Das Kinojahr 2013 geht in die Endphase und bereits jetzt lässt sich sagen, dass es für die Fans der Science-Fiction sehr abwechslungsreich war. Von Space Operas über Dystopien und Superhelden wurde nahezu jeder Themenkreis bedient. Heute nun bringen Constantin Film und Oddlot Entertainment mit Ender's Game – Das große Spiel die Adaption des gleichnamigen Romans von Orson Scott Card in unsere Kinos – einen Film, der sehr wohl als Space Opera durchgeht, aber auch Züge eines Coming-of-Age Dramas trägt, anti-utopische Elemente enthält und zudem die weithin in der westlichen Welt verbreitete Angst vor dem religiös-fundamentalistisch motivierten Terror aufgreift. Ein interessanter Mix, anspruchsvoll auf jeden Fall. Und vielleicht etwas zuviel des Guten für einen Hollywood-Film der auf den Mainstream ausgerichtet ist.
Orson Scott Card schrieb Das große Spiel (org.: Ender's Game) 1977 als Kurzgeschichte und baute die Story anschließend zu einem Roman aus, der 1985 veröffentlicht wurde. Im Erscheinungsjahr und im Jahr darauf wurde das Werk mit renommierten Preisen wie dem Nebula Award und dem Hugo Award ausgezeichnet. Es ist also ein Roman von Rang, der Gavin Hood als Ausgangs´basis für sein Drehbuch diente und Hood ist es auch, der bei diesem Film auf dem Regiestuhl saß. Zu den zahlreichen Produzenten gehört nicht nur Orson Scott Card selbst, sondern auch das Erfolgsduo Alex Kutzman und Roberto Orci, nicht zuletzt wegen der Weltraumabenteuer Star Trek und Star Trek Into Darkness, für die sie die Drehbücher schrieben, absolute Profis in Sachen Blockbuster-Kino. Trotz dieser ganzen guten Voraussetzungen ist Ender's Game – Das große Spiel ein zwiespältiges Kinovergnügen.
Dies liegt nicht daran, wie man möglicherweise annehmen könnte, dass es sich bei der zentralen Figur dieses Films um ein Kind handelt. Eine unüberwindliche Hürde ist dies nämlich nicht. Klar, im SF-Fandom existiert seit den seligen Zeiten von Star Trek: TNG das Wesley-Crusher-Syndrom, doch Gavin Hood hat Ender Wiggin mit so viel Selbstzweifeln und Ängsten ausgestattet, dass er bei aller Intelligenz nicht als der geborene Überflieger daherkommt. Zudem ist Ender von lauter Erwachsenen umgeben, die alle ihren eigenen Plänen folgen, alle etwas von ihm wollen und dabei nicht unbedingt das Wohl des kleinen Jungen im Sinn haben. Dies weckt die Sympathien des Publikums für den Protagonisten und verschafft der Figur Akzeptanz. Asa Butterfield, ihn kennt man aus Hugo Cabret, trägt als Hauptdarsteller sehr viel Verantwortung auf den schmächtigen Schultern, doch seine Leistung ist durchaus überzeugend, was man auch über die Performance von Hailee Steinfeld sagen kann, die noch aus True Grit in guter Erinnerung ist. Um die beiden Jung-Stars wurde mit Harrison Ford, Viola Davis und Ben Kingsley ein Trio aus gestandenen Mimen gruppiert, das sich damit abfinden muss, zur Abwechslung mal etwas in der zweiten Reihe zu stehen. Der Spielfreude der drei Schauspieler tut dies aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Harrison Ford weiß nach Cowboys & Aliens und Indiana Jones 4 endlich wieder zu gefallen und wenngleich Ben Kingsleys Auftritte eher kurz ausfallen, hinterlasst er in Ender's Game – Das große Spiel einen besseren Eindruck als zuletzt in Iron Man 3.
