Ich fotografiere aus Leidenschaft. Ich fotografiere auch beruflich. Doch da mein Beruf nicht darin besteht Aufnahmen für Aufträge anzufertigen, sondern Inhalte für Foto-Workshops und Fotobücher vorzubereiten, kann ich fotografieren was und wie ich will. Ich liebe diese Autonomie!
Ergonomie der Geräte | Die Ergonomie meiner Arbeitsgeräte ist mir wichtig. Ich war einst Mountainbiker. Als solcher habe ich immer die harten Kerle bewundert die mit schweren, ganglosen Waffenrädern Pässe erklommen haben. Der Anspruch den ein solches Gerät an Kraft und Ausdauer stellt ist ungleich höher, als bei einem gewichtsgetuneten 21-Gang-Bike. Trotz der Bewunderung beneidete ich die Kollegen nicht um ihre klassischen Drahtesel, sondern zog mein Einigermaßen-Hight-End-Bike vor. Es macht das Leben im wahrsten Sinne leichter. Wer will kann das jetzt ruhig als weiteren Kommentar zur Nikon Df verstehen (wie gesagt: das ist nichts gegen Waffenräder und Holländer, nur wären die nichts für mich).
Trotz aller Begeisterung für ergonomische Geräte ist Ergonomie nicht das Einzige was zählt, zumal ich eben nicht direkt auftragsbezogen arbeite und der Leitsatz, dass Zeit Geld ist für mich diesbezüglich nur bedingt gilt. Ich kann es mir leisten in Ruhe zu fotografieren. Vielleicht sollte ich ehrlicherweise schreiben »ich könnte es mir leisten«, denn oft bin ich in mir zu wenig ruhig und rund und zu hektisch um da in einen sanften Flow zu kommen. Zwar gehe ich wenn ich fotografiere schon dermaßen in der Tätigkeit auf, dass man das als Flow bezeichnen kann, doch ist mein Flow kein ruhiger Fluss sondern eher ein schnell fließender Strom. That’s me.
Fotografie konzentriert den Blick | Fotografie ist eine sinnliche Tätigkeit. Natürlich eine Tätigkeit des Sehsinns. Bin ich fotografisch unterwegs konzentriert sich mein ganzes Bewusstsein auf das was ich sehe und wie ich das mit den Möglichkeiten meiner Kamera optimal einfangen kann. Vielleicht konzentriert sich mein Bewusstesin oft ein bisschen zu sehr auf Letzteres, denn Verschlusszeit, Blendeneinstellung, Fokussierung, Empfindlichkeit – das alles will überlegt, bedacht und eingestellt werden. Wenn da einer davon spricht, dass er sich eine Kamera wünscht, die diesen Prozess einfacher macht, dann frage ich mich wie das gehen soll. Natürlich kann man all diese Parameter der Kamera überlassen. Doch wo bleibt da dann der kreative Prozess? Will ich wirklich die Hälfte der Regie einer Elektronik überlassen und mich selbst rein auf Anweisungen an Modelle und Wahl des Bildausschnitts beschränken? Will ich wirklich eine Elektronik als Co-Regisseur an meiner Seite, der mir wichtige Entscheidungen abnimmt? Wer von einer Kamera »back to the roots« und mehr Einfachheit verlangt sollte überlegen, wie so eine Vereinfachung einer an sich recht komplexen Materie überhaupt gehen soll. Ich bin skeptisch, wenn jemand verspricht komplexe Dinge watscheneinfach lösen zu können. Genau genommen hat weglassen der Einstellung und delegieren an die Kamera ja auch überhaupt nichts mehr mit Back to the roots zu tun.
Fotografieren ist ein Akt des Sehens. Mit der Kamera unterwegs zu sein hilft mir, mich mehr mit dem zu befassen, was mich umgibt, und nicht zu sehr von gedanklichen Spaziergänge über Dieses und Jenes vom Hier und Jetzt ablenken zu lassen. Manch einer mag belächeln, wenn ich an einem neuen Ort aus dem Auto oder dem Bus steige mich umsehe und sofort meine Kamera zücke, wie der Klassiker unter den japanischen Touristen. Fragt mich jemand wie denn mein gerade beendeter Urlaub war sage ich selbst oft scherzhaft »Ich muss erst die Fotos sichten. Dann kann ich es dir sagen.«
Tatsächlich aber komme ich mit der Kamera in der Hand erst richtig mit Augen und Gedanken in einem Urlaubsort an. Ohne Kamera kehrt mein Kopf immer wieder nachhause zurück und beschäftigt sich mit Dingen die vor einem Urlaub wichtig waren oder danach wichtig sind nach. Und natürlich auch viel zu viel zu Dingen die eigentlich unwichtig sind. Das gilt auch für den Wochenendausflug, die Wanderung oder eine kurze Fotosession oder -safari. Urlaub und Ausflüge sollten nicht Fotografie alleine sein. Aber für mich ist es eine Bereicherung wenn sie dabei ist.
