Quelle: Margarete Feuer
Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von Hubertus Halbfas erzählen:
„Die Mitte liegt in Dir!“
„Es träumte ein Kind, es solle sich auf den Weg machen und die Mitte der Welt suchen. Da sagte es Vater und Mutter Lebewohl und zog in die Ferne.
Nachdem es eine Weile gegangen war und in eine fremde Landschaft kam, fragte es einen Bauern nach dem Weg zur Mitte der Welt.
„Da musst Du immer geradeaus gehen!“, sagte dieser.
Also ging das Kind einen geraden Weg und ließ sich durch nichts ablenken.
„Da musst Du über das große Wasser hinweg!“, sagte ihm ein Fischer, als es schließlich ans Meer kam.
Das Kind dachte, dass es eher an den Rand der Welt als in deren Mitte gekommen sei, und zweifelte an seinem Weg. Es gab aber nicht auf, sondern suchte ein Schiff, mit dem es übersetzen konnte.
„Da musst Du durch die Wüste hindurch!“, sagte auf der anderen Seite des Meeres ein kluger Mann.
Aber die Wüste war weit und heiß.Das Kind ging einige Tagesreisen weit, dann traf es eine Karawane.
„Wo geht es weiter zur Mitte der Welt?“, fragte das Kind:
„Es gibt keine Mitte“, sagten die Kameltreiber, „wo immer Du bist, bist Du draußen.“
Das Kind ließ sich aber nicht beirren und ging weiter in die Wüste hinein.
Schließlich begegnete es einem Einsiedler.
„Wo geht es weiter zur Mitte der Welt?“, fragte das Kind.
„Die Mitte der Welt ist nicht hier und nicht da, sie ist überall.“
Eine Mitte kann nicht überall sein“, antwortete das Kind und zog seines Weges weiter.
Nun begegnete es keinem Menschen mehr.
Endlos dehnte sich der Sand, der Himmel spannte sich flimmernd darüber, unbarmherzig brannte die Sonne, nirgendwo war ein Richtpunkt als nur das Kind inmitten der Einsamkeit.
Da hielt es inne und dachte:
Es lohnt sich nicht weiterzugehen. Ob ich mich nun vor oder zurück, nach links oder rechts bewege, immer bin ich in der Mitte der Wüste.Da wanderte das Kind zurück zu seinen Eltern.
Es wusste: Die Mitte liegt in mir. Überall kann ich die Mitte der Welt finden.“
Ihr Lieben,
unsere heutige Gute-Nacht-Geschichte ist sehr feinsinnig,
weil sie uns ganz deutlich den Werdegang eines Menschen aufzeigt.
Wenn ein junger Mensch zu einem reifen verantwortungsvollen Erwachsenen heranreifen soll, dann muss irgendwann einmal Vater und Mutter verlassen,
um seinen eigenen Weg zu finden.
Das bedeutet nicht immer, dass sich das Kind wie in unserer Geschichte auf einen echte Weltreise begeben muss, sondern, dass es sich zumindest auf eine gedankliche Reise begeben muss, um zu sich selbst zu finden.
Es muss eine eigenen Gedanken, seine eigene Meinung entwickeln
und seinen eigenen Weg gehen.
Die Gefahr auf diesem Weg ist, dass das Kind vielen Menschen begegnet.
Jeder dieser Menschen wird ihm einen anderen Rat geben, wo die Mitte der Welt zu finden ist, nach der sich jeder Mensch sehnt.
Schon mein Jugendfreund Hans-Christoph sagte immer:
„Wenn Du in einer wichtigen Frage zehn Menschen um ihre Meinung bittest, bekommt Du zehn verschiedene Antworten. Entscheidend ist aber, dass Du selbst die Antwort findest!“
Das Kind in unserer Geschichte hat - und das war sein Reifeprozess – am Schluss entdeckt, dass es die Mitte niemals finden kann, wenn es hierhin und dorthin reist, sondern dass die Mitte der Welt und des Lebens ins ihm selbst zu finden ist.
Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass auch Ihr diese Mitte in Eurem Herzen findet, dass Ihr zur Ruhe kommt und erkennt:
„In mir ist die Mitte, in mir ist das Leben, in mir ist ein Schatz verborgen, in mir ist die Freude, in mir ist die Zuversicht, in mir ist die Hoffnung, in mir ist das Glück, in mir ist die Liebe – was könnte ich wohl Schöneres sonst in der Welt finden?“
Ich wünsche Euch eine gute und erholsame Nacht und morgen einen fröhlichen zupackenden Tag
Euer fröhlicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen