Forschen für die Schublade

Forschung ist gut, Forschung ist wichtig! Deshalb werden immer wieder sinnreiche Studien in Auftrag gegeben – dafür scheint eine Menge Geld vorhanden zu sein. Aber was tun, wenn die Forscher zu einem anderen Ergebnis kommen, als die Auftraggeber erhofft haben?

Dann spielt Geld erst recht keine Rolle und die Ergebnisse verschwinden in der Schublade. Dumm nur, dass Schubladen nicht immer ganz dicht ist. Und so sickern die unliebsamen Ergebnisse in die eine oder andere nicht in Auftrag gegebene Meldung ein – es gibt durchaus noch Journalisten, Wissenschaftler und natürlich auch viele Blogger, die ihren Beruf bzw. ihre Berufung ernst nehmen. Denn es verdient ja nicht jeder seinen Lebensunterhalt damit.

Vor wenigen Tagen fand ich in der Technology Review wieder einen Artikel zum Reizthema “Bio”-Sprit. Denn Biosprit hat, bei ehrlicher Rechnung, eine schlechtere Klimabilanz als das notorische Erdöl. Dabei berief sich der Autor auf bisher unveröffentlichte Studienergebnisse, die einer Nachrichtenagentur aus dem Umfeld der EU Kommission zugespielt wurden. Ich erinnerte mich, vor einigen Monaten schon einmal einen Artikel zu diesem Thema geschrieben zu haben.

Kraftstoff aus Energiepflanzen ist nämlich alles andere als “bio”. Der Anbau verbraucht Land – das beispielsweise dafür gewonnen wird, in dem man Regenwald rodet – verheerend für die Klimabilanz. Aber auch hierzulande sind die Folgen schon zu spüren, etwa in der strukturschwachen Uckermark, wo nun verstärkt Mais für die Gasgewinnung angebaut wird.

Schon in meinem älteren Artikel ging es um Ergebnisse eben jener nicht veröffentliche EU-Studie, die offenbar noch immer “geheim” gehalten wird, weil die Ergebnisse dem angeblich angestrebten Ziel der ganzen Agrosprit-Industrie – nämlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit – Hohn sprechen. Aber diese Industrie hat offenbar eine wirksame Lobby in Brüssel, also bleiben die Ergebnisse in der Schublade. Dabei ist es ja nicht so, dass es gar keine vernünftigen Gründe gäbe, hierzulande auch auf Agro-Kraftstoffe zu setzen – etwa größere Unabhängigkeit von Erdölimporten oder die Unterstützung der heimischen Landwirtschaft. Nur mit Umwelt- und Klimaschutz hat das wirklich nicht zu tun. Deshalb möchte ich den Lobbyisten zurufen: Liebe EU-Kommission, jeder kann sich mal irren! Das mit dem Klimaschutz ist beim Agro-Sprit wissenschaftlich erwiesenermaßen Unsinn. Aber irgendwann ist das Erdöl tatsächlich alle, also lasst uns über andere Lösungen nachdenken. Und wenn man einen kleinen Anteil der Flächen für Agrokraftstoffe nutzen will, okay – aber bitte umweltverträglich. Legt doch mal die Zahlen auf den Tisch!

Eine große Schubladen-Künstlerin ist auch meine Lieblingsministerin Kristina Schröder. In den vergangenen Tagen brachten so ziemlich alle überregionalen Zeitungen einen großen Artikel, in dem der Familien(verhinderungs)-Ministerin vorgeworfen wurde, entscheidende Ergebnisse aus einer groß angelegten und schon vor Jahren gestarteten Überprüfung der Wirksamkeit familienpolitischer Leistungen unter dem Tisch zu halten.

Noch zur Zeit der großen Koalition ließ die damalige Familienministerien Ursula von der Leyen eine Bestandsaufnahme eben dieser Leistungen erstellen, weil unter anderem die OECD diagnostizierte, dass Deutschland zwar vergleichsweise viel Geld für Familien ausgibt, was aber seltsamerweise nicht viel zu nützen scheint – in Deutschland bekommen die Menschen weniger Kinder als in vielen anderen Ländern und um die vorhandenen Kinder kümmert man sich eher schlecht – es gibt hierzulande beschämend viele arme und benachteiligte Kinder. Wenn die Eltern kein Geld haben, sieht es für den Nachwuchs gerade in Deutschland ziemlich schlecht aus. Deshalb beauftragte von der Leyen eine “umfassende und sorgfältige Analyse der Leistungen”, damit man diese anschließend wirksam neu ausrichten könne.

