Folternder Statthalter: scharfe Kritik an einem Kooperationspartner der Berliner Außenpolitik

Erstellt am 15. Oktober 2011 von Lupocattivo

ADDIS ABEBA/BERLIN – Quelle: german-foreign-policy.com

Menschenrechtsorganisationen üben zum wiederholten Male scharfe Kritik an einem engen Kooperationspartner der Berliner Außenpolitik. Demnach nutzt das äthiopische Regime, das Berlin gemeinsam mit den USA zur „Ordnungsmacht“ am Horn von Afrika aufbaut, nicht nur wegen der Hungersnot gelieferte Nahrungsmittel, um damit die Opposition im Land zu disziplinieren.

In den letzten Monaten nehme außerdem die Repression bis hin zu Folter dramatisch zu, heißt es in zahlreichen Berichten. Äthiopien erhält umfangreiche Unterstützung durch die sogenannte deutsche Entwicklungshilfe; auch die Bundeswehr arbeitet mit den Streitkräften des Landes eng zusammen. Im Gegenzug übernimmt das Regime in Addis Abeba Ordnungsaufgaben im Sinne westlicher Interessen etwa in Somalia und Sudan. Künftig soll es auch als Standort für US-Drohnen dienen, die im sogenannten Anti-Terror-Krieg sowie gegen Seeräuber eingesetzt werden – ergänzend zu Operationen, an denen auch Deutschland beteiligt ist.

Disziplinierung der Opposition: Menschenrechtsorganisationen üben zum wiederholten Male scharfe Kritik am Regime in Addis Abeba. Bereits seit Jahren werden immer wieder Proteste laut, die sich gegen die äußerst blutige Repression durch Polizei und Militär in Äthiopien wenden [1]). Neue Beschwerden löst die Tatsache aus, dass für repressive Praktiken auch Hilfslieferungen zur Bekämpfung der Hungersnot genutzt werden. Bereits letztes Jahr hat Human Rights Watch dokumentiert, dass das äthiopische Regime Hilfsprogramme und Hilfslieferungen aus den reichen Staaten des Westens einsetzt, um die Opposition im Land zu disziplinieren. Demnach bekommen nur regimetreue Bedürftige Saatgut oder Düngemittel aus offiziellen Unterstützungsmaßnahmen, während Oppositionelle häufig leer ausgehen. „Jedes Werkzeug, das sie zur Verfügung haben – Düngemittel, Kleinkredite, soziale Absicherung“, zitiert Human Rights Watch einen westlichen Entwicklungshelfer, „wird verwendet, um die Opposition zu unterdrücken. Wir wissen das.“[2] Im Zusammenhang mit der jüngsten Hungersnot bestätigt sich dies. So heißt es in Berichten, bei den jüngsten Nahrungsmittellieferungen blieben Anhänger der Opposition ebenfalls immer wieder unberücksichtigt.[3]

Anti-Terror-Gesetz: In den letzten Monaten häufen sich zusätzlich Berichte über neue Repressionsmaßnahmen des Regimes. So sind seit Anfang August eine Reihe teilweise hochrangiger Oppositionspolitiker und mehrere Journalisten festgenommen worden. Zur Begründung dient nicht selten ein sogenanntes Anti-Terror-Gesetz aus dem Jahr 2009, das den Behörden exzessive Möglichkeiten einräumt, um gegen politische Gegner und unliebsame Berichterstattung einzuschreiten. So können beispielsweise regimekritische Meinungsäußerungen als Unterstützung von Terrorismus gewertet und mit zehn bis 20 Jahren Haft bestraft werden. Das Gesetz werde in jüngster Zeit immer öfter angewandt, berichtet Human Rights Watch.[4] Zahlreiche Oppositionelle und Journalisten sind in dem berüchtigten Maekelawi-Gefängnis in Addis Abeba inhaftiert; dort wird häufig gefoltert. Die Journalisten und die Oppositionellen müssten umgehend freigelassen werden, verlangen mehrere Menschenrechtsorganisationen seit Wochen.[5] Reaktionen des Regimes sind nicht bekannt.

