Filmnarratologie

Filmnarratologie_Markus Kuhn

In seiner Publikation entwirft Markus Kuhn eine Erzähltheorie, die er über die Literatur hinaus als einen Ansatz versteht, der vor allem im Bereich des Spielfilms seine Anwendbarkeit findet. Er unterfüttert seine umfassenden Überlegungen mit zahlreichen Beispielen, die seine Gedanken erst richtig anschaulich werden lassen. Basierend auf seiner eigenen Dissertation aus dem Jahre 2008, die er an der Universität Hamburg anfertigte, zeigt Kuhns „Filmnarratologie“, dass der Autor nicht nur über die benötigte Fachkenntnis zur Auseinandersetzung mit einem solchen Thema verfügt, sondern stellt ihn als leidenschaftlichen Filmliebhaber dar. In einem medienwissenschaftlichen Doktorandenkolloquium und als Betreuer seiner Dissertation konnte Kuhn auf den im Fach nicht wenig bekannten Knut Hickethier zurückgreifen, der seine Expertise an Kuhn weitergereicht haben dürfte.

Das zeigt sich in allen sechs Kapiteln der „Filmnarratologie“, die mit verschiedensten Fokussen ausgestattet wurden. Von Methodischen Grundlagen, die in die wichtigsten Begrifflichkeiten des Themas einführen, so dass auch Nicht-Kenner einen einfachen Einstieg finden, über einen historischen Abriss der Erzähltheorie, bis hin zu den ersten Gedanken zu Kuhns Filmnarratologie. In einer Schlussbetrachtung des Gesamtthemas wird dann zum Ende noch versucht, das Potential explizit heraus zu arbeiten und den Leser mit einem schlüssigen Fazit die Filmnarratologie als einsatzfähiges medienwissenschaftliches Werkzeug darzulegen.

Natürlich stützt sich auch Kuhn nicht allein auf seine Gedankenwelten, sondern sucht immer Rückbezüge von bereits stark verarbeiteten Grundideen. So darf auch hier nicht der Name Genette fehlen, der in diesem Zusammenhang aus seinen Texten „Discours du récit“ und „Nouveau discours du récit“ („Die Erzählung“) zitiert wird. So übernimmt er im Kapitel „Fokalisierung und Perspektivierung“ das von Genette entwickelte Fokalisierungskonzept, unterteilt in interne, externe und Nullfokalisierung. Daneben stehen ebenso die narrativen Instanzen – die visuelle Ebene, die Erzählinstanz, die diegetische Ebene und der implizite Autor – sowie der Zeit-Aspekt (Ordnung, Dauer, Frequenz), denen eine umfangreiche Behandlung wiederfährt.

Kuhn arbeitet aber nicht nur schriftsprachlich in der Wissenschaft verortet, sondern illustriert seine Arbeit mit erklärenden Schaubildern, bedient sich der comichaften Sprechblase, die aus dem Kopf eines kleinen Strichmännchens entspringt. Ein bekanntes Bild. Das Strichmännchen erstreckt sich über mehrerlei Ebenen, verdeutlicht die Unterscheidung von diegetischem, intradiegetischem und metadiegetischem Erzählen. Solche Bilder helfen ungemein weiter, durchbrechen sie doch den manchmal in die Länge gezogen wirkenden Text, unterfüttern die bloßen Worte mit Bildern, die das Verständnis noch einfacher werden lassen.

Wenn Kuhn nun in seiner Schlussbetrachtung darauf hinweist, dass er mit der bis zu diesem Punkt erarbeiteten Filmnarratologie eine Forschungslücke schließen mag, so muss man ihm hier Glauben schenken und zugleich realisieren, ein vermeintliches Standardwerk für Film-, Medien- aber auch alle anderen Wissenschaften in den Händen zu halten, die sich mit der narrativen Ebene des Mediums Film auseinander setzen möchten.

[Link] zu “Filmnarratologie – Ein erzähltheoretisches Analysemodell” von Markus Kuhn bei De Gruyter.


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