Finanzkrise: Grenzen des Wachstums und die Zinsproblematik

Erneut war bei den NachDenkSeiten (vgl. unter 7.) eine Kritik zu lesen, die sich gegen die vermeintliche “Zinsverschwörungstheorie” richtet. An und für sich ist der Zins in jedem Preis für Realgüter (Produkte, Leistungen) bereits durchschnittlich mit 40 % bis 50 % anteilig enthalten. Alleine diese Tatsache macht deutlich, dass der Autor dieser unhaltbaren These Nachholbedarf in den grundlegenden volkswirtschaftlichen Zusammenhängen hat.

der paperblog-Autor cangrande hat in einem Artikel den Bank-Run 1931 beschrieben und dort auch einige Zusammenhänge mit der “Zinsfrage” aufgezeigt.

Zum “Eurorettungsschirm” schreibt der Autor folgendes:

Ein Eurettungsschirm, der sich unbegrenzt bei der EZB finanzieren dürfte, hätte aus Sicht der Krisenländer denn auch genau diesen Zweck: Die Kreditzinsen herunterzusubventionieren, in die Nähe des deutschen Niveaus. (Vgl. auch meinen Blott "EZB-Finanzierung des ESM: Wie geht das – und was geht dann ab?".)

Offenbar ist dem Autor der NachDenkSeiten, der so gerne und rasch von “Verschwörungstheorien” schreibt, wenn der ZINS unter die Lupe genommen wird, entgangen, dass z.B. eine Volkswirtschaft wie die der Griechen endgültig zusammenbrechen muss, wenn Zinsen in Höhe von 17 % abverlangt werden.

Ganz allgemein ist darauf hinzuweisen, dass die “Verteilungsfrage” bei dem angemessenen Zins beginnt, denn der Zins muss aus den Leistungen der Arbeitnehmer und Unternehmen (reale Produkte und Leistungen) erarbeitet werden.

Das macht entgegen der durchscheinenden Auffassung der NachDenkSeiten deutlich, dass der Zins jahrelang (gezielt und gesteuert) unbeachtet blieb, damit die Bürger, schon gar nicht die Studenten der Ökonomie, die Bedeutung des Zinses erkennen und sich damit nicht intensiv befassen.

Zu erinnern ist daran, dass noch vor wenigen Jahren in Deutschland der “Wucherzinsparagraph” (Zinsen > 4 %) im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) kodifiziert war. Es könnte einmal Sinn machen darüber nachzudenken und zu recherchieren, mit welchen “windigen Argumenten” dieser aus heutiger Sicht sinnvoll erscheinende “Grenzzinssatz” beseitigt wurde!

Karl Georg Zinn veröffentlichte bei Le Monde diplomatique (deutsche Ausgabe) einen lesenswerten Artikel  unter folgender Überschrift:

Sättigung oder zwei Grenzen des Wachstums

Er räumt darin mit dem Märchen auf, dass eine “entwickelte Volkswirtschaft” aufgrund der “endogenen Wachstumsabschwächung” hauptsächlich auf WACHSTUM setzen kann! Eine Erkenntnis, die auf Analysen von John Maynard Keynes zurückzuführen ist.

Wer in der Politik im Wesentlichen auf Wachstum setzt, wie derzeit die Bundesregierung, der offenbart entweder mangelnden ökonomischen Sachverstand oder den Willen, mit aller Macht die neoliberale Umverteilung von unten nach oben als eine Krisenursache unbedingt erhalten zu wollen.

Karl Georg Zinn beschreibt diesen Aspekt wie folgt:

Dieselben Politiker, Banker und Manager samt den Heerscharen besser verdienender Lobbyisten und Thinktanker, die seit den 1980er-Jahren die Überliberalisierung auf nationaler und internationaler Ebene vorangetrieben und staatliche Interventionen verteufelt hatten, scheinen neuerdings eine Kehrtwende vollzogen zu haben. Doch der Schein trügt. Die Wirtschaftseliten haben keineswegs auf einmal das Gemeinwohl für sich entdeckt, dem sie nun mit echten Reformen aufhelfen wollen. Warum auch? Die vergangenen 30 Jahre der Umverteilung von unten nach oben, die auf der globalen Expansion kapitalistischer Praktiken und der Schwächung der arbeitenden Bevölkerung und ihrer gewerkschaftlichen Vertretungen beruhte, waren für die Kapitaleigner und ihre Klientel eine glänzende Epoche. Und so soll es möglichst weitergehen – trotz und wegen der großen Krise. Dazu braucht die kapitalistische Wirtschaft heute wieder den Staat: zum einen, um die Verluste zu sozialisieren, und zum anderen, um den Wahlbürgern weiszumachen, dass alles nur ja zu ihrem Besten geschehe.

Und die folgenden Sätze sollten auch die NachDenkSeiten beherzigen, wenn es um den ZINS geht:

Um eine solche gegen die breite Mehrheit der arbeitenden Menschen gerichtete Politik durchsetzen zu können, bedurfte und bedarf es stets wirkungsvoller Ideologiearbeit. Jahrelang wurde der Neoliberalismus propagiert. Jetzt, in Zeiten der Krise wird wieder hervorgeholt, was die englische Wirtschaftswissenschaftlerin Joan Robinson als "Bastardkeynesianismus" bezeichnet hat. Denn das, was die Medien und politischen Propagandisten landauf, landab als den Keynesianismus präsentieren, ist nicht einmal die halbe Wahrheit: Zum einen wird weder die Keynes’sche Analyse der langfristigen Entwicklung des Kapitalismus noch seine Prognose abnehmender Wachstumsraten thematisiert oder gar wirtschaftspolitisch aufgegriffen. Zum anderen sind die Wendehals-Keynesianer unserer Tage offenbar nicht in der Lage, die Pfadabhängigkeit der gegenwärtigen Krise zu begreifen.