Haptik | Fotografieren ist ein Akt des Sehens. Aber nicht nur! Haptik und Akustik sind für mich von leidenschaftlicher Fotografie nicht zu trennen. Riechen und Schmecken bleiben beim Fotografieren außen vor. Ich rieche nicht an meinen Motiven (und habe auch schon in Gegenden fotografiert an denen ich froh war, dass der Geruch nicht mit aufgezeichnet wird) und lecke auch nicht daran – ebenso wenig rieche oder lecke ich an meiner Kamera (muss aber gestehen, dass ich froh bin, dass Kameras und Objektive nicht riechen).
Als visuell sensibler Mensch ist mir nicht nur das Aussehen meiner Motive wichtig, sondern auch die Optik – das Design – meiner Geräte. Ein Gerät kann noch so tolle Funktionen und Leistungsdaten haben, wenn es hässlich ist mag ich es nicht. Das gilt für Autos, für Handys, für Kameras und Objektive und für Software. Ich mag auch nicht mit hässlicher Software arbeiten, ganz gleich wie gut sie ist. Hässlichkeit stört mein sinnliches Empfinden.
Ich kann nur mit einer Kamera arbeiten, die gut designt ist, deren Anblick ich freut. OK. Das ist bei den gängigen DSLR-Kameras ein bisschen schwierig. Die Geräte sind dermaßen auf Funktion und Ergonomie getrimmt, dass man so ein Gehäuse jetzt nicht wirklich nach rein ästhetischen Gesichtspunkten als formvollendet betrachten kann. Aber dennoch gibt es Geräte die den Spagat zwischen Funktion und Ästhetik besser meistern und andere, die einen eher verunglückten Eindruck vermitteln. Gutes Design bedeutet genau diesen goldenen Punkt des Kompromisses zwischen Form und Funktion zu finden.
Produktdesign ist eine große Herausforderung für den Designer. Grafikdesign – und auch Fotografie – sind diesbezüglich simpel gestrickt. Denn jeder Betrachter wird das Design oder die Fotografie zu jeder Zeit gleich sehen, sehen wir einmal von den Auswirkungen des Umgebungslichts ab. Jeder Betrachter sieht das Design oder das Motiv aus dem Blickwinkel aus dem es der Designer oder Fotograf erstellt hat. Das ist bei Produktdesign anders. Da gibt es nicht nur ein vorne. Da gibt es auch ein oben, unten, links, rechts, hingen und alles in allen möglichen Winkeln von Diagonal. Gutes Produktdesign besticht aus jedem Blickwinkel. Nicht nur von vorne oder von oben (wer das jetzt als Seitenhieb auf die Df verstehen will darf das ruhig tun). Für gutes Design muss zwar jedes Detail gelungen sein, doch das Designobjekt an sich ist nur dann gelungen, wenn alle Teile ein harmonisches Ganzes bilden. Dann ist das Ganze mehr als die Summe der Teile.
Geschmack ist Subjektiv | Nun kann man natürlich einwenden, Gutes Design sei am Ende doch immer Geschmacksache. Ja und nein. Was dir, lieber Leser, gefällt, ist allein deine Sache. Lass dir da von niemandem rein reden. Es darf dir genauso wenig jemand vorschreiben was dir an Design zu gefallen hat, wie was dich an Fotos begeistern darf. Geschmack ist rein subjektiv und eine Privatsache. Doch es gibt auch objektive Kriterien über die sich Design beurteilen lassen. Jeder Fotograf weiß, dass es gute Fotografien gibt und lausige. Auch wenn es legitim ist, dass das lausige Bild irgendjemandem aus irgendeinem Grund etwas sagt oder bedeutet, ist nicht jedes Foto ein potenzielles Ausstellungsexponat. Weshalb sollte das mit Design anders sein?
