur daß darunter nicht epheu, vielmehr hedera terrestris gemeint wird, Linnés glechoma hederacea, ein unkraut mit kleinen blauen blumen. seine echte benennung lautet gunderebe,gundelrebe, donnerrebe, gundermann, ahd. gunderreba acer (Graff 2, 354), was nicht ahorn sein kann, auch steht gundereba immer unter den kräutern. sie galt für heilkräftig und gegen zauber schützend, beim ersten austrieb auf die weide werden die kühe durch einenkranz von gundermann gemolken, und wer einen solchen auf dem haupte trägt vermag die hexen zu erkennen...
Gundermann
Überrascht war ich, dass es für den Huflattich immerhin 88 Fundstellen gibt. Da hatte ich nun die Qual der Wahl. Entschieden habe ich mich für die Beschreibung eines Bildes von Paula Modersohn-Becker mit dem Titel "Vordergrundstudie mit Huflattich und Schmetterling", erschienen in "Paula Modersohn-Becker - Kapitel 5" von Gustav Pauli:In ihrer Frühzeit hat Paula eine Reihe von Landschaftsstudien gemalt, doch ohne je in der Landschaft allein ihre Aufgabe zu erblicken. Die meisten dieser Arbeiten sind für das Gesamtbild ihrer Kunst unbeträchtlich; unter den wenigen übrigen möchte ich ein kleines Bildchen aus bremischem Privatbesitz hervorheben (Nr. 247). Es ist kaum eine Landschaft zu nennen – ein Stück Vordergrund: Büschel von gelben Huflattichblumen, die aus bräunlichem Wirrsal von Blättern, Gräsern, Erdreich aufsteigen ; darüber ein feuchter, wolkenverhangener Himmel, unter dem ein dunkler Falter schaukelt. Es ist ein Nichts als Motiv, und doch enthält es die Essenz der Landschaft dieser meerverwandten Niederung. Und eben darin erkennen wir die ewige Aufgabe der Kunst, daß sie uns einen Gefühlswert rein vermittele, während die Symbole, deren sie sich hierfür bedient, mit jedem Geschlechte wechseln, alle gleichgültig und alle wertvoll sein mögen.
Huflattich
Der arme Giersch! Dieses unterschätzte, ja von vielen gehasste, Kraut findet auch in der Literatur keine Freunde. Obwohl es sooo lecker ist. Alle 81 Treffer im Projekt Gutenberg führen in die Irre - die Textsstellen beziehen sich auf Wörter wie PassaGIERSCHiff, GIERSCHrei, die LoGIERSCHe Methode oder alGIERSCHe Seeräuber. Schade eigentlich.Giersch
Dafür kann ich mich beim Veilchen - wie erwartet - vor literarischer Begeisterung nicht retten. Exakt 1000 Fundstellen. Oh Hilfe. Weil ich nun nicht stundenlang Texte über Veilchen lesen wollte, entschied ich mich kurzerhand für den ersten, "Sagen aus Wien - Das Veilchenfest":... Unter den Lustbarkeiten, die damals gebräuchlich waren, stand das sinnige »Veilchenfest« obenan. Der Glückliche, der das ersteVeilchen fand, bedeckte das Blümlein sorgsam mit seinem Hut und rannte spornstreichs zum Herzog, um ihm die Freundenbotschaft zu überbringen, daß sich dieser liebliche Bote des Frühlings ans Tageslicht hervorgewagt habe. Unverzüglich ließ der Herzog nach altem Brauch den festlichen Zug zum Pflücken des ersten Veilchens einberufen und zog, begleitet von Musik in Gesellschaft fröhlicher Herren und Frauen und gefolgt von einer großen Schar neugieriger Städter, zum Fundort, um das Veilchenfest einzuleiten...
Veilchen
Beinahe hätte ich es aufgegeben, einen mir genehmen Text passend zur Schafgarbe zu finden. An Fundstellen mangelt es zwar nicht - immerhin 61 wurden gemeldet. Aber... die meisten kamen von Hildegard von Bingen. Klar. Schafgarbe gilt nicht nur als Wild- sondern auch als Heilkraut. Aber Hildegarrd von Bingen wird so oft zitiert auf dieser Welt - da wollte ich nicht auch noch eines hinzufügen. Also entschied ich mich für die einzige Frau (außer Hildegard) unter den ansonsten rein männlichen Autoren: Elisabeth von Heyking. In ihrem Roman "Ille mihi - Erster Band - Kapitel 15" schreibt sie:Dann gingen sie den kurzen Weg zum Forsthaus durch die gemähten Wiesen. In großen Haufen lag das duftende Heu, um auf den bereitstehenden Erntewagen eingefahren zu werden. All die Zittergräser, Gänseblumen, blauen Glocken und rosa Federnelkchen, der rote Klee, die Schafgarben, Butterblumen und Vergißmeinnicht, von denen noch vor wenig Tagen ein jedes sein aufrechtes, blühendes Sonderdasein geführt hatte, waren hingesunken und unkenntlich geworden in den graugrünen Ballen, die die Mägde auf die Wagen türmten; aber schon begannen unter den lockenden Sonnenstrahlen neue Halme und Knöspchen aus den Wurzeln hervorzutreiben, und auch auf diesem armen Boden blieb die ewige Lebenskraft Siegerin.
Schafgarbe
Und nun zum Abschluss noch ein Blümchen. Wieder eine schöne Zahl: Nach den 1000 Treffern für das Veilchen nun 222 Fundstellen für das Gänseblümchen. Meine Wahl fiel auf Oscar Wilde, weil er das Blümchen so kurz aber treffend beschrieben hat in "Das Bildnis des Dorian Gray - Kapitel 3":Lord Henry lächelte und bückte sich dann, um ein rosa angehauchtes Gänseblümchen aus dem Grase zu pflücken, das er betrachtete. »Ich werde dich ganz gewiß verstehen,« erwiderte er, die Blicke aufmerksam auf die kleine, goldene, weißgefiederte Blütenscheibe gerichtet, »und was das Glauben angeht, so kann ich alles glauben, vorausgesetzt, daß es unwahrscheinlich genug ist.«
Bisher erschienen in der Serie "Fotografische Streifzüge ins Wortreich"
- Schneeschmelze
- Schneeglöckchen
- Wintersonne
- Eisblumen