Flüchtlinge: Willkommenskultur in der Mitte Deutschlands – Unterstützend und gelassen

Wir hatten Gelegenheit, den Sozialdezernenten des mittelhessischen Lahn-Dillkreises Herrn Stephan Aurand zu der aktuellen Flüchtlingssituation kurz interviewen zu können.
* Der Lahn-Dillkreis mit seinen Kreisstädten Wetzlar und Dillenburg befindet sich ziemlich genau in der Mitte der "alten" Bundesrepublik, ist 1.066,51 km² groß, hat etwa 250.000 Einwohner in 23 Städten und Gemeinden. Der Landkreis ist überwiegend Industriestandort mit zahlreichen großen oder mittelständischen weltweit operierenden Firmen und in direkter Nachbarschaft zu den Wirtschaftszentren Rhein-Main und Rhein-Ruhr.

politropolis: Herr Aurand, von welchen Zuwächsen gegenüber dem Vorjahr und absoluten Zahlen sprechen wir im bezug auf Flüchtlinge und Asylsuchende in Ihrem Landkreis?
Stephan Aurand: Im vergangenen Jahr führte die bundesweite Zunahme an Asylsuchenden und Flüchtlingen zu einer Zuweisung für den Lahn-Dill-Kreis sowie die Sonderstatusstadt Wetzlar von 800 Asylsuchenden und Flüchtlingen. Darüber hinaus wurden vom Lahn-Dill-Kreis bis Ende Dezember noch rund 100 Folgeantragsteller aufgenommen. Ebenfalls aufgenommen wurden bisher 30 syrische Kontingentflüchtlinge sowie eine afghanische Ortskraft mit Familie. Im Vergleich zum Jahr 2013 kann man hier von einer Verdoppelung der Zahl der Asylsuchenden und Flüchtlinge sprechen.

politropolis: Der sehr positive Ansatz, die Flüchtlinge dezentral unterzubringen, bedeutet ein erheblichen Aufwand. Welche Erfahrungen führten dazu, dass der Landkreis so verfährt? Und wie werden Flüchtlinge derzeit untergebracht und betreut?

Stephan Aurand: Derzeit befinden sich 1400 Personen im Leistungsbezug des Asylbewerberleistungsgesetzes. Diese Personengruppe ist dezentral im gesamten Lahn-Dill-Kreis untergebracht, in derzeit circa 60 Asyl­-Wohngemeinschaften sowie in Privatwohnungen. Diese Art der Unterbringung wirkt sich sehr förderlich auf die Integrationsbestrebungen aus. Die Asylsuchenden und Flüchtlinge werden betreut durch die sozialpädagogischen Kräfte des Lahn-Dill-Kreises. Im Bereich des Altkreises Wetzlar arbeitet der Lahn-Dill-Kreis zudem in einer Kooperation mit dem Arbeitskreis Flüchtlingshilfe, in anderen Unterkünften mit anderen ehrenamtlichen Helferkreisen zusammen.

politropolis: Gibt es Schwierigkeiten mit diesen Menschen in den Städten und Gemeinden - und wie sehen Sie die häufig erwähnte "Willkommenskultur" anhand bisheriger Erfahrungen?

Stephan Aurand: Im Lahn-Dill-Kreis arbeiten wir sehr eng mit den Polizeistationen Wetzlar, Herborn und Dillenburg zusammen. Diskussionspunkte können sich durchaus bei interkulturellen Missverständnissen ergeben. Durch die sehr regen ehrenamtlichen Gruppen vor Ort und die gewährleistete Zusammenarbeit mit den in die Betreuung eingebundenen sozialpädagogischen Kräften des Lahn-Dill-Kreises wird hier sehr aktiv eine Willkommenskultur umgesetzt.

politropolis: In der letzten Zeit und besonders im Osten Deutschlands gibt es Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz „Pegida". Es wurde der Wunsch nach „Bewahrung und [...] Schutz unserer deutschen Identität" geäußert. Gewarnt wurde vor einer „radikal-religiösen Unterwanderung unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur" und man unterstellt erheblichen Asylmissbrauch.
Wie sehen Sie diese Entwicklung und wie beurteilen Sie aus Ihrer Erfahrung in der Bevölkerung offensichtlich vorhandene Ängste?

Stephan Aurand: Der Lahn-Dill-Kreis selbst, kann auf eine lange Tradition in der Aufnahme von Flüchtlingen verweisen. Jederzeit bin ich als Sozialdezernent sowie die mir nachgeordneten Stellen bereit, in Bürgerversammlungen, Ortbegehungen oder auch Schulbesuchen Erläuterungen zu geben und Stellung zu beziehen. Der Zuzug von Menschen ist für unsere ländliche Struktur ein Gewinn, letztlich auch für Schulen und Betriebe. Die betroffenen Anwohner reagieren unterstützend und gelassen. Es überwiegt die Anteilnahme am Schicksal der Personen.

Herr Aurand, vielen Dank für Ihre Stellungnahmen. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg für Ihre Arbeit.

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Quellen - weiterführende Links

Foto: © mit freundlicher Erlaubnis
Das Interview führte Hans-Udo Sattler

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