Finanzmärkte als Gegner

Exemplarisch für das große Missverständnis, mit dem die Wirtschaftspublizistik in den letzten Jahren durch die Blätter schifferte, ist ein aktueller Kommentar von FAZ-Sachkundiger Heike Göbel. Besser gesagt, es ist gar nicht der gesamte Kommentar, der ein Schlaglicht auf den Trugschluss wirft - schon ein Nebensatz, ja der Teil eines Satzes genügt hierzu. Aufhänger ist Sigmar Gabriels verbales Moritat auf die Finanzmärkte, die er als Gegner titulierte. Wer das tut, der stellt "irgendwann das ganze Wettbewerbssystem in Frage", orakelt Göbel.

Die Expertin bringt da zweierlei Wirtschaften zusammen. Sie tut so, als seien die Finanzmärkte ein stinknormaler Teil der Ökonomie. Wertschöpfer, wie Handwerk oder Industrie; Produktivkräfte, die materielle Wertschöpfung herstellen; Konsumgüter oder Dienstleistungen, die benötigt werden - und daneben inter pares: die Finanzmärkte. Mit dem in Gefahr befindlichen Wettbewerbssystem meint Göbel die wettbewerberischen Scharmützel zwischen wertschöpferischen Marktteilnehmern. Vermutlich meint sie nicht mal Konzerne, denn die sind monopolisiert und oligarchisiert genug, um über jede Wettbewerberei erhaben sein zu können - die stehen sich schlechtestenfalls selbst im Weg. Sie meint kurz und knapp, wahrscheinlich zu kurz, zu knapp gesagt: mittelständische Unternehmen.

Die sind aber nicht ein Aspekt der Ökonomie wie es die Finanzmärkte sind. Letztere sahnen ab, machen aus Nichts etwas, leben von den erarbeiteten Gewinnen der Wertschöpfungskette. Von den Risiken, ihrem ursprünglich angedachtem Metier, haben sie abgestillt, sie wurden sozialisiert. Gewinne hingegen bleiben privatim. Menschliche Arbeitskraft wird auf den Finanzmärkten vernichtet. Arbeitsleistung gilt auf den Finanzmärkten gar nichts - in der Wertschöpfung ist sie maßgeblich. Dort wird sie paradoxerweise jedoch immer schlechter bezahlt, was auf das Renditendelirium der Shareholder rückführbar ist. Natürlich benötigen Projekte Finanziers - die sind aber an die Leine zu nehmen. Und ohnehin bedeutet Finanzmärkte nicht Finanzierung. Sie bedeuten Spekulation mit allem was möglich ist, selbst mit Lebensmitteln. Reibungsloser Reibach - wundersame Geldvermehrung - Gewinne, die durch Arbeit niemals erwirtschaftbar würden.

Die Finanzmärkte sind nicht eine Säule der Ökonomie neben anderen - sie haben sich von real geleisteter Arbeit abgekoppelt. Wer die Finanzmärkte daher zum Gegner erklärt, der rüttelt nicht an der Marktwirtschaft. Gabriel ist in diese Richtung ohnehin unverdächtig. Er stellt nur klar, dass bestimmte Teil der amtierenden Ökonomie in Sphären abgehoben sind, in denen das Allgemeinwohl nicht mehr vorkommt.


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