Berlin, den 22. August 2012 – Die von MSC-zertifizierten Fischereien genutzten Bestände sind nicht überfischt, sind in den letzten Jahren stärker gewachsen als Bestände ohne MSC-zertifizierte Fischereien und werden weniger stark befischt als diese. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die unabhängige internationale Wissenschaftler und Fischereiexperten des MSC gemeinsam durchgeführt haben [1]. Sie wird heute in dem Online-Wissenschaftsmagazin ‚PLOS ONE‘ [2] veröffentlicht und belegt, dass das MSC-Siegel Fisch aus nachhaltig genutzten Beständen kennzeichnet.
Die Analyse stellt die bislang detaillierteste quantitative Bewertung von MSC-zertifiziertem, wild gefangenem Fisch im Hinblick auf die ökologisch nachhaltige Nutzung der Zielbestände dar. Die Forscher analysierten 45 von MSC-zertifizierten Fischereien genutzte Bestände sowie 179 Bestände, die nicht von MSC-zertifizierten Fischereien befischt werden, und verglichen deren Bestandsgrößen und Entnahmeraten. Sie berücksichtigten dabei alle Bestände weltweit, für die ausreichend Informationen über ihre Größe, die Entnahme durch die Fischerei und über ihre Zielgrößen erhältlich waren [3]. Bei der Interpretation der Daten hielten sie sich an international anerkannte Definitionen [4].
Demnach ist keiner der von MSC-zertifizierten Fischereien genutzten Bestände überfischt, also so klein, dass die Nachwuchsproduktion oder die Erholung eines Bestandes gefährdet wäre. Die Studie widerlegt somit die Behauptung von Kritikern, die vor einigen Wochen die Strenge des MSC-Zertifizierungsstandards in Frage stellte [5]. Auch nach erfolgter Zertifizierung entwickeln sich die Bestände MSC-zertifizierter Fischereien positiv: Alle Bestände, deren Fischereien seit mehr als fünf Jahren – der Gültigkeit des Zertifikates – mit dem MSC-Siegel ausgezeichnet sind, wachsen oder sind bereits so groß, dass der maximale nachhaltige Dauerertrag erzielt werden kann. Die Studie zeigt darüber hinaus, dass Fischereien, die das MSC-Siegel beantragen, jedoch bereits an der ersten Hürde – der vertraulichen Vorbewertung – scheitern, mit gutem Grund kein Zertifikat erhalten: Ihre Bestände sind in 52 Prozent der Fälle überfischt [6].
Gerd Hubold, Wissenschaftler am Institut für Marktanalyse und Agrarhandelspolitik des deutschen Thünen-Instituts und bis Anfang 2012 Generalsekretär von ICES, dem Internationalen Rat für Meeresforschung, kommentiert: “Die für diese Studie verwendeten Quellen und Methoden sind auf internationaler Ebene anerkannt und robust. Die Studienergebnisse sind schlüssig und zeigen, dass das MSC-Siegel tatsächlich ein glaubwürdiges Zeichen für nachhaltig genutzte Bestände ist.“ Marnie Bammert, Leiterin des MSC-Büros für den deutschsprachigen Raum, fügt hinzu: „Für den MSC ist es wichtig zu kontrollieren, ob sein Programm die erwünschte Wirkung erzielt. Die neue Studie ist ein wichtiger Nachweis hierfür und die Tatsache, dass sie von so vielen unabhängigen Wissenschaftlern unterstützt wird, macht das Ergebnis umso wertvoller.“
Wenn Sie weitere Informationen wünschen, wenden Sie sich bitte an: Gerlinde Geltinger, MSC Deutschland, Tel. +49 (0)30 609 8552 0, E-Mail: gerlinde.geltinger@msc.org.
