Flotter 4er: Weber, Guttenberg, Hahn, Assange

Nun bedient sich der (mad) flugs selber der Copy-Paste-Vorzüge, und verbrät eine Rezension („Das Google-Copy-Paste-Syndrom“), die er am 3. Februar 2007 im Standard veröffentlicht hat, noch einmal. Der „Plagiats-Jäger“ Stefan Weber war zu jener Zeit gerade so etwas wie ein österreichischer Julian Assange. Nur wies er die Öffentlichkeit, anstatt ihr Geheimdokumente aus Regierungs-, Banker- oder Mafiakreisen zugänglich zu machen, darauf hin, dass die Qualität des wissenschaftlichen Betriebs – Internet sei Dank! – in großer Gefahr sei:

„Dieses Buch warnt nicht davor, dass wir uns auf eine Textkultur ohne Hirn zubewegen”, führte Weber in sein gerade aktuelles Buch ein (ich zitiere aus der ersten, immer noch lesenswerten Auflage). Vielmehr nämlich versuche es zu zeigen, „dass wir uns in dieser bereits befinden“. Der Medienwissenschaftler eröffnete den Verdacht, dass „die Schüler und Studenten von heute (…) zunehmend nicht mehr selbst (texten). Sie lesen tendenziell nicht, schon gar nicht genau, und schreiben auch ungern selbst verfasste Sätze.“

Stattdessen sieht der Autor, dem Buchtitel entsprechend, schon damals einen dreistufigen Prozess bei der Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten im Vormarsch: Erstens die „Ergoogelung“ eines Themas durch Verknüpfung inhaltlicher Begriffe, daraus folgend die „Aneignung von prägnanten, ‚wohlklingenden‘ Textbausteinen“ aus den aufgelisteten Websites. Diese werden schließlich kopiert, in die zu erstellende Arbeit eingefügt („copy and paste“) und hinsichtlich Schreibweise und Layout vereinheitlicht.

Dabei ist Weber überzeugt, dass „in der (akademischen) Textkultur des Als-ob (…) primär die Form“ zählt. Der schwache und/oder gestohlene Inhalt wird hintan gestellt, einer Bewertung mitunter gar nicht unterzogen. Basierend auf diesen Annahmen erschließt sich, dass es ihm nicht nur einfach darum geht, Wissensfälscher zu entlarven. Vielmehr trägt Weber Indizien für die eingangs zitierte Befürchtung zusammen, dass immer weniger Menschen auch nur ein Bewusstsein dafür haben, wie man Erkenntnisse aus vorhandenem (also ergoogeltem) Wissen zieht.

Ohne den sicherlich hinkenden Vergleich überstrapazieren zu wollen: Wie Assange zog auch Weber damals offen formulierten Hass auf sich – aus dem engen Umfeld der Beschuldigten. Er habe in den vergangenen Monaten unzählige Male zu hören bekommen, dass es ihm in Wahrheit gar nicht um Plagiate in der Wissenschaft gehe, „sondern um Rache, da ich keinen Job an einer österreichischen Universität bekommen hätte“, wie der Medienwissenschaftler am 26. März 2007 in einem Kommentar, ebenfalls im Standard, schrieb.

Denn natürlich fühlten sich die Hüter der akademischen Qualität angegriffen – wenn schon nicht als Unterstützer der wissenschaftlichen Verluderung, sodann wenigstens als jene, die den Anschluss an die Moderne verpasst hatten. An dieser Stelle sei zur Verteidigung der Universitäten jedoch angemerkt, dass in jenen Tagen zumindest an einigen Instituten bereits Software-Lösungen angeschafft bzw. ausprobiert worden waren, um Plagiate auszufiltern, und etwa Diplomarbeiten dementsprechend nicht nur in gedruckter Form, sondern auch auch als Textdatei einzureichen waren.

Stefan Webers größter Triumpf war die Aufdeckung des Falls Johannes Hahn, damals – man könnte es nicht besser erfinden – österreichischer Wissenschaftsminister, dessen Dissertation ebenfalls eine Reihe nicht gekennzeichneter Zitate enthalten soll. Der Philosoph Herbert Hrachovec kam nach eingehender Beschäftigung mit dem Werk zum Schluss: „Mit Wissenschaft hat das nur als abschreckendes Beispiel zu tun.“ – Mehr dazu ist auf Wikipedia nachzulesen, wo auch Hrachovec’ umfassender Bericht zum Download bereit gestellt wird.

Mit der Frage, wie Deutschland den heute durch die Süddeutsche Zeitung bekannt gemachten Fall Guttenberg abhandelt – und welche persönlichen Konsequenzen der Bundes-Wirtschaftsminister daraus zieht, sollte sich der Plagiatsvorwurf nicht überraschend in Luft auflösen! –, erhält auch der Fall Hahn neue Brisanz. Wobei mir eine weitere Anmerkung erlaubt sei: In beiden Angelegenheiten scheint die jeweilige wissenschaftliche Vorbildung für ihre berufliche Tätigkeit nur mäßig relevant.


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