"They have tried to squeeze us out, to stamp us into the past. But we are still here. And there are more of us every day."Die Widerstandskämpfer sind also immer noch da. Und es gibt immer mehr davon. Dieser an sich ja sehr begrüßenswerte Zustand rechtfertigt meiner Meinung nach leider nicht den Fakt, dass die Hälfte des Buches davon handelt, wie Lenas Widerstandsgruppe im Wald herumläuft und andere, neue Widerstandskämpfer trifft. Letztendlich finden sie eine Riesengruppe von Widerstandskämpfern - da diese gleich am nächsten Tag von der Armee des Systems plattgemacht werden, bringt ihnen das aber nicht so viel. Kein Teeniebuch ohne Dreiecksbeziehung! Glücklicherweise gibt es durch das absolut - ähm - unerwartete Wiederauftauchen von Lenas erster großer Liebe Alex ja nun ein hochkomplizierte Liebesdreieck, mit dem die Autorin ihre Leser unterhalten könnte - wenn sie es denn könnte. Leider ist es aber so, dass Lena, sobald Alex auftaucht, wieder in ihre alte Rolle aus Band eins zurückrutscht: die des zurückgebliebenen Teeangers. Da taucht also plötzlich der Junge wieder auf, der für Lena sein Leben riskiert hat - frisch aus der Gefangenschaft des Systems, in der er halb zu Tode gefoltert wurde.
"I didn't die. I don't know how. I should have. I'd lost plenty of blood. They were just as surprised as I was. After that it became a kind of game - to see how much I could stand. To see how much they could do to me, before I'd - "und dieser Junge ist verständlicherweise etwas ärgerlich darüber, dass er Lena mit einem anderen vorfindet. Nachdem ihre eloquente Entschuldigung "Alex, I'm so sorry. I'm so, so sorry" nicht gleich beim ersten Mal den gewünschten Effekt hat und der offensichtlich vollkommen traumatisierte Alex nach einem kurzen, verzweifelten Wortwechsel nur noch die Worte "I don't love you Lena. Do you hear me? I never loved you." herausbrüllt, glaubt Lena das natürlich auf der Stelle. Und flüchtet sich kurzerhand wieder zurück zu ihrem Ersatzlover Julian.
"I can't move to him fast enough. I practically fall into him. He catches me and pulls me in tightly to his chest, and I let myself go again, let sobs run through me. He stands there with me and murmurs into my hair and kisses the top of my head and lets me cry over losing another boy, a boy I loved better."Tja Julian, doof gelaufen würd ich sagen. Fairerweise ist es sehr wahrscheinlich, dass die Autorin hier einen etwas komplizierteren Sachverhalt darstellen wollte, nämlich den, dass man mit der Fähigkeit zu lieben auch die Unkontrollierbarkeit dieser Liebe in Kauf nehmen muss. Leider verrennt sie sich im folgenden in dämliche, sich steigernde Eifersuchtsspielchen, die schließlich in einer an Klischeehaftigkeit kaum noch zu überbietenden Schlägerei zwischen Lenas beiden Verehrern enden. Unser Lenchen steht währenddessen übrigens heulend, bettelnd und "wie angewurzelt" daneben - kaum zu glauben, dass sie sich bei Bedarf sonst immer in eine granatige Kampfmaschine verwandeln kann. Hana ist mal wieder die Rettung. Wie schon im ersten Band ist es Lenas (ehemals) beste Freundin Hana, die das Buch vor dem kompletten Versumpfen rettet. Die Kapitel sind nämlich diesmal immer im Wechsel aus Lenas und aus Hanas Sicht geschrieben. Hana, die mittlerweile "geheilt" ist und kurz vor der Hochzeit mit ihrem vom System gewählten Partner steht, erkennt nach und nach, dass ihr zukünftiger Ehemann nicht nur ein extrem unsympathischer Mensch ist, sondern auch hochgradig gefährlich. Der Schwenker zu dem Märchen Blaubart ist hier druchaus gelungen, auch wenn er, wie der Rest des Buches, eine Menge Potential einfach so im Nichts verlaufen lässt. Doch selbst die Teile mit Hana sind irgendwie lieblos runtergeschrieben und konnten mich nicht wirklich mitreißen. Auch, dass die "Prozedur" ausgerechnet bei Hana nicht richtig gewirkt hat, ist natürlich praktisch - leider verzichtet die Autorin vollkommen darauf, irgendeinen plausiblen Grund für diesen doch sehr großen Zufall zu nennen. Fazit: Ein nichtssagender Abschluss zu einer mittelmäßigen Trilogie. Lauren Oliver hat ihr Schreibtalent leider an Charaktere verschwendet, die sie anscheinend selbst nicht besonders gut leiden kann. An der Dreiecksgeschichte ärgert mich besonders, wie wenig gesunden Menschenverstand und Einfühlungsvermögen die Autorin ihrer Hauptfigur Lena zutraut. Zum Schluss kommt dann die totale Pleite: Die Beschreibung "Offenes Ende" wäre eine grandiose Untertreibung, denn hier bleiben dermaßen viele Fragen unbeantwortet, dass ich eigentlich schon wieder ganz froh war, dass mich das Schicksal der Figuren so dermaßen kalt lässt. Aber wenigstens gibt es eine Moral:
"Take down the walls. Otherwise you may never know hell, but you will not find heaven, either. You will not know fresh air and flying. All of you, wherever you are: in your spiny cities or your one-bump towns. Find it, the hard stuff, the links of metal and chink, the fragments of stone filling your stomach. An pull, and pull, and pull. Take down the walls."
Schöne Worte. Leider werden sie durch die Delirium Trilogie nicht mit Leben gefüllt.