Anmerkungen:
[1] Autoren der Studie:
Die Analyse wurde vom MSC geleitet und von 16 unabhängigen Wissenschaftlern und Experten weltweit miterstellt:
Nicolás L. Gutiérrez a,1, Sarah R. Valencia b, Trevor A. Branch c, David J. Agnew a, Julia K. Baum d, Patricia L. Bianchi a, Jorge Cornejo-Donoso e,f, Christopher Costello b, Omar Defeo g, Timothy E. Essington c, Ray Hilborn c, Daniel D. Hoggarth a, Ashley E. Larsen h, Chris Ninnes a, Keith Sainsbury i, Rebecca L. Selden h, Seeta Sistla h, Anthony D.M. Smith j, Amanda Stern-Pirlot a, Sarah J. Teck h, James T. Thorson c, Nicholas E. Williams k
a Marine Stewardship Council, 1 Snow Hill, London EC1A 2DH, Großbritannien
b Bren School of Environmental Science and Management, 2400 Bren Hall, University of California, Santa Barbara 93106-5131, USA
c School of Aquatic and Fishery Sciences, Box 355020, University of Washington, Seattle WA 98195-5020, USA
d Department of Biology, University of Victoria, PO Box 3020 STN CSC, Victoria, BC, V8W 3N5, Kanada
e Interdepartmental Graduate Program in Marine Science, Marine Science Institute, University of California, Santa Barbara, 93106-5131, USA
f Universidad Austral de Chile, Centro Trapananda, Coyhaique, Chile
g UNDECIMAR, Facultad de Ciencias, Igua 4225, PO Box 10773, Montevideo 11400, Uruguay
h Department of Ecology, Evolution and Marine Biology, University of California, Santa Barbara 93106-5131, USA
i University of Tasmania, Tasmanian Aquaculture & Fisheries Inst, Taroona, Tas 7053, Australien
j Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization, Wealth from Oceans Flagship, Hobart, TAS 7001, Australien
k Department of Anthropology, University of California, Santa Barbara, CA 93106-3210, USA
1 Autor für Korrespondenz: 1-3 Snow Hill, London EC1A 2DH, Großbritannien. E-Mail: nicolas.gutierrez@msc.org ; Tel.: +44 (0) 20 7246 8938
[2] Die englische Originalversion der Studie auf PLOS ONE können Sie unter folgendem link http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0043765 kostenlos einsehen. Die auf Deutsch übersetzte Studie können Sie hier herunter laden. http://www.msc.org/publikationen/msc-fischereien/studie-msc-siegel-gibt-verbrauchern-verlaessliche-informationen-zu-nachhaltigkeit-von-fischereien
[3] Methode und Daten
Die Studie mit dem Titel “MSC-Siegel gibt Verbrauchern verlässliche Informationen zur Nachhaltigkeit von Fischereien” präsentiert Ergebnisse der Analyse von 45 Beständen, die von MSC-zertifizierten Fischereien genutzt werden und 179 Beständen ohne MSC-zertifizierte Fischereien. Die Untersuchung umfasste alle Bestände weltweit, für die regelmäßig Bestandsbewertungen durchgeführt werden und die nach dem Konzept des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet werden. Dies schloss z.B. einige Wildlachs-Bestände aus, da die Bewirtschaftungsziele hier nicht auf einer einfachen Berechnung des höchstmöglichen Dauerertrages basieren. Die Analyse umfasst damit ca. 85 Prozent der MSC-zertifizierten Anlandungen (ca. 8 Millionen Tonnen). Die Daten zu den Beständen ohne zertifizierte Fischereien entnahmen die Forscher vorrangig der öffentlich zugänglichen und weltweit größten Datenbank für Bestandsbewertungen, der ‚RAM Legacy Stock Assessment Database‘ http://ramlegacy.marinebiodiversity.ca/ram-legacy-stock-assessment-database. Wo aktuellere Daten vorhanden waren, wurden die Informationen aus der Datenbank um diese ergänzt. Hier können Sie sich die vollständige Studie herunter laden. http://www.msc.org/publikationen/msc-fischereien/studie-msc-siegel-gibt-verbrauchern-verlaessliche-informationen-zu-nachhaltigkeit-von-fischereien
[4] Laut der international anerkannten Definition ist ein Bestand dann überfischt, wenn seine Biomasse so gering ist, dass seine Fortpflanzungskapazität beeinträchtigt und damit seine Wiederauffüllung gefährdet sein kann (FAO, 2009; NMFS, 2010; DAFF, 2010). Dieser Biomassewert wird als der Grenzreferenzwert bezeichnet. Wenn dieser Punkt empirisch nicht definiert werden kann, setzen ihn die meisten Wissenschafts- und Managementorganisationen der Welt bei der halben MSY-Biomasse fest. Die Richtlinien der Welternährungsorganisation zur Ökokennzeichnung von Fisch und Fischereiprodukten (FAO, 2009) besagen, dass „der betrachtete Bestand nicht überfischt ist, wenn er über dem Grenzreferenzwert liegt.“
Quellen:
DAFF, 2011. Fishery Status Reports, 2010. Available at http://adl.brs.gov.au/data/warehouse/fishstatus20109abff00101/fishstatus20109abff00101_11a/FishStatus2010_1.00.pdf, accessed May 2012
FAO, 2009. Guidelines for the ecolabelling of fish and fishery products from marine capture fisheries, revision 1. FAO, Rome.
