“Betongold. Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam” (Film von Katrin Rothe)
Gestern gab es ja als Alternative zum Champions-League-Finale in der Volksbühne nicht nur den Tag des Mieter (der zumindest bei der Podiumsdiskussion am Abend recht eindeutig ein Tag der Mieterinnen war), sondern auch die Prämiere von Katrin Rothes neuem Film: “Betongold. Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam”.
Für alle, die diese Gelegenheit verpasst haben, gibt es eine zweite Chance:
Arte, Donnerstag (30.05.) 23:30 Uhr: “Betongold. Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam“
In der Ankündigung des Fernsehsenders heisst es:
Vor sechs Jahren wurde die globale Finanzkrise durch amerikanische Immobilienkrediten ausgelöst. Jetzt droht die nächste Immobilienblase (…) Der Dokumentarfilm erzählt emotional und berührend die Geschichte einer Hausgemeinschaft, die plötzlich in den Strudel des Immobilienhypes gerät. Mit ihrer Kamera hält die Ich-Erzählerin den monatelangen Kampf der Mieter gegen Einschüchterungen und Schikanen fest.
Was sich zunächst anlässt wie eine Selbstporträt einer einer räumungsbedrohten Mieterin, entwickelt sich zu einer eindrucksvollen Dokumentation des Geschäftsmodells der Umwandlung in Eigentumswohnungen und der Strategien der Entmietung.
Das Geschäft mit der Entmietung
Die Ausgangslage in der Bergstraße 62 ist relativ schlicht: mit Eigentumswohnungen lässt sich viel Geld verdienen – was im Wege steht sind allein die Mieter/innen. Die müssen raus – wollen aber nicht.
Der Film dokumentiert die gesamte Spannbreite des Verdrängungsarsenals der Immobilienbranche: von der Modernisierungsankündigung mit fast 200 prozentiger Mietsteigerung, über Abmahnungen wegen angeblich verpasster oder verweigerter Wohnungsbesichtigungen von Kaufinteressierten, Bauarbeiten an der Grenze des Baurechts, Psychoterror durch nächtliche Anrufe, dubiose Geldangebote von unbekannten Dritten, das Einschalten einer Firma, die auf die „Konfliktlösung bei der Entmietung von Objekten“ spezialisiert ist (siehe Beitrag im MieterEcho, 354) bis hin zu einem Brand in der Wohnung eines ebenfalls störrischen Mieters in einem anderen Haus des Eigentümers… All das wird völlig zu Recht als Einschüchterung wahrgenommen, auch wenn keine gerichtsfesten Beweise für Nötigungen, Drohungen oder die Brandstiftung vorliegen.
Doch Katrin Rothe gibt mit ihrem Film nicht nur einen Einblick in die gnadenlose Welt der Entmietung, sondern zeigt auch auf, wie dünn das Eis der Entmietungsbranche ist. Das selbstbewusste Bestehen auf Zeugen bei Wohnungsbesichtigung (in einem Fall ist sogar die ganze Hausgemeinschaft in der Wohnung) lässt die Souveränität von Eigentümer und Maklerin dahinschmelzen, auch die Anwesenheit der Anwältin hat offenbar eine direkt mäßigenden Einfluss auf die Drohgebärden des Eigentümers und auch die von der Hausgemeinschaft zusammengestellte Liste des Firmengeflechts stösst beim Eigentümer auf wenig Gegenliebe.
Erst Verdrängen und dann auch noch den Mund verbieten: Stillgelegte Webseite zur Entmietung der Bergstraße 62 in Berlin-Mitte
Transparenz ist offensichtlich nicht gewünscht. Ein Nachbar der Hausgemeinschaft wird im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung sogar dazu verpflichtet, die Webseiten mit den Informationen zu Eigentümer und Hausverwaltungen stillzulegen. Auch gegenüber der Filmemacherin wird versucht eine Schweigeverpflichtung über die Vorgänge im Haus aufzuerlegen.
Zumindest Letzteres war eher erfolglos, wie am Donnerstag Abend bei Arte zu sehen sein wird.