flüchtlinge abschaffen!

Von Bernhard Jenny @bernhardjenny

flüchtling.
dieses wort möchte ich abschaffen.
ich möchte es überflüssig machen.

ihr sollt keine flüchtlinge mehr sein.
ihr wart lange genug flüchtlinge.
ihr sollt hier bei uns wirklich nicht mehr flüchtlinge sein müssen.

flüchtling – bezeichnet das, was hinter euch liegt, das vergangene.

flüchtling – erzählt uns über die vielen schrecklichen dinge, die ihr erleben und überleben musstet, über die gründe, die schlimm genug gewesen sein müssen, alles hinter euch zu lassen und aufzubrechen. aus der verzweiflung in richtung hoffnung.

flüchtling – dieses wort wird hier bei uns viel zu oft von jenen in den mund genommen, die in euch eine gefahr und eine belastung sehen. es ist ganz einfach, einem „flüchtling“ alles mögliche zu unterstellen. „flüchtling“ ist schnell eine identität für jene, die keine wirkliche identität haben dürfen.

wie gesagt, ich lade euch alle ein, das wort flüchtling abzuschaffen.

das soll nicht heissen, dass wir ignorieren oder vergessen wollen, warum und dass ihr hier nicht freiwillig bei uns seid.

wir müssen uns auch bewusst machen, dass die gründe, die euch hierher kommen haben lassen, immer auch mit uns zu tun haben, ja oft sehr nachvollziehbar mit jenem system zu tun haben, von dem wir profitieren und viele, sehr viele andere verlieren.

es wäre auch nicht richtig, weil sehr naiv, so zu tun, als hättet ihr ohnehin die gleichen chancen, wie alle anderen auch, als wäre alles an schwierigkeiten schon vorbei und überwunden.
aber ich will nicht mehr „flüchtling“ zu euch sagen, sondern „willkommene“.

wir streichen das wort „flüchtling“ und sagen „willkommene“ zu euch.

ich glaube, es ist wesentlich, die bilder in unseren köpfen zu verändern.
nur dann kann sich auch in der wirklichkeit etwas verändern.

wenn wir euch als „willkommene“ bezeichnen, dann ist das auch programm für unser handeln:

willkommene – lassen wir uns nicht einfach wegnehmen.
willkommene – dürfen damit rechnen, wirklich aufgenommen zu werden.
willkommene – gehören zu uns.

wesentlich ist auch, dass alle willkommen sind.
alle, die grund genug hatten, alles aufzugeben um hier bei uns in sicherheit ein leben aufzubauen, alle die da sind, um zu bleiben. ich kann und will mir kein recht nehmen, zu entscheiden, wer willkommen sein soll und wer nicht.

es muss also auch egal sein, ob euer schicksal den medien bekannt ist oder nicht, ob journalistinnen über euch schreiben oder nicht, ob politikerinnen euch kennen oder nicht, ob ihr sympathisch oder zurückgezogen, laut oder leise, gesprächig, lächelnd, trauernd oder depressiv, kraftstrotzend oder krank, schwach oder sportlich, ob ihr jung seid, oder älter, ob ihr christen, moslems oder sonst religiös seid oder euch keiner religion zugehörig fühlt, ob ihr herausragende fähigkeiten habt oder bisher keine bildung hattet, welche visionen euch antreiben, welche träume ich habt, ob ihr hetero-, homosexuell, ob ihr frau, mann oder transgender seid, ob ihr familie und kinder habt oder ganz allein da seid.

ihr seid alle willkommen. kein mensch ist illegal.

flüchtlinge abschaffen!

dieser artikel ist am 16.6.2015 auf fischundfleisch.com erschienen und ist auch dort aufrufbar.
dieser artikel ist ein auszug aus einer rede zum flüchtlingsfest in salzburg 2011 – damals wie heute brandaktuell!
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boat people bild gemeinfrei

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