Kennt ihr das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können, weil eure Umgebung euch einengt? Früher habe ich als Reaktion darauf erst mal die Zeitung aufgeschlagen und mir eine neue Wohnung gesucht. Heute ist das anders, denn die Mietpreise in Berlin sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Stattdessen träume ich jetzt von Hotelzimmern oder Ferienwohnungen, in denen ich mich so viel wohler fühle als zuhause. Warum? Na, mein Zeug ist nicht da! All die „Symbole meiner Existenz“, die ich dingend haben musste (und im Umzugsfall womöglich ausgemistet hätte), sind nicht da und fehlen mir nicht die Bohne!
The things you own end up owning you. | Die Dinge die du besitzt werden letztendlich dich besitzen. Chuck Palahniuk, Tyler Durden, Fight Club
10 Jahre. Ohne Umzug. 83 Quadratmeter. Die Regale sind voll. Der Keller ist voll. Der Kleiderschrank und meine Nase auch! Es gibt eine Lösung: Ausmisten. Und damit ich diesmal nicht wieder auf halber Strecke aufgebe, erzähle ich euch davon, denn Bloggen hilft am Ball zu bleiben!
Zu viel killt Energie. Foto:Blythe-Halloween Collection 2009
Ausmisten, die Idee ist klar, aber…
Ausmisten oder wenigstens die Idee davon trifft mich wie euch wahrscheinlich auch immer wieder aufs Neue. Für ein paar Tage bin ich dann auch total motiviert, lese unzählige Artikel darüber, wie man es am besten anfängt und räume am Ende halbherzig meinen Kleiderschrank auf. Wenigstens habe ich inzwischen erkannt, wo für mich die schlimmsten Probleme – ich nenne sie Saboteure – liegen, sie zusammengefasst und aufgeschrieben.
Man verliert den Fokus. Foto: Blythe Runway Challenge, 2009
Saboteur Nummer 1: Erziehung & Gewohnheit
Ich stamme aus einer Familie, bei der Sparen, Aufheben und Wiederverwenden immer ein großes Thema war. Schon meine Eltern haben diese Haltung von ihren Eltern übernommen und ebenso wenig wie ich bemerkt, dass Krieg, Hungersnot und Sparmarken zumindest unser Leben nicht mehr bestimmen! Stattdessen wird jedes nicht mehr gebrauchte Stück zu all den anderen seiner Art gelegt und wenn man es wirklich noch mal brauchen kann, neu gekauft, weil das alte eben alt ist. Wie die grässliche Orgel, die ich 1980 zu Weihnachten bekommen habe (die habe ich nicht mehr, hatte sie aber viel zu lange) oder mein erster Power Mac, an dem ich mir (noch) täglich das Bein stoße.
Schön war’s! Foto: Frannie, 2008
Saboteur Nummer 2: Sentimentale Gedanken
Letztes Jahr habe ich bewusst während des Ausmistens meines Kleiderschranks Klamotten und Schuhe, egal ob selbstgenäht, teuer oder Stücke, die ich irgendwann mal ändern muss, in eine bestimmte Ecke geräumt. Die Idee dahinter war zu sehen, wie häufig ich sie im laufenden Jahr anziehe oder überhaupt an sie denke. Natürlich hat es nicht einmal die Hälfte davon geschafft, über die sentimentalen Gedanken hinaus noch einmal in meinen Fokus zu treten! Das ist absurd. Und deshalb sind dieses Jahr bereits 8 Kleidersäcke entsorgt oder zur Kleider- bzw. Schuhspende gebracht worden! Und da das mit den Klamotten schon so einfach war, werde ich das nun auch mit all den anderen „Behältern sentimentaler Gedanken“ tun!
Zu viele Hobbies? Hier: Meine Häkelkatzen. Während meiner Diät habe ich unzählige davon gemacht!
Saboteur Nummer 3: Wunschvorstellungen
Es gibt eine große Box in meinem Stoffregal (dem feisten Teufel!), die aus aussortierten T-Shirts, Hemden, Handtüchern etc. besteht. Damit ich nicht vergesse, was diese stetig wachsende Ansammlung an „Scheiße, was ist das denn alles?“ ist, habe ich die Box, ebenfalls im letzten Jahr, artig mit „Upcycling“ beschriftet. Nur schade eigentlich, dass ich gar nicht weiß, was ich damit Upcyclen möchte! Immerhin habe ich aus einem guten Teil alter Handtücher Make-Up Pads, Wasch- und Spüllappen gemacht, den Rest jedoch habe ich den Hasen gegeben. Nibbel Nibbel. Good-Bye! Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich auch in Zukunft genug Dinge aussortiere, die man genauso gut zum Upcyclen nehmen kann!
Ach so! Und all die UFOs (UnFertige Objekte) aus früheren Nähaktionen haben auch das Zeitliche gesegnet. Oder wenigstens viele davon. Den Badeanzug mache ich noch fertig.
Puppenmode. Zwischen 2009 und 2012 habe ich allein 120 dieser Twiggy-Kleidchen genäht.
