Filmreview mit Ecken und Kanten: „Der Kreis“

Eines Freitagnachts bin ich bei Netflix zufällig über den Low-Budget-Film „Der Kreis" gestolpert, der in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln angeboten wird. Die Prämisse klang gleich vielversprechend: 50 Menschen sind in einem mysteriösen Todeskreis gefangen und müssen entscheiden, wer der einzige Überlebende sein wird.

Erinnert sich noch jemand an „Der Schwächste fliegt", diese Gameshow mit Sonja Zietlow als Domina-trische Spielleiterin? In dieser RTL-Show standen die Kandidaten im Kreis, mussten Fragen beantworten und nach jeder Runden den (ihrer Meinung nach) schlechtesten Quizzer rausvoten, der dann mit einem trockenen „Der Schwächste fliegt. Und tschüss!" verabschiedet wurde. „Der Kreis" ist die Extremvariante. Hier fliegt „der Schwächste" nicht aus dem Spiel, sondern aus dem Leben.

Der Film beginnt damit, dass 50 Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft, aber alle in den USA lebend, in einem rot-schwarzen Raum zu sich kommen.

Jeder von ihnen steht auf einem roten Feld; zusammen ergeben die Felder einen Kreis. Schnell zeigt sich, dass der Versuch, sein Feld zu verlassen oder eine andere Person anzufassen, mit dem Tod durch einen gezielten Laserschuss sanktioniert wird. Still stehen und nichts tun hat jedoch den gleichen Effekt: alle paar Minuten wird jemand ins Jenseits befördert. Die Menschen finden schließlich heraus, dass jeder von ihnen mit seiner rechten Hand einen Pfeil auf dem Boden steuern und damit eine Person auswählen kann. Der oder die mit den meisten Stimmen wird erschossen. So weit, so makaber. Die verzweifelten Versuche, das Spiel irgendwie auszutricksen, scheitern. Alle paar Minuten muss gewählt werden. Nur so kann am Ende wenigstens einer überleben. Aber wer soll das sein? Oder andersherum: wer soll zuerst sterben?

Es entsteht die Idee, zuerst die älteren Männer und Frauen zu töten, die ja schließlich schon lange genug gelebt haben und unter normalen Umständen sowieso eher gestorben wären als die anderen Kreis-Teilnehmer. So die Theorie. Anfangs wird der Plan durchgezogen, doch dann entbrennt ein Streit über diese Art der Auslese, was schließlich ihrem lautesten Verfechter, einem jungen Mann, das Leben kostet. Die Menschen der immer kleiner werdenden Gruppe streiten über die Entscheidungskriterien zur Tötungswahl. Rasse? Auf keinen Fall, oder doch? Letztlich entscheidet sich die Mehrheit für den größten Rassisten. Sexualität? Auf keinen Fall, oder doch? Die Mehrheit wählt den größten Homophobiker. Hier zeichnet sich ein klares Muster ab: wer zu viel von sich preisgibt, seine tiefsten Gedanken und Ansichten offenbart und damit andere Teilnehmer demütigt, macht sich angreifbar. Das ist keine Frage der politischen Korrektheit, sondern der moralischen Rechtfertigung. Es ist leichter, vor sich selbst und den Anderen den Tod eines Rassisten zu rechtfertigen als den einer Person, die noch in keiner Weise hat erkennen lassen, nicht nett und unschuldig zu sein.

Zum Dreh- und Angelpunkt im Todeskreis werden schließlich zwei Personen: ein zehnjähriges Mädchen und eine schwangere Frau. Die anderen Teilnehmer erkennen, dass doch eigentlich nur eine der beiden überleben kann/darf/sollte. Wer will schon ein Kind töten? Oder eine schwangere Frau? Die verbliebenen Teilnehmer spalten sich langsam in zwei Lager auf, in diejenigen, die das Mädchen und die Schwangere zu beschützen versuchen und in jene, die in den beiden die größte Gefahr für das eigene Überleben sehen und daher wenigstens eine von ihnen töten wollen. Einige Menschen opfern sich selbst, um keine Entscheidung treffen zu müssen bzw. um das Kind und die Schwangere solange wie möglich am Leben zu halten.

Der Kreis: die Kritik

„Der Kreis" ist als spannendes, intensives Kammerspiel angelegt und schafft es in einigen Momenten tatsächlich, eine entsprechende Atmosphäre zu erzeugen. Es werden viele gesellschaftliche Probleme unserer Zeit aufgegriffen, wie Rassismus, Homophobie und Kriminalität. In die Tiefe geht der Film aber bei keinem Thema und einige Aspekte bleiben völlig außen vor. So wird das Thema Religion zwar angeschnitten, aber nur im Zusammenhang mit dem Christentum. Auf Konflikte zwischen den Religionen wird nicht eingegangen, nur auf den Konflikt zwischen Glaube und Atheismus.

Eine runde Sache ist der „Der Kreis" nicht. Man merkt dem Film das sehr kleine Budget immer wieder an, etwa bei den Darstellern, die nicht unbedingt zur A-Klasse gehören. Viele von ihnen können das Entsetzen, in dieser Situation zu sein und dieses perfide „Spiels" spielen zu müssen, nicht wirklich glaubhaft rüberbringen. Sich mit den Charakteren zu identifizieren fällt insgesamt schwer, da sie entweder auf eine einzelne Eigenschaft reduziert werden oder überhaupt keinen nennenswerten Hintergrund erhalten. Zudem läuft alles zu glatt ab. Wenn sich der Fokus gerade auf eine Figur oder auch ein paar mehr Charaktere richtet, sind die anderen still und stehen brav auf ihrem Feld - kein Wehklagen, keine Rufe, kein Durcheinandergerede. So diszipliniert sind Menschen in einer solchen Lage sicher nicht. Zur Toilette muss übrigens auch keiner und niemand hat Probleme mit dem langen Stehen auf einem Fleck. Andererseits würde in einer solchen Situation, in der man schon ausgewählt werden kann, weil man zu alt aussieht, auch wohl kaum einer zugeben, dringend austreten zu müssen oder brennende Hühneraugen zu haben.

Als die Urheber des Menschenroulettes werden sehr schnell Aliens ausgemacht. Dieser Punkt wird kurz und knapp abgehandelt und spielt auch beim Überlebenskampf keine große Rolle mehr, obwohl der Gewinner, wenn man ihn denn so nennen kann, in eine Welt zurückkehren wird, in der ganz offensichtlich ziemlich sadistische Aliens das Kommando übernommen haben. Vom Kreis in die Traufe, gewissermaßen.

Der Kreis: das Fazit

Dieses Netflix-Fundstück ist eine Low-Budget-Produktion, die mehr will, als sie leisten kann, aber durchaus ihre Momente aufweist und vom Grundprinzip her zum Nachdenken anregt.

Der Kreis: die Daten


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