Bedingungen: Ungeachtet der Tatsache, dass das äthiopische Regime bereits seit Jahren wegen seiner Repression international scharf kritisiert wird, unterstützt die Bundesregierung es systematisch.

So sind zuletzt die Gelder aus der sogenannten Entwicklungshilfe, die Äthiopien auch zuvor schon in erheblichem Umfang erhielt, weiter aufgestockt worden. Addis Abeba, das seit 2005 besonders intensiv von der Bundesrepublik gefördert wird [6], erhält in den nächsten drei Jahren einen Betrag von insgesamt 102 Millionen Euro, um – unter tatkräftiger Anleitung deutscher Experten – vor allem Verwaltung und Wirtschaft des Landes zu modernisieren. 14 Millionen Euro werden allerdings nur ausgezahlt, sofern das äthiopische Regime bestimmte Bedingungen erfüllt. Die Bedingungen bestehen jedoch nicht darin, politische Gefangene freizulassen und die Folter einzustellen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel, hat im Juni anlässlich der Regierungsverhandlungen mit dem äthiopischen Regime erklärt, er erwarte eine „Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft“. Dass dies zu den Berliner Prioritäten gehört, verdeutlicht die Ankündigung des Entwicklungsministeriums, die genannten 14 Millionen Euro nur auszuzahlen, wenn bei der „Überprüfung von Fortschritten der Rahmenbedingungen für den Privatsektor“, die gegen Ende dieses Jahres erfolgen soll, ein „positives Ergebnis“ festgestellt werden kann.[7] Zu den Firmen, deren Interesse an Geschäftstätigkeiten in Äthiopien bekannt sind, zählen Unternehmen aus der deutschen Ökobranche. Auf einem Forum, das unlängst von der Entwicklungsagentur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wurde, teilten mehrere Solarfirmen aus der Bundesrepublik mit, sie wollten die Intensität der Sonnenstrahlung in Äthiopien in Zukunft zur profitablen Energiegewinnung nutzen.[8]

Auftragsinterventionen: Gewinnbringende Geschäftstätigkeiten in Äthiopien sind jedoch nur ein Nebenprodukt der Berliner Ostafrikapolitik, die vor allem darauf abzielt, Addis Abeba zur Ordnungsmacht am Horn von Afrika aufzubauen. Äthiopien hat bereits mehrfach in Somalia interveniert, um dort antiwestliche Kräfte von der Macht zu vertreiben.[9]

Zuletzt hat das Regime zugesagt, mehr als 4.000 Soldaten in den Sudan zu entsenden, um dort die vom Westen forcierte und kürzlich vollzogene Teilung des Landes abzusichern.[10] Derlei Auftragsinterventionen erklären die Unterstützung, die auch das äthiopische Militär aus Deutschland erhält. In den vergangenen Jahren wurden über 120 äthiopische Soldaten in Deutschland ausgebildet, teilweise an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Für das Jahr 2012 hat Berlin weitere zehn Ausbildungsplätze angeboten. Diverse Kooperationsmaßnahmen widmen sich der Offiziersausbildung und Themen wie Militärpolitik und Streitkräftetransformation. Besondere Bedeutung kommt unterschiedlichen Projekten vor, die die äthiopischen Streitkräfte bei ihrem Bemühen unterstützen, sich stärker auf die Beteiligung an UN-Interventionen auszurichten.[11] Faktisch läuft dies auf weitere Einsätze im Interesse des Westens wie zuletzt in Somalia und im Sudan hinaus.

Interessenvertreter: Dabei wird die Bedeutung Äthiopiens als Militärpartner des Westens aller Voraussicht nach künftig zunehmen. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten eine Drohnenbasis in dem Land errichten wollen. Die US-Drohnen werden von der CIA, in zunehmendem Maß aber auch von den Streitkräften genutzt, um Operationen etwa in Somalia oder im Jemen, aber auch gegen Piraten durchzuführen.[12] Dabei handelt es sich um Einsätze in der Pirateriebekämpfung oder im sogenannten Anti-Terror-Krieg, an denen auf die eine oder andere Weise – militärisch, mit politischer Begleitung oder durch nachrichtendienstliche Unterstützung – auch Deutschland beteiligt ist.