Saboteur Nummer 4: Abgelegte Hobbies
Ich bin jemand, der sich in seine Hobbies so richtig schön reinhängt. Es ist für alle Eventualitäten gesorgt, sollte ich irgendwann einmal irgendeine Idee haben, bin ich mir sicher, dass ich sämtliches Material hier habe! Ich habe zu viele Öle, vor allem ätherische, zu viel Wolle, zu viele Stoffe und einen ganzen Wandschrank voller Vintage-Zeitschriften, Kameras (analog und digital), Objektive, einen Belichter für Schwarz-Weiß-Fotos, eine Staffelei, ein Regal voller Farben, wandgroße Acrylgemälde und viel zu viele Blythe Puppen inklusive Inventar und eigener Stoffsammlung.
Ich nähe aber keine Puppenkleider mehr. Und fotografieren tue ich sie auch nur noch selten. Genausowenig mache ich noch analoge Fotos, geschweige denn, dass ich sie selbst belichte. Die drei alten Nikon-Kamera Bodies (schon digital) und unsere ach so wertvolle Sony Digicam aus dem Jahr 2000 machen schlechtere Fotos bzw. Videos als mein iPhone. Junk! Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, egal, was dich mal interessiert oder für was du super viel Geld gezahlt hast. Weg damit!
Zwischengedanke Ich frage mich jetzt schon, was ich mit all den praktischen Boxen machen soll, wenn sie erst mal leer sind!
Puppenfotografie. Eine eigene Welt!
Saboteur Nummer 5: (Impuls)-Shopping
Ich „shoppe“ ja nun schon einige Jahre nicht mehr so richtig. Ich meine Shoppen im Sinne von durch die immer gleichen Geschäfte in immer gleichen Malls hetzen und immer gleiche Kleidung kaufen, die gerade so passt oder nicht ganz so hässlich ist wie die, die sie hier normalerweise haben. Stattdessen nähe ich, da kann ich mir auch sicher sein, dass es mir passt und gefällt. Aber natürlich komme auch ich nicht ohne die üblichen Verdächtigen aus. Auch ich brauche Unterwäsche (ja, die kaufe ich noch), Strumpfhosen, Sportsachen und Einrichtungsgegenstände. Ikea. Verdammt noch mal! Da fährste hin, um dir Ersatzbirnen für die Küchenbeleutung zu holen und kommst mit einem neuen Schrank nach Hause. Übertrieben gesagt. Meistens ist es neue Bettwäsche, ein Kissen für die Katzen, Decken, weil’s so kalt ist… ihr wisst, wovon ich spreche. Doof!
Bisherige Erfolge
Ruhe finden.
Damit ich nicht in ein paar Tagen doch den Mut verliere, möchte ich zum Abschluss hier noch ein paar persönliche Ausmist-Erfolge aus den letzten Jahren aufzählen.
1. Mehr Zeit zum Leben Eine der besten Entscheidungen meines Lebens war 2006 dem Fernseher den Laufpass zu geben. Wir vermissen beide die Kiste keinen Fatzen. Im Gegenteil! Es ist eine Wohltat, nicht mehr von dieser Gülle abhängig zu sein! Meine Herren, ich habe ja sogar „Deutschland sucht …“ aka. „Germany’s next…“ aka. „Alternde Z-Promis machen Kinder runter“ angeschaut, nur weil es lief! Braindead (also nicht der Film, der Zustand).
2. Platz im Kleiderschrank macht Platz im Kopf Kaum zu glauben, aber wahr: Es gibt wieder Platz und freie Kleiderbügel in meinem Schrank. Früher habe ich mir eingebildet, dass ich nichts mehr zum Anziehen hätte, wenn ich „alles wegschmeiße“, aber genau das Gegenteil ist der Fall! Ich sehe endlich, was ich habe, entdecke Teile neu und habe wieder Lust auf neue Näh-Ideen! Das war nämlich auch so eine Sache: Ich hatte keine guten Ideen mehr, habe mich selbst kopiert, konnte mit dem neuen ebenso wenig anfangen wie mit den anderen Kleidern, die ich genäht, aber nicht angezogen habe. Aber jetzt ist wieder Platz, drinnen und draußen!
3. Geld und eine kleine Erleuchtung statt Bürde Jeder von uns besitzt wahrscheinlich Dinge, die einem anderen Freude brächten, während sie einem selbst zur Last fallen. Mir geht es so mit den Puppen und dem ganzen Schnickschnack, mit dem ich sie über Jahre hinweg in Szene gesetzt habe. Ich hatte immer Angst, auch die Erinnerung an die Menschen, Begebenheiten und Veranstaltungen zu verlieren, wenn ich die Puppen verkaufe, ich musste mich so richtig zwingen damit anzufangen. Und siehe da: Die ersten sind weg, ich lebe noch, meine Freunde, nah und fern, sind immer noch meine Freunde (und halten mich auch nicht für einen herzlosen Puppenhändler) und zu allem obendrauf habe ich Geld zurück bekommen. Mal abgesehen von der willkommenen Finanzspritze, hatte ich dadurch eine wirklich wichtige Erkenntnis:
Ich besitze etwas, was andere haben wollen, kann es aber nicht sehen.
Was wiederum meine Theorie bestätigt, dass die Umgebung eines Menschen seine Person ausmacht! Wenn wir unsere Umgebung verändern, verändern wir uns selbst!
In diesem Sinne: Ausmisten! Wer macht mit?
Weg vom Weg!