Sie alle wirken mit einem Film, der seine Story zwar recht gradlinig, dabei aber spannend und kurzweilig erzählt, ein gutes Tempo aufweist und dessen Special Effects sich wirklich sehen lassen können. Gerade zum Schluss hin ist es eine echte Augenweide, was Digital Domain da auf die Leinwand zaubert. Matthew Butler, der für die Visual Effects verantwortlich zeichnet, hat mit seinem Team in der Tat ganze Arbeit geleistet und optische Ausrufezeichen gesetzt. Ebenfalls sehr gelungen ist der Soundtrack von Steve Jablonski, denn er Komponist hat einen abwechslungsreichen Score geschaffen, der sehr gut auf die Atmosphäre des Films abgestimmt ist. Ein guter Cast, eine kurzweilige Story, eindrucksvolle Effekte und ein gefälliger Soundtrack: Eigentlich müsste dann doch alles in Ordnung sein. Dem ist aber nicht so.
Dies liegt zu einem guten Teil darin, dass das sog. Worldbuilding erhebliche Mängel aufweist. Wir erinnern uns: Das Militär sucht händeringend nach dem einen Jugendlichen, der die Erde in die Schlacht gegen die Aliens führen soll. Warum gibt es dann Geburtenkontrolle? Eigentlich müsste die Devise lauten: Je mehr Kinder, desto besser! Denn mit jedem neuen Kind würde sich doch die Wahrscheinlichkeit, dass endlich der große Überflieger geboren wird, immer weiter erhöhen. Ganz zu schweigen davon, dass Millionen von Menschen im großen Krieg ums Leben gekommen sind. Ein Überbevölkerungsproblem dürfte also eigentlich nicht bestehen. Von den Zerstörungen, die durch den Krieg gegen die Aliens auf der Erde entstanden sind, ist übrigens auch nichts mehr zu sehen. Stattdessen präsentiert man dem Publikum das Heim der Familie Wiggin als adrettes weiß getünchtes Haus mit gepflegtem Rasen, gelegen in einer typischen amerikanischen Vorstadtsiedlung. Ein wenig technischer Schnickschnack und ein stylisches Elektroauto vor der Tür – fertig ist das Bild der Zukunft. Das Ganze könnte ja noch angehen, wenn nicht gleichzeitig die Weltregierung Milliarden über Milliarden für den Aufbau einer riesigen Raumflotte und die Installation eines orbitalen Ausbildungszentrums ausgeben würde. Wer bezahlt dies alles? Und wer hat dann die Erde wieder so nett wieder aufgebaut? Angesichts des gigantischen Militärbudgets sollte man eigentlich den Anblick verwahrloster Städte erwarten, doch nicht so in diesem Film, der lieber Vorstadtidylle und das Postkartenmotiv schneebedeckter Berge vor blauem Himmel mit einem romantisch davor gelegenen See anbietet. Dies alles werden wir verlieren, wenn Ender scheitert und die Aliens siegen!, sollen die Bilder dem Publikum suggerieren.
Wer sich in diese Botschaft einklinkt, der übersieht leicht, dass die Ziele der Militärs den ganzen Film eigentlich diffus bleiben. Wollen sie wirklich die Erde retten oder sich für den letzten Angriff rächen? Beide Lesarten sind möglich – und man möchte zugunsten von Gavin Hood annehmen, dass er dies auch beabsichtigt hat. Ganz sicher kann man sich dabei allerdings nicht sein, denn die Frage, ob dieser Krieg gegen die Aliens wirklich berechtigt ist, wird nur am Rande und darum nicht intensiv genug behandelt. Als Allegorie auf die Diskussion unserer Tage über die Rechtmäßigkeit des Krieges gegen den Terror funktioniert Ender's Game – Das große Spiel darum nicht.
Manche Ansätze sind da, doch die Macher haben sich dann doch dafür entschieden, lieber kein heißes Eisen anzupacken – wahrscheinlich deshalb, um das breite Publikum (gerade in den USA) nicht zu verschrecken und den Erfolg an den Kinokassen nicht zu gefährden. So bleibt Ender's Game – Das große Spiel leider hinter seinen Möglichkeiten zurück. Wer kurzweilige Popcorn-Unterhaltung sucht und für wen eine überzeugende Besetzung, ordentlich Action und gelungene Effekte ausreichende Argumente für einen Kinobesuch sind, der wird mit dem Film absolut seinen Spaß haben.
Ender's Game - Das große Spiel läuft seit dem 24. Oktober 2013 in den deutschen Kinos.
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