Heute möchte ich Euch auf eine ganz spezielle Reise mitnehmen. Eine Reise, die niemand von uns machen möchte. Zu der sich aber alleine im November 2014 offiziell 18748 Menschen gezwungen sahen. Aufgrund von Krieg, Verfolgung und Existenzgefährdung.
Ankunft in Deutschland
(Die Person ist frei erfunden, aber so oder ähnlich ereignet sich die Geschichte tagtäglich)
Beginnen wir die Reise an jenem Punkt, an dem wir uns als Asylsuchende in Deutschland zu erkennen geben. Was bisher unser Leben völlig auf dem Kopf gestellt hat ist eine andere, schmerzhafte Geschichte.
Die deutschen Behörden befragen EASY, das IT-System, das mit Hilfe des Königssteiner Schlüssels errechnet, welches Bundesland für die Aufnahme zuständig ist. Kann passieren, daß wir jetzt erst einmal quer durch die Republik reisen müssen. Hoffentlich schneit es nicht wieder. Als Frau mit einem Säugling, einem Schulkind und einer großen Tasche (in der alle Habseligkeiten untergebracht sind, die wir retten konnten) ist solch eine Reise beschwerlich.
Der Weg führt 5h mit dem Zug nach Bayern. Bei Ankunft am späten Abend ist es dunkel und es regnet. Wohnen an diesem Ort Menschen? Zu sehen ist niemand.
Mit dem Zettel, auf dem ein Beamter Asylcamp gekritzelt hatte, machen wir uns auf den Weg. Englischkenntnisse von der Universität helfen, als doch noch ein Bewohner der Kleinstadt auftaucht und hilfsbereit in die Richtung deutet, in der die neue Unterkunft liegen mochte.
Erstaufnahmeeinrichtung – erst einmal sicher
Mit uns warten noch mindestens 30 andere Flüchtlinge. Auf eine Mahlzeit und ein Bett. Und auf Einlaß. Bevor sich das Tor öffnet, muß man sich hier registrieren. Es ist Freitagabend und der private Sicherheitsdienst will keine Fehler machen. Es dauert also. Die Kinder sind von der langen Reise erschöpft und wirken noch immer verängstigt. Kaum einer der Wartenden spricht. Jeder ist in seine Gedanken, seine eigene Geschichte vertieft.
Nach zweieinhalb Stunden endlich die Hand, die uns winkend zu verstehen geben an den Schalter heranzutreten. Passport? Name, Geburtsdatum, Herkunftsland? Die Pässe der Kinder. Alles wird ganz genau notiert. Dann wird ein grüner Hausausweis unter dem Abtrennung durchgeschoben. Das Drehkreuz öffnet sich.
Auf der anderen Seite wieder eine Gruppe. Wieder warten. Worauf eigentlich?
Wir haben Glück. Das Baby schreit und wir bekommen ein Familienzimmer zugewiesen. Zusammen mit einer anderen Frau, die mit ihrer halbwüchsigen Tochter hier ist. Sie erklärt mit Händen uns Füßen, wo die Grundausstattung aus Kopfkissen, Teller, Tasse und Besteck und dem Hygienepaket abgeholt werden kann. Windeln gibt es auch.
Endlich Schlaf. Schwer und dumpf. Traumlos. Zum allerersten Mal in den vergangenen Monaten. Erst mal in Sicherheit.
Wie geht es weiter?
Am nächsten Tag möchte ich meine neue Umgebung erkunden und erfahre, daß ich Residenzpflicht habe. Ich darf den Landkreis nicht verlassen und auch nicht in die nächstgelegene Stadt gehen.
Auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung -im Deutschen gibt es so wunderbare Begriffe- treffe ich andere Flüchtlinge. Jeder trägt seine ganz eigene Geschichte mit sich herum.
Ich werde informiert, daß ich einen Asylantrag stellen muß, um bleiben zu können. Dank des Dolmetschers erfahre ich, daß zunächst mit Hilfe des Dublin-Verfahrens geprüft wird ob ich überhaupt berechtigt bin in Deutschland diesen Antrag zu stellen. Wenn dies der Fall ist, kommt es zu einer Anhörung- dem wichtigsten Teil in dieser Sache. Hier werrde ich zu den Gründen meiner Flucht befragt. Bis es dann zu einer Entscheidung kommt, kann es dauern.
Arbeiten darf ich zunächst nicht. Ich wüßte aber auch nicht wie, denn wenn ich das richtig verstanden habe, ist es schwierig einen Betreuungsplatz für die Kinder zu finden.
Warum diese Geschichte?
Letzte Woche war ich zu Gast in einer solchen Aufnahmeeinrichtung. Ich habe mich spontan nicht wohlgefühlt. In mir hat sich etwas zusammengeballt. Eine Mischung aus Wut, Mitleid und Ärger. Wut auf Menschen, die andere Menschen verfolgen, Mitleid mit den Menschen, die ihre Heimat verlassen, um in Frieden leben zu können. Ärger über diejenigen hier in Deutschland, die ihr Hirn ausschalten und einem Kriminellen hinterherlaufen und bei #Pagida mitmachen.
Kaum ein Mensch ergreift aus Spaß die Flucht aus seiner Heimat. Oder weil er meint in Deutschland Geld fürs Nixtun bekommen zu können. Es sind vielmehr schwerwiegende Gründe wie: Krieg, Verfolgung oder extreme Existenzgefährdung!
Meine Verantwortung
Und gerade als Mutter bin ich es meinen Kindern schuldig aufzustehen und zu vermitteln, daß ich Flüchtlinge willkommen heiße. Denn auch wir in Deutschland sind mitverantwortlich für die Bedingungen, die Menschen in die Flucht treiben!
- Europa hat lange Zeit diktatorische Regierungen mit Waffenlieferungen unterstützt
- Europäische Industriestatten sitzen beim Handel am längeren Hebel und nutzen das aus
- Industrie und Schwellenstaaten verursachen durch extremen Ausstoß an Co2 Klimawandel und zwingen so Menschen zur Flucht vor Klimakatastrophen
Ich empfehle hierzu die Broschüre von Pro Asyl zum Thema. Hier werden nämlich Fakten geliefert. Vieles, was in die Debatte über Flüchtlinge eingebracht wird, ist einfach nur subjektives Empfinden.
Ich erkläre meinen Kindern altergerecht, daß wir sehr priviligiert sind. Es gibt Menschen, die in ihrem Heimatland sterben würden und deshalb zu uns kommen müssen. Und sie sind keine Menschen zweiter Klasse. Denn jeder hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben!
Und es ist unglaublich spannend Menschen aus anderen Kulturkreisen kennenzulernen! Man muß sich nur darauf einlassen.
Gruß
Suse