Finanzkrise: Haben die Banken zu viel Kredit vergeben?


Überall liest man, die Finanzkrise sei dadurch entstanden, dass die Banken (in den USA, aber auch in einigen anderen Ländern) zu viel Kredit vergeben hätten.
In DIESER Form stimmt das auch: Immer mehr Kredite gingen an Schuldner, deren Einkommen nicht zu einer Rückzahlung ausreichte. 

Das trieb Banken in die Pleite, oder hätte sie insolvent werden lassen, wenn nicht der Staat die Finanzinstitute gerettet hätte. (In den USA sind sehr viele Banken in die Insolvenz gegangen; allerdings nur kleinere: Die großen hat die US-Notenbank, die Federal Reserve Bank - Fed - gerettet, oder die US-Regierung. Und in Europa haben die Regierungen fleißig Banken gerettet; in die Insolvenz hat man - wohl mit Ausnahme von Zypern - kaum eine gehen lassen.
Diese Betrachtungsweise beschränkt das Problem, ob die Banken "zu viel Kredit" vergeben haben, auf finanzwirtschaftliche Dimension. Um allerdings die gesamte Wirtschaft in den Blick zu bekommen, muss man der Frage eine umfassendere Bedeutung geben.
Ohne Geld funktioniert unsere Wirtschaft nicht; es ist das Geld, das zwischen Angebot und Nachfrage vermittelt: Wer das nicht hat, kann nichts kaufen, und wenn nichts gekauft wird, stehen "alle Räder still" - obwohl das in diesem Falle der "starke Arm" der Arbeiter ganz und gar NICHT will: Das ist sozusagen ein Systemfehler. (Aber keiner des "Geldsystems", sondern ein Fehler des Eigentumssystems!)
Geld wird heutzutage im Kreditwege geschöpft (und dafür gibt es gute Gründe; denn, anders als viele meinen, erhält es seine Deckung gerade erst dadurch, DASS es "Schuldengeld" ist).
Das bedeutet umgekehrt, dass die Volkswirtschaften nur dann überhaupt "rundlaufen" können, wenn genügend Geld "am Markt" ist.
In DIESEM Sinne hätten die Banken also nur dann "zu viel" Kredite vergeben (= Bankengeld geschöpft), wenn es zu einer Überhitzung der Weltwirtschaft oder zumindest einzelner Wirtschaften gekommen wäre.
Das haben wir aber nicht gesehen, auch nicht in den USA. Die Wirtschaft lief gut bis es zur
Finanzkrise kam. (Erste Anzeichen für eine Hypothekenkrise gab es wohl schon 2005; im Jahr 2007 waren erste Banken betroffen und im September 2008 wurde die Krise mit der Insolvenz der Lehman-Bank dann für alle sichtbar.)
Nachdem es keine Überhitzung (Inflation usw.) gab, kann man also in REALwirtschaftlicher Hinsicht NICHT behaupten, dass die Banken zu viele Kredite vergeben hätten.

Aber meine Behauptung, die Banken hätten FINANZwirtschaftlich zu viele Kredite vergeben, REALwirtschaftlich aber genau die richtige Menge, bringt uns in die Bredouille.
Wie soll denn eine Wirtschaft funktionieren, wenn sie nur um den Preis funktioniert, dass die Banken bei ihrer Kreditvergabe gradewegs in die Pleite steuern?
Woraus lässt sich die Diskrepanz erklären; wie kann man in der Zukunft die finanzielle Gesundheit der Banken mit einer gesunden Realwirtschaft, die ihr Produktionspotential ausschöpfen kann, vereinbaren?
Eine Erklärung könnte die sog. "Unterkonsumtionstheorie" liefern (die ich freilich lieber "Unternachfragetheorie" nennen möchte, weil zumindest theoretisch eine mangelnde Konsumnachfrage durch eine größere Investitionsmenge kompensiert werden kann):