Gutes Design ist Objektiv | Was subjektiv gefällt, muss jeder für sich entscheiden. Doch man muss auch erkennen, dass nicht alles, was einem persönlich subjektiv gefällt, objektiv gut ist.
Look and Feel | Eine Kamera muss allerdings nicht nur gut aussehen. Sie muss sich auch gut anfühlen. Fotografiert wird mit der Kamera in der Hand. Das kann ich nur mit Leidenschaft, wenn die Materialen der Ausrüstung sich gut anfühlen.
Ich hatte bisher keine Kamera in der Hand die sich für mich so gut anfühlte, wie die OM-D E-M5. Mag man über ihr Design sagen was man will – ich mag ihre Optik, ich finde sie schöner als alle DSLRs die ich kenne, doch ich will sie nicht mit der ästhetischen Qualität einer Leica M vergleichen –, die Haptik ist einzigartig.
Die erste Überraschung, als ich die E-M5 zum ersten Mal live sah, war, wie klein sie ist – sie sieht auf Fotos viel größer aus. Die zweite Überraschung, wie schwer sie trotz ihres kleinen Gehäuses ist. Und das ist es, was ich an ihr liebe. Sie fühlt sich an, wie ein solider Block aus Metall – als wäre darin alles massiv. Im Vergleich zu ihr vermitteln mir viele manche Bodys den Eindruck als müsste man eine lose Schraube im inneren herumpurzeln hören wenn man ihn schüttelt.
Authentisches Material | Alles an der E-M5 wirkt authentisch. Ich mag keine verlogenen Materialien. Plastik, dass so tut als wäre es Holz. Plastik, das tut, als wäre es Chrom (bei den Olympus-Objektiven gibt es das leider – man muss damit leben), Plastik, das tut, als wäre es Leder. Die Griffbezüge der E-M5 imitieren kein Leder sondern haben eine geometrische Struktur. Ich liebe die Haptik dieser Kamera.
Lausige Objektive | Was ich weniger liebe ist die Haptik mancher Micro-FourThirds-Objektive. Das 12–50mm ƒ3.5–6.3 ist so eines. Man kann ihm vielleicht zu Gute halten, dass das Plastik daran ehrlich nach Plastik aussieht, aber leider nach billigem Plastik. An einer haptisch so gut gelungenen Kamera wie der OM-D ist das ein Witz. Die MFT-Gilde sollte wirklich darauf achten, keine so lausig anmutenden Linsen zu produzieren. Noch schlimmer war das 12–42mm-Standardobjektiv, das zu meiner Lumix G3 mitgeliefert wurde. Ich nannte es »das Mikey-Mouse-Objektiv«. Es fühlte sich an, wie etwas, das man als Gimmik bei einem Yps-Heft mitbekommen hat. Und es klang auch so. Wenn man am Zoom drehte hörte man schabendes Plastik. Das geht einfach nicht für ein System, das man ernst nehmen soll! Bei Nikon habe ich vergleichbar lausiges nicht bei der billigsten Linse jemals gesehen. Das soll nichts über die Abbildungsleistung dieser Optiken aussagen – die mag ja gut sein. Aber ein Objektiv muss sich einfach auch gut anfühlen.
Akustik | Womit wir beim dritten Sinn wären. Auch die Ohren sind beteiligt wenn ich fotografiere. Eine Kamera muss nicht nur gut aussehen und sich gut anfühlen, sie darf auch nicht grauslich klingen. Sie kann leise sein, aber was sie von sich gibt, muss gut klingen. Ein künstlich generiertes Shutter-Geräusch finde ich abstoßend. Knarzendes Plastik ebenso.
Als Designer ist mir Funktion ebenso wichtig wie Design. Doch Funktion alleine ist es nicht. Design ist ebenso wichtig wie Funktion. Zu Design gehört neben dem Look, auch die Haptik und die Akustik. Fotografieren macht mir nur mit Geräten Spaß, die Funktion und Design optimal verbinden. Am Ende fotografiere ich lieber mit einer Ausrüstung, die beim Pixelzählen vielleicht nicht den goldenen Blumentopf gewinnt, die jedoch sowohl meine Augen, als auch meine Hände, als auch meine Ohren erfreuen kann.