Dass wir es zunehmend neben der “Finanzkrise” auch mit einer “Krise der Realwirtschaft” zu tun haben, wurde von den neoliberalen Umverteilungspolitikern, den Stützen der toxischen Spekulationsgeschäfte, weitgehend verdrängt.

Dazu schreibt Karl Georg Zinn zutreffend:

Die realwirtschaftliche Krise ist somit nicht nur als Reflex auf die Finanzkrise zu sehen. Wir erinnern uns: Bereits seit Anfang der 1980er-Jahre hatten die meisten hoch entwickelten kapitalistischen Länder so schwache Wachstumsraten, dass sie außerstande waren, Vollbeschäftigung auch nur annähernd wiederherzustellen. Den großen Volkswirtschaften der EU ist es nicht einmal gelungen, den Abwärtstrend der tatsächlichen Beschäftigung zu brechen.(4) Aufgrund ihrer Fehleinschätzung widersetzten sich die EU-Vertreter – allen voran die deutsche und die französische Regierung – auf dem Londoner Weltfinanzgipfel am 2. April 2009 einem international abgestimmten Konjunkturprogramm, also einem koordinierten Vorgehen der Industrieländer zugunsten einer realwirtschaftlichen Expansionspolitik.

Damit analysierte er zutreffend, dass das “Beschäftigungsproblem ohne Rückgriff auf Wachstum gelöst werden muss”, eine Erkenntnis, von der unsere neoliberalen Träumer und Umverteiler meilenweit entfernt sind.

Ganz im Gegenteil, die neoliberale Umverteilungspolitik, die die Massenkaufkraft signifikant in den zurückliegenden 20 Jahren absenkte, die steuerliche Entlastung der Reichen und Superreichen, die letztlich zu den toxischen Spekulationen wesentlich beitrug, war diametral das Gegenteil einer notwendigen Gegensteuerung wachstumsschwacher entwickelter Volkswirtschaften. Darüber durfte auch nicht die “anfänglich” hohe Nachfrage Chinas hinwegtäuschen.

Keynes sah zutreffend folgende Politikfelder zum Ausgleich bzw. Abmilderung der “systemischen Wachstumsschwäche” entwickelter Volkswirtschaften:

1. Steigende Durchschnittseinkommen bei anhaltendem Produktivitätswachstum = Anhebung des Massenkonsums durch gleichmäßige Einkommensverteilung.

2. Erhöhung der Staatsquote ( Stichwort: Weiterentwicklung des kulturellen Entwicklungsstandes; Bildung, Forschung usw.).

3. Arbeitszeitverkürzungen.

Dass “unbegrenztes Wirtschaftswachstum” unmöglich ist, hatten bereits die Forscher des “Club of Rome” (Grenzen des Wachstums) vor Jahrzehnten verkündet.

Vergleicht man die Ergebnisse der volkswirtschaftlichen Forschung aus den 30er und 40er Jahren mit der zurückliegenden neoliberalen Politik der Umverteilung von unten nach oben seit Helmut Kohl (CDU) dann wird deutlich, dass diese Politik die heraufziehende Finanzkrise und Krise der Realwirtschaft erheblich verschärft hat.

Dass man mit dieser Politik gleichzeitig zu den volkswirtschaftlichen Verwerfungen in der Südschiene der EU maßgeblich beigetragen hat, dürfte selbst dem ökonomischen Laien so langsam klar werden.

Die Gier und Abzockermentalität, die politische Duldung und gar Förderung der Steueroasen und die Freibriefe für die Steuerkriminellen ist Ausfluss dieser gefährlichen neoliberalen Politik, deren ideologische Steigbügelhalter, nämlich unter Anderem die FDP, viel Unheil angerichtet haben.

Mit dem Euphemismus, die Problematik auf den “Schuldenstand” zu reduzieren und gleichzeitig den EU-Einheitsstaat durchzusetzen zu wollen, damit auch die Umverteilungspolitik von unten nach oben zementiert werden kann, setzen insbesondere Deutschland und Frankreich gezielt auf die Verarmung immer breiterer Bevölkerungsschichten in Europa.

Während Keynes für eine ausgewogene Einkommensverteilung aus “ethischen Gründen” plädierte, wollen die eiskalten, die Menschen verachtenden Vertreter des neoliberalen Zeitgeistes ihren c.p. volkswirtschaftlich gefährlichen, leistungslosen Wohlstand erhalten.

Darum geht es in diesen Tagen und Wochen.

Ob das BVerfG am 12. September 2012 dieser für die Demokratie “toxischen” und an den “Feudalismus” erinnernden Politik einen Riegel vorschiebt, bleibt abzuwarten.

Allerdings sind auch die Bürger dafür verantwortlich, ob die Politik der Umverteilung von unten nach oben noch eine Zukunft hat; sie entscheiden darüber demnächst (Volksabstimmung oder Bundestagswahl), ob ihre Kinder zukünftig in Armut leben müssen, weil eine kleine Schicht Reicher und Superreicher auf EU-Ebene die bereits jetzt existierende Despotie im Sinne demokratisch nicht legitimierter Machtausübung weiter ausbauen kann.

Es ist der mündige Bürger gefragt, der diese Entwicklung noch aufhalten kann.

Die Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht umgekehrt die Menschen für die Wirtschaft bzw. einer kleinen Schar Gieriger und Abzocker.

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