  • Die einen (das sind mit Sicherheit die "Superreichen", können aber auch Pensionsfonds und sparsame Völker - Deutsche Sparer, chinesische Wanderarbeiter - sein) legen ihr Geld auf die Hohe Kante. Dadurch fehlt es der Realwirtschaft an Nachfrage; die Sparer "veruntreuen" sozusagen das Geld, indem sie es dem realwirtschaftlichen Kreislauf entziehen.
  • Die dadurch fehlende Nachfrage in der Realwirtschaft lässt sich ausgleichen, indem die Banken entsprechend mehr Kredite vergeben. Dem Verkäufer ist das egal, ob die Nachfrage aus dem kommt was ich (zur Unterscheidung vom Kredit) als "Eigengeld" bezeichne (also Geld, dass man als Bezahlung für eigene Arbeit usw. erhalten hat) oder aus Krediten.
  • Dadurch kann das sogenannte Sparparadoxon für eine ganze Weile ausgehebelt werden. Entgegen dem ersten Anschein ist es durchaus machbar (durch den Kreditmechanismus), dass immer mehr Geld gespart wird ("Überakkumulation"), ohne dass es zu einem Zusammenbruch der Realwirtschaft kommt.
  • Freilich verschlechtert sich dadurch, ohne dass das zunächst für die Beobachter sichtbar wird, die Bonität der Schuldner. Wer einen Kredit (einschließlich der Zinsen) nur noch aus einem neuen Kredit tilgen kann, weil er mangels Nachfrage der "Eigengeldbesitzer" selber nicht an "Eigengeld" kommt, der setzt auf eine sog. "Ponzi"-Finanzierung, ein kreditäres Pyramidenspiel.
Aktuell versuchen die Notenbanken, durch eine Ausweitung der Geldmenge die Krise zu bekämpfen, d. h. sie versuchen, den potentiellen Schuldner (Staat, Unternehmen und Privaten) NOCH MEHR Kredite aufzudrängen.
Eine solche Geldpolitik lässt sich logisch nur dann rechtfertigen, wenn man die Finanzkrise für einen "Betriebsunfall" hält. Also eben dann, wenn man glaubt, dass das Problem nur dadurch entstanden ist, dass die Banken zu sorglos waren, und dass ansonsten alles Bestens gelaufen wäre.
Genau das aber halte ich für einen Irrtum; für mich liegt hier ein Systemfehler vor. Wir haben es mit einer Überakkumulation der Geldbesitzer zu tun. Die legen ihr Geld zwar nicht unters Kopfkissen; sie verleihen es an die Finanzwelt, die dadurch ihrerseits zunächst keine Probleme hat, die Kreditmenge auszuweiten.
Bis die eigentliche Problemdimension sichtbar wird: Die (systemisch zwangsläufig) ständig sinkende Bonität der Kreditnehmer.
Derzeit wird dieser Systemzustand überlagert (und für die Beobachter verdeckt) durch die ständige Geldmengenausweitung der Notenbanken. Deren Zentralbankgeld wird auf Englisch auch "high powered money" genannt, weil es die Zaubermacht besitzt, die Menge an Bankengeld noch weitaus mehr aufzublähen. Ein Spiel, das schon lange vor der Finanzkrise begonnen hat (die Geldmengen sind im Verhältnis zur Realwirtschaft schon seit Jahrzehnten überproportional gestiegen), das sich aber sicherlich nicht bis in alle Ewigkeit durchhalten lässt.
Irgendwann bricht erneut eine Krise aus, und irgendwann muss auf irgendeine Weise die überschüssige Geldmenge wieder abgeschöpft werden.

Die Frage wird dann sein, bei WEM sie abgeschöpft, d. h. wer und auf welche Weise dann enteignet wird.
Grundsätzliche sehe ich insoweit -3- Alternativen:
  1. Finanzinstitutionen gehen in die Insolvenz, Einleger verlieren (teilweise) ihr Geld. Sofern man die Kleinsparer (vielleicht bis 100.000,- €) davon ausnimmt, erscheint das sozial gerecht. Andererseits gehören solche Einlagen nicht zwangsläufig dem dicken Kapitalisten mit der Zigarre; ebenso gut kann es sich um Gelder handeln, die eine Firma braucht, um am nächsten Monatsende die Löhne zu zahlen.
  2. "Inflation". Genau genommen ist es allerdings noch nicht (bzw. nicht für die gesamte Geldmenge) die Inflation selber, welche die Geldbestände entwertet. Entscheidend ist insoweit vielmehr eine negative Realverzinsung (der Guthaben, nicht der Kredite. Insoweit muss "der" Zins keineswegs real negativ sein; es kommt immer darauf an, was genau man damit meint!). Eine Inflation entwertet alle Geldbestände (im Verhältnis zur Gütermenge: Man kann mit derselben Geldmenge weniger kaufen). Aber soweit die Gelder verzinslich angelegt sind, muss auch der Realzins (Verzinsung nach Abzug der Inflationsrate) negativ sein, sonst klappt das insofern nicht mit der Geldentwertung.
  3. Und schließlich ein direkter Zugriff auf die Gelder im Wege einer konfiskatorischen Besteuerung. John Maynard Keynes hatte dazu sehr hohe Erbschaftssteuern vorgeschlagen; das scheint mir in der Tat der beste Weg zu sein, um die ganz großen Geldhorte aufzulösen und das Geld (via Staatsausgaben oder Steuersenkung für die "Kleinen", die ihr Geld ausgeben, statt zu horten) wieder in die Realwirtschaft zurückzuspeisen.

ceterum censeoZerschlagt den €-Gulagund den offensichtlich rechtswidrigen Schlundfunk der GEZ-Gebühren-Gier-Ganoven! 
Textstand vom 30.06.2014. Für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden im Laufe der Zeit teilweise aktualisiert bzw. geändert.

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