Foodsharing: Man kann die Welt nicht verbessern ohne zu verstehen, warum sie schlecht ist

Von Modesty

Vor ein paar Tagen bin ich über einen Artikel gestolpert, in dem einmal mehr der hilflose Versuch unternommen wurde, die Welt zu verbessern, ohne überhaupt verstehen zu wollen, warum sie so schlecht ist.

Es ging um Foodsharing. Die vermeintlich gute Idee am kollaborativen Konsum (toller Begriff, aber der machts auch nicht besser) ist, dass man nicht immer alles selbst kaufen muss, sondern einfach auf das zugreifen kann, was andere schon gekauft haben, aber selbst nicht brauchen. Wobei ich die Idee, sich Sachen zu teilen, im Prinzip total gut finde. Auf diese Weise muss nicht jeder ein Auto kaufen oder ein Haus bauen. Aber das zugrundlegende Geschäftsmodell dieser Gesellschaft ist eben nicht, dass man teilt, sondern, dass man konsumiert. Und zwar möglichst viel. Intelligenter Konsum und eine ressourcenschonende Produktion wären zwar wünschenswert, sind aber mit dem Zweck und Ziel der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht vereinbar. Solange der einzige Zweck jeglicher Produktion ist, damit ein Geschäftsmodell zu bedienen, mit dem Geld verdient werden kann, nützen alle gut gemeinten Projekte nichts, die Leute dazu bringen sollen, weniger oder gar bewusster zu konsumieren. Die führen nur dazu, dass irgendwo anders halt mehr verdient werden muss, um die Wirtschaftsmaschine am Laufen zu halten. Und da hört irgendwann jedes Bewusstsein auf.

Foodsharing: Neulich entdeckte ich etwas unethisches in meinem Kühlschrank…

Aber bei Nahrungsmitteln sind die Leute ja besonders sensibel. Da stellt sich auch schon mal eine Verbraucherministerin hin und findet es öffentlich total schlimm, das so viel Essen weggeworfen wird. Wo doch die armen Negerkinder in Afrika und die neuerdings auch wieder die armen Arbeitslosenkinder in der Vorstadtsiedlung hungern müssen. Dabei gibt es in Deutschland doch schon seit Jahren das institutionalisierte Foodsharing über die Tafeln: Freiwillige Helfer und Ein-Euro-Jobber holen bei den Lebensmittelhändlern übrig gebliebene Lebensmittel ab und geben diese zu günstigen Preisen an nachweislich Bedürftige ab – ohne diese Zweitverwertung würden skandalöserweise tatsächlich etliche Menschen in Deutschland hungern.

Nun gibt es aber auch Privatleute, die Lebensmittel übrig haben. Und weil nicht jeder ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn pflegt, so dass er seine übrig gebliebenen Bio-Bananen einfach nebenan abgeben kann, gibt es nun auch eine Internetseite samt dazugehöriger Smartphone-App, über die man seine überschüssigen Lebensmittel mit anderen teilen oder sich gar zum gemeinsamen Kochen oder Essen verabreden kann. Natürlich kann man auch einfach schnöde Geld spenden, damit die Verschwendung von Lebensmitteln bekämpft werden kann – wobei mir ehrlich gesagt, nicht ganz klar ist, wie das gehen soll. Wird das Geld am Ende an Lebensmittelhersteller verteilt, damit sie weniger produzieren? Das macht die EU mit ihren Stilllegungsprämien für Landwirte doch schon seit ewigen Zeiten so.

Die Macher der Seite erklären ihr Anliegen wie folgt:

“Die Grundidee ist: Menschen teilen Essen. Es soll dabei kein Geld fließen, denn teilen hat auch eine ethische Dimension. Wir wollen den Lebensmitteln damit wieder einen ideellen Wert geben, denn sie sind mehr als bloß eine Ware – das ist die Idee hinter www.foodsharing.de.”

Hallo liebe Leute, geht’s noch? Warum wollt ihr ausgerechnet den Produzenten von Lebensmitteln ihr Geschäftsmodell madig machen? In einer Welt, in der alles und jedes ausschließlich deshalb produziert wird, um damit Geld zu verdienen, könnt ihr den Leuten doch nicht damit kommen, dass es unethisch ist, mit bestimmten Waren Geld verdienen zu wollen.

Wie wäre es denn beispielsweise …mit Weapon-Sharing? Das Produzieren von Waffen ist ja wohl noch viel unethischer als die ganze Lebensmittelindustrie. Dann wäre es ja wohl nur konsequent, wenn die Bundeswehr ihre hochmodernen Panzer, Kampfjets oder Raketenabwehrsysteme mit bedürftigeren Armeen teilen würde, damit auch die armen Länder endlich mal eine Chance haben, sich gegen imperialistische Übergriffe zu wehren. Außerdem muss dann nicht mehr so viel von dem Zeug produziert und wieder verschrottet werden – das würde die Umwelt und Staatshaushalte erheblich schonen.

Wer weiß, vielleicht hat mein Nachbar eine hübsche G36 unterm Bett, die ich gelegentlich auch einmal brauchen könnte? Etwa um Foodsharern mal ganz konkret klar zu machen, wie das mit dem ideellen Wert von Dingen ist, die logische Weiterentwicklungen des alldurchdringenden Warenfetischs sind?!

Ganz ehrlich: Der ideelle Wert von Dingen ist mir völlig schnuppe! Ich esse doch kein Brot, weil mir der ideelle Wert dieses Nahrungsmittels total einleuchtet, sondern weil ich Hunger habe und es mir schmeckt. Und wenn mal eine Scheibe übrig bleibt, bekomme ich auch keine grauen Haare davon. Dann teile ich es, wenn gerade kein Mensch zur Hand ist, auch gern mit den vielen tierischen Mitbewohnern hier in der Stadt – den Spatzen, den Krähen oder den Ratten.

Mir würde es schon reichen, wenn man sich endlich wieder auf den Gebrauchswert des ganzen Krempels konzentrieren könnte. Dann würde nämlich nur noch produziert, was wirklich gebraucht wird und die globale Verschwendungsorgie wäre endlich vorbei. Aber dazu müsste man schon mal über die nächste App hinaus denken.