Filmmusik und ihre Wirkung

THE GENERAL
(dt.: Der General)
USA 1926
Mit Buster Keaton, Marion Mack, Jim Farley, Charles Henry Smith, u.a.
Regie: Buster Keaton und Clyde Bruckman
Dauer: 75 min

Filmmusik und ihre Wirkung

Über diesen Film wurde schon sehr viel geschrieben, er wurde oft analysiert und durchleuchtet. Zudem dürfte er zu den heute bekanntesten Stummfilmen zählen, und auch Leuten geläufig sein, die sich nicht ständig mit Stummfilmen beschäftigen: Wenn ein kommunales Kino Stummfilme zeigt, ist The General meist dabei, zusammen mit einem Chaplin-Klassiker; wenn ein Programmkino oder das Fernsehen Buster Keaton gedenkt, wird The General gezeigt.
Trotzdem: Der Film ist wirklich verdammt gut!

Soll ich nun, so fragte ich mich ob der Fülle der bereits vorhandenen Materialien und des Bekanntheitsgrad des Filmes, soll ich dem nun einfach eine weitere Besprechung hinzufügen?
Das Motto meines Blogs vor Augen, das da heisst, „einer vergangenen Kunstform wieder zu mehr Beachtung zu verhelfen“ und Lust zu machen auf wenig bekannte Filme, verneinte ich und beschloss, den Film zum Anlass zu nehmen, etwas weiter auszuholen.
Die von Kino International kürzlich herausgebrachte DVD zu Keatons Meisterwerk animierte mich, anhand des General über die Stummfilm-Begleitmusik und ihre Wirkung zu sinnieren. Die DVD enthält nämlich drei verschiedene Musikbegleitungen zur Auswahl, alle recht inspirierend: Die altehrwürdige Komposition für Kino-Orgel von Lee Erwin,  die bekannte Orchesterkomposition von Carl Davis und eine Musik für Kammerorchester von Robert Israel.

Zunächst hatte ich mir den Film stumm angeschaut (ich besitze eine integrale Super8-Fassung ohne Tonspur). Wochen später dann führte ich mir den Film mit Robert Israels Musik zu Gemüte. (Die Orgelfassung kannte ich bereits von einer anderen Super8-Fassung). Das Ergebnis ist erstaunlich!
In der stummen Fassung fällt in erster Linie die fast maschinenhafte Struktur des Films auf. Die Handlung läuft ab wie ein Uhrwerk, man hat das Gefühl die einzelnen Handlungselemente greifen wie Zahnrädchen ineinander und treiben das Geschehen voran.
Dieser „Effekt“ wird in der Musikfassung „übertönt“ oder tritt zumindest etwas in den Hintergrund. Nun bemerkt man plötzlich, wie unglaublich spannend der Handlungsaufbau des Films eigentlich ist. Interessanterweise stellte sich dieser Effekt vor allem bei Robert Israels Begleitung ein.

Israel scheint ein hervorragendes Gespür für „den grossen Bogen“ zu haben, denn er schafft es mittels seiner Musik, die weit gespannten Spannungsbögen des Films erlebbar zu machen, indem er mit unterschiedlichen Themen zusammenfasst, was zusammengehört. The General zerfällt so nicht mehr so sehr in einzelne Episoden, wie das beim stummen Betrachten oder mit einer weniger geglückten Musikbegleitung der Fall ist, sondern er wird als grosses Ganzes sichtbar (oder müsste man hier „hörbar“ schreiben?). Und somit wird die wahre Grösse und die Vielschichtigkeit dieses Films deutlich, es wird klar, wieviel Spannung Keaton da eigentlich erzeugt.

Das bedeutet, dass nicht zuletzt die Musikbegleitung entscheidend ist, wie ein Stummfilm „ankommt“. Je sorgfältiger sie auf den Film zugeschnitten ist, desto besser.
Ich hatte schon immer eine Abneigung gegen „improvisierte Filmmusik“ im Sinne von: „Es sind bei der Filmvorführung drei experimentelle Musiker anwesend, die den Film untermalen.“ Da habe ich schon einiges erlebt – am schlimmsten war eine Musikbegleitung zu genau diesem Film, drei Saxophonisten, die „moderne Musik“ dazu verlauten liessen – wobei „moderne Musik“ offensichtlich als Synonym für „fehlendes Talent“ und „fehlende Sensibilität“ verwendt wurde. Das kakophonische Gefurze, das ich noch immer im Ohr habe, hat den Film wohl niemendem besonders nahe gebracht.

Jede Stummfilm-Musikbegleitung setzt andere Akzente. Wie stark die sein können, das wurde mir mit dieser absolut empfehlenswerten DVD erst so richtig bewusst. So erachte ich es weiterhin als gerechtfertigt, wenn ich in meinen Beiträgen zu jedem besprochenen Film weiterhin ein paar Worte über die Begleitmusik verliere.
Pointiert könnte man sagen, eine gelungene Begleitmusik vermag einen guten Stummfilm besser zum Leuchten zu bringen als eine aufwändige digitale Restauration.
10/10

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Die DVD: Die Bildschärfe ist hervorragend, der Film wurde in HD von einer 35mm-Kopie des originalen Kameranegativs gemastert. Besser geht’s nicht im Stummfilm!

Die Musikbegleitung kann angwählt werden. Es stehen drei Begleitungen zur Verfügung: Die Fassung für Kino-Orgel von Lee Erwin, die bekannte Orchesterfassung von Carl Davis und eine neue Begleitmusik für Kammerorchester von Robert Israel.

Extras: Eine Einleitung von Gloria Swanson und eine von Orson Welles; Amateur-Filmaufnahmen, die während der Dreharbeiten von The General gemacht wurden; A Video Tour of the Authentic General (Doku); A Tour of the Filming Locations (Doku)

Reginalcode: 1

Verfügbarkeit:
USA: Der Film wird von Kino International angeboten. Man bekommt ihn direkt bei Kino, oder bei amazon.com (dort gibt’s den Film ab und zu gebraucht für weniger Geld).
Für Preisvergleiche, evtl. preisgünstigere Angebote und andere Fragen im Zusammenhang mit DVD-Bestellungen aus dem Ausland siehe auch die Tipps zur DVD-Bestellung im Ausland.
Deutschsprachiger Raum:
Der Film ist bei uns in mehreren anderen Versionen verfügbar.

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