FKA Twigs
„LP1“
(Young Turks)
Ganz und gar komplizierte Sache, das. Taliah Barnett, maximal gehyptes Gesamtkunstwerk FKA Twigs aus London, ist ein Phänomen. Und zwar ein im wortwörtlichen Sinne wenig selbsterklärendes. Der sechsundzwanzigjährigen Londonerin mit jamaikanisch-spanischen Wurzeln, geboren im südwestenglischen Provinzstädtchen Gloucestershire, sind, wie man lesen darf, Etiketten und Schubladen herzlich egal. Wo die Presse R’nB schreit, erwidert sie Punk, wo sich jeder wundert, wie ganzheitlich und perfekt die Inszenierung aus Musik, äußerlichem Erscheinungsbild und audiovisueller Ästhetik doch ist, zuckt sie leicht genervt die Schultern und pfeift auf die Konvention. Okay, etwas beängstigend ist es schon, dass die Frau mit zwei EPs, also gerade mal acht Tracks, für mehr Aufmerksamkeit gesorgt hat als manch etablierte/r Künstler/in mit seinem gesamten Back-Katalog. Und wer sich nur einmal die großartigen Kurzfilme zu den Stücken „How’s That“, „Water Me“ und „Papi Pacify“ anschaut, die trotz aller Unterschiedlichkeit allesamt eine verstörende Körperlichkeit und Intensität ausstrahlen, der bekommt eine Ahnung davon, auf welchem Potential sich die leicht herablassende Selbstsicherheit von FKA Twigs gründet.
Schließlich steht es nirgendwo geschrieben, dass Bewunderung nur diejenigen verdienen, die sich jahrelang unbeobachtet durch die Mühen der Ebene quälen – Barnett startet 2012, noch ohne FKA, ihre Karriere und schon zwei Jahre danach wird ihr Debütalbum „LP1“ aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Decke gehen. Das ist erstaunlich, denn auch wenn sie mit Ikonen wie Prince oder Aaliyah verglichen wird (mit dem einen teilt sie die Liebe zum Pseudonym, mit der anderen sogar den Geburtstag), ist ihr Stil doch ebenso schwer zu klassifizieren wie zu rezipieren. FKA Twigs bietet dem Zuhörer über die gesamte Spiellänge kaum Eingängiges und verzichtet fast vollständig auf flächige Hintergrundtexturen, die einem Song üblicherweise Rahmen, Gefälligkeit und einen gewissen Flow verpassen. Reduktion rules, die scheinbar unerschöpfliche Mixtur aus programmierten Loops, Beats und Bleeps wird durch ihre am Operngesang geschulte, extrem hohe Stimme ergänzt. Dabei handelt es sich eher um ein Hauchen und Flüstern oder auch ein tonloses Schreien, das in die vielschichtigen Soundmuster eingeflochten wird.
Und dennoch, trotz aller Spielereien, Pausen, trotz dieser irrlichternden Geräuschkulisse habe die Stücke eine Seele, hier: einen Soul, trotzdem fügen sich die Töne, die zarten wie die mächtigen, und der Gesang wunderlicherweise immer wieder zu einem bezaubernden Gesamtbild. Barnetts riesiges Ego kontrastiert auf bemerkenswerte Weise mit den vielgestaltigen Avataren, mit denen sie ihre Musik illustriert – mal gibt sie das wächserne Porzellanpüppchen, die Schutzbedürftigkeit in Person, dann wieder (wie im Video zu “Two Weeks”) mutiert sie mit zartem Stimmchen zu Cleopatras Wiedergängerin. Wo sie noch bei “Papi Pacify” in der besitzergreifenden männlichen Umarmung fast zu zerbrechen droht, schickt sie beim aktuellen “Kicks” den Lover zum Teufel. Eindeutig ist bei ihr gar nichts, mehr noch, die Widersprüchlichkeit ist Programm für FKA Twigs und genau daraus bezieht diese Platte ihren Reiz. Dazu gehört dann natürlich auch ein Stück wie “Closer”, das mit seiner hymnischen Entrücktheit, seiner Choralhaftigkeit einen weiteren Gegenpol zum Rest der Platte setzen will. Das mag, wer will, in der Summe feines Futter für Nerds und Hipster nennen, auch James Blake erging es mit seinem Debüt nicht anders. Gut bleibt’s deshalb trotzdem. http://fkatwi.gs/#
Der Komplettstream des Albums steht momentan bei Tape.TV.
