Was für ein grandioses Wetter heute: Strahlender Sonnenschein, leuchtendblauer Himmel und eine schneebedeckte Landschaft, die langsam aber sicher ihr weißes Fell verliert. Die ersten zwei Drittel meiner heutigen Wanderung waren ein Fest für meine Ohren! Sonst nehme ich das Drumherum ja eher mit meinen Augen bzw. meiner Kamera auf. Aber heute war alles anders. Zunächst habe ich überhaupt nicht fotografiert - erstens weil ich schon ziemlich viele Winterbilder in diesem Jahr gemacht habe und zweitens (ich bin ja eher so 'n Makrotyp) kam ich an die interessanten Stellen gar nicht heran, weil der Schnee noch viel zu tief war.
So, und nun gibts zu meinen Schmelz-Fotos wieder ein paar Kleinigkeiten aus dem Projekt Gutenberg. Als erstes habe ich bei meiner Suche nach dem Stichwort "Schneeschmelze" gelernt, wie das Siebengebirge entstanden ist. Wusste ich nicht. Aber in den "Sagen aus dem Rheinland - Die Entstehung des Siebengebirges" wirds genau erklärt:
In uralter Zeit lag oberhalb Königswinter ein großer See, der zur Zeit der Schneeschmelze oft Schaden anrichtete. Die Uferbewohner aus der Eifel und vom Westerwald faßten daher den Plan, ihn abzuleiten. Da dies Werk aber Menschenkraft überstieg, wandten sie sich an die Riesen, denen sie hohen Lohn versprachen. Sieben von ihnen kamen. Sie trugen gewaltige Schaufeln auf den Schultern und machten sich alsbald an die Arbeit. Nach ein paar Tagen hatten sie schon eine tiefe Scharte in das Gebirge gegraben. In die Vertiefung drang das Wasser und vollendete das Werk der Riesen. Der See floß ab. Wo früher seine Fluten gespült hatten, lag nun fruchtbares Land. Die dankbaren Uferbewohner schleppten den Lohn für die Riesen herbei. Diese teilten ihn brüderlich, und jeder von ihnen schob seinen Anteil in seinen Reisesack. Ehe sie Abschied nahmen, klopften sie noch Erdreich und Gestein, die an den Spaten hafteten, ab. Dadurch entstanden sieben Berge, die man noch heute am rechten Rheinufer sehen kann.Und als nächstes sprang mir ein wohlbekannter Name ins Auge: Selma Lagerlöf. Ach, wie sehr habe ich als Kind "Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen" geliebt. Auch heute noch muss ich immer an Nils Holgersson denken, wenn ich Gänse fliegen sehe. In Kapitel 9, "Am Rönneberger Bach" gibt es ein schönes Stimmungsbild zur Schneeschmelze vonSelma Ottilia Lovisa Lagerlöf:
... Aber jetzt, als die wilden Gänse und Reineke an den Bach kamen, war es noch früh im Lenz, es war naßkalt und windig, alle Bäume standen kahl und niemand achtete darauf, ob das Bachufer häßlich war oder schön. Die wilden Gänse priesen sich glücklich, daß sie unter so einer steilen Felswand einen schmalen Streifen Sand entdeckt hatten, gerade so groß, daß sie Platz darauf fanden. Vor ihnen der brausende Bach, der jetzt in der Schneeschmelze breit und reißend war, hinter ihnen die unerklimmbare Felswand, und sie selber von herabhängendem Gras verborgen. Sie konnten es nicht besser haben.Die Autorin des nächsten Textschnipsels ist mir inzwischen nicht mehr so unbekannt - ich hatte sie bereits für meine "Fotografischen Streifzüge" zum Thema "Wintersonne" entdeckt: Rahel Sanzara. Aber sie darf gern ein zweites Mal gewürdigt werden, denn niemand sonst hat das Werk der Sonne so schön beschrieben wie sie in Kapitel 1 ihres Romas "Das verlorene Kind":
Die Gänse schliefen sofort ein, aber der Junge schloß kein Auge. Sobald die Sonne verschwunden war, ergriff ihn die Angst vor der Dunkelheit und Einsamkeit, und er sehnte sich zu den Menschen zurück ...
... Der Hochzeitstag war ein Sonntag, es war Schneeschmelze. Mit hartem, hellem Licht schien gierig die junge Sonne des Jahres, der Frühlingswind stürmte und jagte die dünnen, lichtdurchtränkten Wolken am seidig blauen Himmel, die schwarze Erde, durchrieselt von warm zerfließendem Eis und Schnee, knisterte im Sprossen ihrer tief verborgenen Keime. Der Abend kam früh, das Fest war kurz ...Zum Schluss ein Auszug aus den Abenteuern des Polarforschers, Friedensnobelpreisträgers und Staatsmanns Fritjof Nansen. Er beschreibt die eher unschöne Seite der Schneeschmelze in "Durch Nacht und Eis - Band 3 - Kapitel 19" (ein dazu passendes unschönes Foto kann ich allerdings nicht liefern):
... Alles, was wir im Laufe des Jahres fortgeworfen haben, tritt jetzt bei der Schneeschmelze wieder zu Tage. Die Hundehütten, die wir auf dem Eise aufgebaut haben und die aus zwei langen niedrigen Bretterkisten mit abgetheilten Räumen für die bissigsten Thiere bestehen, machen von Tag zu Tag einen schmutzigern, baufälligern Eindruck, und hier und da bahnt sich ein munterer, kleinere und größere Pfützen bildender Bach unter ihnen hindurch seinen Weg. Am Horizont sieht es jetzt nicht mehr Weiß in Weiß aus; schwärzliches Eis und Wasserflächen bringen Abwechselung in das nichtsdestoweniger trübe Bild. Der jetzt wieder auf dem Eise liegende Schnee sieht ganz wie Streuzucker aus ...
Bisher erschienen in der Serie "Fotografische Streifzüge ins Wortreich"
- Schneeglöckchen
- Wintersonne
- Eisblumen