Das war vor sechs Jahren. Inzwischen gibt es natürlich reichlich Ergebnisse, aber die gefallen der amtierenden Familienmutter nicht. Allein in der laufenden Legislaturperiode gibt ihr Ministerium 30 Millionen Euro (laut SPD, laut Familienministerium sind es “nur” 13 Millionen) für diese Studie aus und heraus kommt – nichts.

Die Opposition vermutet nicht zu unrecht, dass etwa die Erkenntnis, dass das teure Ehegattensplitting dazu beiträgt, dass Frauen später kaum Rente bekommen, eine der missliebigen Erkenntnisse ist, die CDU-Frau Schröder nicht verkraftet. Ähnliches gilt für die Betreuungsgeld genannte Herdprämie, die Schröder Eltern zahlen will, die ihr Kind nicht in die Kita bringen, sondern zuhause vor den Fernseher setzen. Zwar kann keine Frau von den 100 oder 150 Euro im Monat leben oder gar ein Kind ernähren, aber vielleicht wird sich die eine oder andere Frau, die ohnehin keinen Job findet, dieses Taschengeld mitnehmen. Denn das mit dem Rechtsanspruch auf den Kitaplatz ab dem kommenden Jahr wird ohnehin ein Desaster – es fehlen nicht nur die Kitaplätze an sich, sondern auch etwa 20.000 Erzieherinnen und Tagesmütter (oder Väter), die die Kinderbetreuung übernehmen könnten.

So geht die Erwerbsförderung von Frauen in Deutschland: Alles dafür tun, dass Frauen mit Kindern nicht arbeiten gehen können, aber gleichzeitig verlangen, dass Frauen sich ihre Rente gefälligst selbst zusammenschuften. Das ist Frauenquote à la Schröder: Frauen, kümmert euch gefälligst selbst um eure Plagen – oder werdet wie ich Ministerin. Dann könnt ihr das Kindermädchen wenigstens selbst bezahlen. Immerhin kann man diese Kosten zumindest teilweise bei der Steuer geltend machen. Was einer aber nichts nützt, wenn sie nicht das Privileg hat, Steuern zahlen zu dürfen. Kristina Schröder rufe ich zu: Tritt endlich ab! Nimm deine Herdprämie und geh nach Hause! Meinetwegen kann auch ein Mann das Gedöns-Ministerium übernehmen, Hauptsache, es wird endlich mal aufgeräumt. Wenn die Leistungen ohnehin nicht bei denen ankommen, die sie am dringendsten brauchen, dann kann man sie auch abschaffen. Förderung für Besserverdiener haben wir an anderen Stellen echt mehr als genug.

Wo wir gerade beim Thema Frauen sind – es gibt zwar keine offizielle Studie zum Thema Gewalt gegen Frauen in Afghanistan, aber laut Human Rights Watch sitzen in Afghanistan derzeit mehrere hundert Frauen wegen so genannter Sittenverbrechen im Gefängnis. Viele dieser Frauen sind vor ihren gewalttätigen Ehemännern oder einer Zwangsheirat geflohen. Es kann aber auch passieren, dass Frauen, die vergewaltigt wurden, wegen außerehelichen Geschlechtsverkehr bestraft werden.

Da kann man schon mal fragen, was eigentlich die mittlerweile gut zehn Jahre andauernde Besatzung nach dem Sturz der Taliban gebracht hat – die Stärkung der Frauenrechte war ja mal eins der Argumente dafür. An dieser Front ist offenbar nichts passiert – die Lage der Frauen ist in Afghanistan nach wie vor keine beneidenswerte. Aber um die ist es ja tatsächlich nie gegangen. Also, geht nach Hause, liebe Afghanistan-Besatzer, erspart euch eure konkreten und posttraumatischen Belastungsstörungen und uns jede Menge Aufwendungen für diesen zweifelhaften Einsatz. Demokratie und Marktwirtschaft werden die Afghaninnen auch nicht retten. Vielleicht könnten wir statt der Bundeswehr Alice Schwarzer schicken. Ist garantiert effektiver.



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