„LP1“
(Young Turks)
Ganz und gar komplizierte Sache, das. Taliah Barnett, maximal gehyptes Gesamtkunstwerk FKA Twigs aus London, ist ein Phänomen. Und zwar ein im wortwörtlichen Sinne wenig selbsterklärendes. Der sechsundzwanzigjährigen Londonerin mit jamaikanisch-spanischen Wurzeln, geboren im südwestenglischen Provinzstädtchen Gloucestershire, sind, wie man lesen darf, Etiketten und Schubladen herzlich egal. Wo die Presse R’nB schreit, erwidert sie Punk, wo sich jeder wundert, wie ganzheitlich und perfekt die Inszenierung aus Musik, äußerlichem Erscheinungsbild und audiovisueller Ästhetik doch ist, zuckt sie leicht genervt die Schultern und pfeift auf die Konvention. Okay, etwas beängstigend ist es schon, dass die Frau mit zwei EPs, also gerade mal acht Tracks, für mehr Aufmerksamkeit gesorgt hat als manch etablierte/r Künstler/in mit seinem gesamten Back-Katalog. Und wer sich nur einmal die großartigen Kurzfilme zu den Stücken „How’s That“, „Water Me“ und „Papi Pacify“ anschaut, die trotz aller Unterschiedlichkeit allesamt eine verstörende Körperlichkeit und Intensität ausstrahlen, der bekommt eine Ahnung davon, auf welchem Potential sich die leicht herablassende Selbstsicherheit von FKA Twigs gründet.
Schließlich steht es nirgendwo geschrieben, dass Bewunderung nur diejenigen verdienen, die sich jahrelang unbeobachtet durch die Mühen der Ebene quälen – Barnett startet 2012, noch ohne FKA, ihre Karriere und schon zwei Jahre danach wird ihr Debütalbum „LP1“ aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Decke gehen. Das ist erstaunlich, denn auch wenn sie mit Ikonen wie Prince oder Aaliyah verglichen wird (mit dem einen teilt sie die Liebe zum Pseudonym, mit der anderen sogar den Geburtstag), ist ihr Stil doch ebenso schwer zu klassifizieren wie zu rezipieren. FKA Twigs bietet dem Zuhörer über die gesamte Spiellänge kaum Eingängiges und verzichtet fast vollständig auf flächige Hintergrundtexturen, die einem Song üblicherweise Rahmen, Gefälligkeit und einen gewissen Flow verpassen. Reduktion rules, die scheinbar unerschöpfliche Mixtur aus programmierten Loops, Beats und Bleeps wird durch ihre am Operngesang geschulte, extrem hohe Stimme ergänzt. Dabei handelt es sich eher um ein Hauchen und Flüstern oder auch ein tonloses Schreien, das in die vielschichtigen Soundmuster eingeflochten wird.
Und dennoch, trotz aller Spielereien, Pausen, trotz dieser irrlichternden Geräuschkulisse habe die Stücke eine Seele, hier: einen Soul, trotzdem fügen sich die Töne, die zarten wie die mächtigen, und der Gesang wunderlicherweise immer wieder zu einem bezaubernden Gesamtbild. Barnetts riesiges Ego kontrastiert auf bemerkenswerte Weise mit den vielgestaltigen Avataren, mit denen sie ihre Musik illustriert – mal gibt sie das wächserne Porzellanpüppchen, die Schutzbedürftigkeit in Person, dann wieder (wie im Video zu “Two Weeks”) mutiert sie mit zartem Stimmchen zu Cleopatras Wiedergängerin. Wo sie noch bei “Papi Pacify” in der besitzergreifenden männlichen Umarmung fast zu zerbrechen droht, schickt sie beim aktuellen “Kicks” den Lover zum Teufel. Eindeutig ist bei ihr gar nichts, mehr noch, die Widersprüchlichkeit ist Programm für FKA Twigs und genau daraus bezieht diese Platte ihren Reiz. Dazu gehört dann natürlich auch ein Stück wie “Closer”, das mit seiner hymnischen Entrücktheit, seiner Choralhaftigkeit einen weiteren Gegenpol zum Rest der Platte setzen will. Das mag, wer will, in der Summe feines Futter für Nerds und Hipster nennen, auch James Blake erging es mit seinem Debüt nicht anders. Gut bleibt’s deshalb trotzdem. http://fkatwi.gs/#
Der Komplettstream des Albums steht momentan bei Tape.TV.