Finanztrick aus der Worthülsenfabrik

Erstellt am 8. Juni 2012 von Ppq @ppqblog
Wenn das mal nicht wieder ein brandheißes Geschoss aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) ist! Eine Vokabel, von der alle uneingeschränkt begeistert sind, die konkret klingt und doch völlig wage ist – bereits vor der Einführung einer neuen Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen steht der Gewinner fest: Das Team der Worthülsenfabrik hat es wieder einmal geschafft, die Medien sind hingerissen, Politiker nutzen die neueste Bundesworthülsenneuschöpfung, als sei sie altes deutschen Spracherbe.
"Finanzmarktbesteuerung" ist aber auch unwiderstehlich, eine Buchstabenkombination, die es möglichen Gegnern einer solchen neuen Steuer in der Öffentlichkeit nahezu unmöglich macht, ihre Position zu verteidigen. Denn Finanzmärkte, darüber herrscht in Deutschland Konsens, sind per se böse, widernatürlich, sie tendieren zur Menschenfeindlichkeit und werden nur von Reichen bevölkert, die ihre Yachten mit dem Blut unschuldiger Billiglöhner zu streichen pflegen.
Muss besteuert werden, möglichst zu hundert Prozent, so ist es Volkes Wille. Die Schwierigkeit, die die Politpoeten der Worthülsenfabrik formulierungtechnisch ausblenden mussten: Kann man einen Markt besteuern? Weder Blumen- noch Käsemärkte, weder Mittelalter- noch Finanzmärkte zahlen selbst. Regelmäßig werden mit Steuern und Abgaben folglich nicht von den Märkten, sondern von den Marktteilnehmer beglichen. So zahlt die Standgebühr auf dem Wochenmarkt ja nicht "der Wochenmarkt" (wer ist das überhaupt?), sondern der jeweilige Standbetreiber. Auch die Umsatzsteuer vom Bananen-Uli übernimmt nicht dessen Verkaufswagen, sondern der, der Bananen kauft.
Die „Finanzmarktbesteuerung“ zielt darauf ab, die zur Kasse zu bitten, die Wertpapiere, Fonds oder Zertifikate kaufen, um aus ihrem Einkommen Vermögen zu bilden auf dass sie am Ende ihrer Tage nicht auf staatliche Almosen angewiesen sind. Dieselben Menschen gehören – und darin zeigt sich die Meisterschaft, zu der es die Bundesworthülsenfabrik gebracht hat – zu den eifrigsten Befürwortern einer solchen neuen Steuer: Blauäugig glauben sie tatsächlich, dass der Begriff der Finanzmarktbesteuerung meint, ein anonymer "Finanzmarkt" wird besteuert - und nicht wie bei jeder Umsatzsteuer der Endkunde.
Ein beeindruckender Erfolg einer Pressekampagne, die ganz auf der formulierungstechnisch grundierten Vernebelungskraft des Siebensilbers aus der Bundesworthülsenfabrik beruht. Inzwischen befürwortet eine Mehrheit der Bürger in Deutschland die Einführung der neuen Steuer, die sie selbst werden bezahlen müssen. Rainald Schawidow, Chef der BWHF, ist zufrieden: "Glücklich ist", sagt er, "wer vergisst, was nicht zu begreifen ist".