Die Hilfen für das Regime in Addis Abeba tragen zur Stärkung nicht nur der deutschen Position, sondern der Stellung des Westens insgesamt in Äthiopien bei – und sichern damit einen lokalen Statthalter, der westliche Interessen am Horn von Afrika zuverlässig stützt.

[1] s. dazu Unveräußerliche Rechte, Menschenrechte in Afrika (I) und Kein Platz für Menschenrechte
[2] Human Rights Watch: Development without Freedom. How Aid Underwrites Repression in Ethiopia, October 2010. S. auch Disziplinierungshilfe
[3] Der Hunger – und wem er nützt; Stern 34/2011
[4] Ethiopia: Crackdown on Dissident Intensifies; www.hrw.org 16.09.2011
[5] Ethiopia: Government critics arrested, risk of torture; www.amnesty.org 19.09.2011
[6] s. dazu Schlüsselpositionen
[7] Dirk Niebel gibt neuen Bildungsschwerpunkt in Entwicklungszusammenarbeit mit Äthiopien bekannt – Regierungsverhandlungen abgeschlossen; www.bmz.de 30.06.2011
[8] German Companies to Invest in Solar Energy in Ethiopia; www.2merkato.com 07.10.2011
[9] s. dazu Interessen der Supermächte
[10] s. dazu Statthalter des Westens
[11] Deutscher Bundestag Drucksache 17/6738, 01.08.2011
[12] U.S. assembling secret drone bases in Africa, Arabian Peninsula, officials say; www.washingtonpost.com 21.09.2011

Die Medien feiern ihn als neuen Robin Hood oder als David, der sich mit dem Goliath USA anlegt, dessen intimste Geheimnisse verrät und so über Nacht zum Staatsfeind Nr. 1 avancierte: Julian Assange von Wiki-Leaks. Seine Gefangennahme und das sofortige Aburteilen werden gefordert, ja sogar die Liquidation angeregt. Doch selbst nach Monaten ist in den USA nicht einmal Anklage gegen Assange erhoben worden.

Und so überrascht es nicht, dass mit Cass Sunstein ein Berater von Präsident Barack Obama Pate stand, als WikiLeaks gegründet wurde, deren Gründung Sunstein in einer Kolumne unter der Überschrift »Schöne neue Wikiwelt« in der Washington Post feierte: »WikiLeaks.org beabsichtigt, geheime Regierungsdokumente ins Internet zu stellen und sie mit verschlüsselter Software vor einer Zensur zu schützen.«

Inzwischen wächst die Erkenntnis, dass WikiLeaks und Julian Assange keineswegs authentisch sind, sondern dass es sich vielmehr um eine geheimdienstliche Operation handelt. Darüber hinaus liefert Assange inzwischen den perfekten Vorwand für drastische Zensur und Einschränkungen der Freiheit des Internets. Seinetwegen fordert die demokratische US-Senatorin Feinstein, den berüchtigten »Espionage Act of 1917« wieder einzuführen. Assange ist der »Robin Hood«, der als Argument für eine erneute Verschärfung der Zensur dient.

Und so wundert es nicht, dass keines der von Assange enthüllten Dokumente irgendeinen nennenswerten Skandal in Bezug auf die USA, Großbritannien oder Israel ans Licht gebracht hat. Kein Politiker in den USA war wegen WikiLeaks gezwungen, seinen Hut zu nehmen. Auch ist keine einzige wichtige, laufende verdeckte Operation oder ein an hoher Stelle platzierter Einflussagent aufgeflogen.

Stattdessen werden »Geheimnisse« verraten, die keine sind, oder es handelt sich um Dokumente, die den klassischen Vertretern auf der »Feindesliste« der CIA schaden. Und die internationalen Massenmedien stürzen sich begeistert darauf.