Filmkritik zu ‘Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

Filmkritik zu ‘Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

Auf dem letztjährigen Filmfestival in Cannes konnte der thailändische Film ‚Loong Boonmee raleuk chat‘ – oder zu Deutsch: ‚Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben‘ – die Goldene Palme als bester Spielfilm des Festivals für sich beanspruchen. Dem Regisseur des Filmes, Apichatpong Weerasethakul, ist dies keine unbedingt so neue Ehre. Bereits 2002 erhielt er für seinen Film ‚Blissfully Yours‘ einen Preis in der Reihe ‚Un certain regard‘, zwei Jahre später erhielt er den Preis der Jury für ‚Propical Malady.

Sein neuester Film handelt von dem schwer erkrankten Uncle Boonmee. Dieser beschließt, seine letzten Tage im Kreis seiner Verwandten auf seinem Landgut im Nordosten Thailands zu verbringen. Dort erscheint ihm der Geist seiner verstorbenen Frau und auch sein lang verschollen geglaubter Sohn kehrt nach Hause zurück, allerdings nicht in menschlicher Form. Um mit sich und seiner Krankheit ins Reine zu kommen, unternimmt Uncle Boonmee zusammen mit seiner Familie einen Marsch durch den Dschungel. Ziel der Reise ist eine geheimnisvolle Höhle – der Ort seiner ersten Geburt.

Der Regisseur unternimmt mit seinem Uncle Boonmee-Laiendarsteller Thanapat Saisaymar eine sehr spirituelle Reise, bestehend aus der Reinkarnations-Thematik und Erinnerungen an vergangene Ereignisse. Die Geschichte wird vor einer unglaublich schönen Kulisse erzählt, in der allein sich der Zuschauer verlieren kann. In der Ruhe liegt die besondere Kraft dieser Erzählweise, die sich in jedem Aspekt des Filmes wiederfinden lässt. Sei es in der Handlung selbst, in der die Figuren überraschend ruhig mit den auftauchenden Geistern umgehen, die in anderen Filmen hysterisches Gekreische ausgelöst hätten oder aber mit der Kameraführung. Diese kommt ohne große Kamerafahrten, Schwenks oder Zooms aus, wie es im amerikanischen Kino typisch ist. Die Bilder bleiben starr auf eine Szene gerichtet, unterstreichen hiermit die Ruhe in der Atmosphäre. Es gibt ebenso wenig hektische Schnitte, die Sequenzen sind lang, bleiben oft auch unkommentiert. Man fühlt sich als Zuschauer vielmehr als Beobachter des Geschehens. Es entsteht, trotz Fiktionalität, ein Gefühl des Echten, des Nachvollziehbaren.

 

Filmkritik zu ‘Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

Jenjira Pongpas

Die Spiritualität, in Form von Gebeten im Tempel, von Unterhaltungen über das Karma und natürlich durch das Auftauchen der Geister erfolgt am Rande, wird als Selbstverständlich hingenommen, wie es für eine westliche Filmproduktion wahrscheinlich eher ungewöhnlich wäre. Umso schöner wirkt der Film, der sich voll und ganz mit der menschlichen Ebene beschäftigt. Erinnerungen bilden den Fokus des endenden Lebens von Uncle Boonmee. Hier wird in Rückblicken und Fotos erzählt. Es sind eigene Erinnerungen, aber auch Erzählungen, die Vergangenes wieder aufleben lassen. Auch hier wird die Ruhe deutlich, die der Film ausstrahlen soll. Ein unnatürliches Gefühl als westlicher Kinogänger und Filmgucker. Es ist nicht allein die mystisch-behaftete Handlung, die den Zuschauer bannt, es ist ebenfalls der technische Aspekt, wie das Werk gefilmt wurde. Über dem Gesamtkonzept liegt ein Schleier der Verwunderung, des nicht Alltäglichen, aber Nachvollziehbaren.

Manche Szenen wirken durch diese Herangehensweise weitaus aufwühlender. Zum Beispiel wenn der Zuschauer durch eine Sex-Szene zwischen einem Wels und einer Frau aus diesem traumähnlichen Ruhezustand herausgerissen wird.

‚Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben‘ ist ein Film, auf den man sich einlassen muss. Er wird nicht jedermanns Sache sein, zu ruhig, zu unkonventionell kommt er daher. Die Thematik entzieht sich unserem alltäglich Erlebten, ist fernab von unserer Realität, bestimmt aber das Leben derjenigen, die an die Reinkarnation glauben. Fernab davon bekommt der Zuschauer aber eine faszinierende Ruhe geboten, die mit gekonnt eingesetzten Fantasie-Elementen vervollständig, wenn nicht gar perfektioniert wird.

Denis Sasse


Filmkritik zu ‘Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

’Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

 

Originaltitel: Loong Boonmee raleuk chat
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: Thailand, 2010
Länge: ca. 113 Minuten
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Darsteller: Thanapat Saisaymar, Jenjira Pongpas, Natthakarn Aphaiwonk, Geerasak Kulhong, Sakda Kaewbuadee

‘Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben‘ erscheint am 8. April 2011 auf DVD und Blu-Ray.


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