Fonja

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Fonja

6Doku

Sie haben gestohlen, vergewaltigt und getötet. Sie sind junge Erwachsene aus Madagaskar ohne Perspektive für die Zukunft. Sie schalten die Kamera ein und beginnen zu erzählen, über das Gefängnis und über ihre Geschichte.

Fonja ist ein Dokumentarfilm, der ein Jugendgefängnis auf Madagaskar beobachtet. Die dort verurteilten Jugendlichen haben in einem mehrmonatigem Filmworkshop gelernt eine Kamera zu bedienen, Licht, Ton und filmische Effekte einzusetzen. Jetzt starten die jungen Kriminellen ihr eigenes Filmprojekt und richten die Kamera auf das interessanteste Thema, zu welchem sie Zugang besitzen: Sie selbst.

Fonja

Man sieht einen jungen Mann verunsichert eine kleine Spiegelreflexkamera zu bedienen, es scheint als wüsste er nicht ganz welchen Knopf er jetzt drücken sollte. Neben ihm sitzt ein weiterer Jugendlicher, der ein kleines Filmlicht auf und ab schwenkt. Vor der Kamera sitzt „Frankenstein“, ein Häftling, wie die frischen Filmemacher. Dies ist eine Szene, welche eines der Herzstücke von Fonja ist. Interviews mit verurteilten Jugendlichen sind zentral in der Doku von Lina Zacher, einer deutschen Regisseurin. Diese Interviewsequenzen sind diametral zum restlichen Film, denn sie sind sehr ruhig und fokussiert auf ihre Subjekte und deren Geschichten. Durch die im Hintergrund gestellten Fragen der inhaftierten Filmemacher, erhalten diese Szenen fast schon journalistisches Flair. Neben diesen Interviews, welche versuchen zu ergründen wer und wieso im Gefängnis sitzt, versuchen die dargestellten Filmemacher den Gefängnisalltag filmisch einzufangen. Dabei werden sie vom Doku-Team von Lina Zacher ständig verfolgt. Eine Dokumentation über eine Dokumentation. Eine sehr interessante Meta-Ebene.

Diese Meta-Ebene ist das reflexive Gegenstück zum dilettantischen Filmemachen der Insassen. Es thematisiert das Medium selbst mit all seinen Konstruktions- und Produktionsweisen. Zeigt dessen Probleme und Möglichkeiten auf und das auf beiden Ebenen. Die Trennung zwischen Zachers Doku und der Doku der jungen Häftlinge vermischt sich jedoch ständig und man verliert oft den Überblick in welcher Dokumentation man sich gerade befindet. Fonja wechselt nämlich ständig die Perspektive, bzw. die Kamera, durch die man schaut. Es entsteht ein experimenteller Mix aus unkonventionellen Bildkompositionen, überbelichteten Einstellungen, ungewöhnlicher Montage, Geschwindigkeiten und chaotischen Audioüberblendungen. Das Medium Film wird hier im Subtext zum Gegenstand der Dokumentation, wie es funktioniert und wie weit die Grenze von Sehgewohnheiten reicht. Aus dem Off strömt ständig ein Stimmenwirrwarr auf die Rezipientin, den Rezipienten ein, sodass eine chaotische Stimmung entsteht, die den ungeordneten Gefängnisalltag wiederspiegelt.

Atmosphärisch ist Fonja stark. Die alltäglichen Bräuche und Abläufe im Gefängnis werden nachvollziehbar eingefangen, nur um Ruhe und Konzentration in den Interviews zu finden. Dadurch wird auch der Fokus verschoben: Vom filmischen Objekt hin zum menschlichen Subjekt. Die zweite Kamera, die von Zacher, wird hierbei direkt angesprochen. Entweder verbal von den Jugendlichen oder durch hastige verunsicherte Blicke der Gefilmten direkt in die Linse. Somit ist nicht zu übersehen was inhaltlich, sowie formal zentral für Fonja ist, das Medium Film, mit seinen Produktionsweisen, Effekten und Inhalten. Film im Film, man kennts. Jedoch liefert Fonja einen interessant reflexiven Blick auf der Metaebene auf das audiovisuelle Medium.

Regie: Lina Zacher, Filmlänge: 80 Minuten, gezeigt auf dem This Human World 2019


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