NMFS, 2010. Status of US Fisheries. Appendix 1, Report format and description of methodology for determining overfishing and overfished status. Available at http://www.nmfs.noaa.gov/sfa/statusoffisheries/2010/2010_Appendices_1and2.pdf, accessed May 2012
[5] In einem im April veröffentlichten Artikel behaupteten Rainer Froese und Alexander Proelss, dass ein Drittel der Bestände, die von MSC-zertifizierten Fischereien genutzt werden, nicht nachhaltig befischt würden und/oder überfischt seien. Der MSC widerspricht den Ergebnissen dieser Veröffentlichung. Unsere Stellungnahme finden Sie hier [http://www.msc.org/presseraum/pressemitteilungen/msc-reagiert-auf-geomar-publikation?fromsearch=1&isnewssearch=1&b_start:int=10]. Am 14. August veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin ‚Marine Policy‘ die Gegendarstellung des MSC zu den Vorwürfen des im selben Magazin veröffentlichten Artikel “Evaluation and legal assessment of certified seafood”. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0308597X12001625
[6] Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
• 74 Prozent der von MSC-Fischereien genutzten Bestände sind mindestens so groß, dass der Bestand am produktivsten ist, verglichen mit 45 Prozent der Bestände ohne zertifizierte Fischereien. Die übrigen 26% der von MSC-zertifizierten Fischereien befischten Bestände sind zwar nicht groß genug, um den höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrag zu liefern, befinden sich aber in sicheren biologischen Grenzen, das heißt über ihrem Grenzwert. Die Fischereien auf diese Bestände unterliegen strengen Plänen, welche die Bestände wieder auf die gewünschte Größe aufbauen sollen. Der Fortschritt wird jedes Jahr überprüft. Die Fischereien auf Dorsch in der östlichen Ostsee folgten bis zur Erholung des Bestandes beispielsweise einem strengem Wiederaufbauplan: Der Fischereidruck wurde in den letzten fünf Jahren um 80 Prozent reduziert und das Gewicht der Erwachsenentiere hat sich im selben Zeitraum verfünffacht. http://fischbestaende.portal-fischerei.de/Fischarten/?c=stock&a=detail&stock_id=207
• Die Größe der Bestände, die von MSC-zertifizierten Fischereien genutzt werden, ist in den letzten zehn Jahren im Schnitt um 46 Prozent gewachsen. In einigen Fällen sind die Zunahmen unmittelbar auf das Erfüllen von Zertifizierungsauflagen zurückzuführen, in anderen Fällen hat ein bereits vorbildliches Management, zusammen mit hohen Bestandszahlen und günstigen Umweltbedingungen, die Zertifizierung erleichtert. Die Bestände ohne zertifizierte Fischereien haben im selben Zeitraum um nur neun Prozent zugelegt.
• Keiner der Bestände, die von MSC-zertifizierten Fischereien befischt werden, ist überfischt (nach international anerkannten Definitionen), liegt also unterhalb jener Größe, wo der Bestand Schwierigkeiten hat, sich zu vermehren und wieder aufzubauen. Bei einem einzigen Bestand (Sardine in der Biskaya) zeigte sich in der jährlichen Kontrollüberprüfung nach erfolgter MSC-Zertifizierung, dass er unter diese Grenze gefallen war. Das MSC-Zertifikat dieser Fischerei wurde deshalb im Januar 2012 ausgesetzt und bleibt ungültig, bis der Bestand wieder auf eine angemessene Größe angewachsen ist.
Hier können Sie sich die vollständige Studie herunter laden. http://www.msc.org/publikationen/msc-fischereien/studie-msc-siegel-gibt-verbrauchern-verlaessliche-informationen-zu-nachhaltigkeit-von-fischereien
Über den MSC
Der MSC (Marine Stewardship Council) ist eine internationale gemeinnützige Einrichtung, die hilft, den Markt für Fisch und Meeresfrüchte nachhaltig zu gestalten. Der MSC verwaltet das einzige ökologische Zertifizierungs- und Kennzeichnungsprogramm für Fischereibetriebe des Wildfangs, das sowohl den „Code für vorbildliches Setzen sozialer und ökologischer Standards” von ISEAL wie auch die FAO-Kriterien für Fischereizertifizierungen erfüllt. Die „Richtlinien für die Öko-Kennzeichnung von Fisch und Fischereiprodukten aus mariner Fischerei“ der FAO fordern von glaubwürdigen Zertifizierungs- und Kennzeichnungsprogrammen:
- objektive, unabhängige Fischereibewertungen basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen,
- transparente Prozesse, die eine Konsultation mit Externen und die Möglichkeit zur Einspruchnahme umfassen,
- Standards, welche die Nachhaltigkeit der Zielspezies, der Ökosysteme und der Managementpraktiken berücksichtigen.
Der MSC hat Büros in London, Seattle, Tokio, Sydney, Den Haag, Madrid, Glasgow, Paris, Stockholm, Berlin und Kapstadt.
Insgesamt nehmen über 280 Fischereibetriebe am MSC-Programm teil. 174 sind derzeit zertifiziert und 112 befinden sich in Bewertung nach MSC-Standard. Weitere 40 bis 50 durchlaufen eine vertrauliche Vorbewertung. Zertifizierte Fischereien fangen knapp zehn Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte, was etwa elf Prozent des weltweiten Fischfangs entspricht. Weitere Informationen unter www.msc.org