Filmkritik zu ‘The Descendants’ mit George Clooney

Von Denis Sasse @filmtogo

Es war sicherlich kein paradiesischer Urlaub für Regisseur Alexander Payne (‚Sideways‘, ‚About Schmidt‘) als er sich mit Hauptdarsteller George Clooney in die Landschaft Hawaiis begeben hat um mit ‚The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten‘ den gleichnamigen Roman von Kaui Hart Hemmings zu verfilmen. Wo die sonnendurchflutete Strandatmosphäre für gute Laune sorgen möchte, besticht das Familiendrama vor allem dadurch, dass eine Welt aufgezeigt wird, in der trotz der tropischen Kulisse nichts so wirklich harmonisch sein will – außer vielleicht eine Szene, in der sich Clooney mit seinen beiden Filmtöchtern unter einer Decke vor den Fernseher lümmelt um den Alltag ruhen zu lassen. Aber bis zu diesem Punkt muss der Anwalt eine Menge über sich ergehen lassen.

Während Matt King (Clooney) den lukrativen Verkauf eines traumhaften Grundstückes vorbereitet, das sich bereits sein Generationen im Besitz seiner Familie befindet, werden seine Kinder und er in eine tiefe Krise gestürzt. Nach einem schweren Bootsunfall fällt seine Ehefrau Elizabeth (Patricia Hastie) in ein Koma und Matt erfährt von seiner 17-jährigen Tochter Alexandra (Shailene Woodley), dass seine Frau ein ernstzunehmendes Verhältnis zu einem anderen Mann hatte. Für den seiner Familie entfremdeten Matt bricht eine Welt zusammen. Er muss sich plötzlich um die beiden Töchter kümmern. Zusammen mit seiner vorlauten Tochter Scottie (Amara Miller), Alexandra und ihrem etwas eigenwilligen Freund Sid (Nick Krause) begibt sich Matt auf die Suche nach dem Liebhaber seiner Frau. Dabei kommt er seinen Töchtern wieder näher und erlebt nach langer Zeit, was Familienzusammenhalt bedeutet.

Shaileene Woodley & Nick Krause

Es ist alles da, was uns einen Feel-Good-Movie bescheren sollte: Da ist der malerische Strand, die sonnigen Bilder, die Hawaii-Hemden und sogar eine kleine Bauchtänzer-Puppe bekommt ihren Auftritt. Trotzdem lebt ‚The Descendants‘ eher von seiner bedrückenden Atmosphäre, die durch die Hilflosigkeit und Verzweiflung des gescheiterten Ehemanns und Vaters zu Tage tritt. George Clooney sucht hier vergebens nach Antworten zu Fehltritten im Leben seiner Figur. Ahnungslos wie er sich nun verhalten soll: seiner im Koma liegenden Frau, aber auch seinen Kindern gegenüber, schwankt Clooney in ein interessantes Spiel, welches für den ansonsten eher smarten Chameur beeindruckend neu daherkommt. Sorgsam fährt die Kamera immer wieder dicht an sein Gesicht heran, zeigt den entmutigten Blick des Darstellers in Nahaufnahme, als wolle die Kamera tief in seine Seele blicken um dem Zuschauer zu zeigen, was hier drin in diesem Moment vorgeht. Es ist die starke Mimik des Hauptdarstellers, so starr sie oftmals auch daherkommen mag, die uns den Blick in sein tiefstes Inneres gewährt.

Der Zuschauer wird sich fragen, wann einem der Beteiligten endlich einmal der Kragen platzt. Clooneys Matt King bleibt unnatürlich ruhig, hat aber auch gar nicht genug Zeit um sich mit nur einem Problem zu beschäftigten – ganz gleich ob die komatöse Ehefrau, die wenig angenehmen Verhaltensmuster seiner Kinder oder der Liebhaber. Und selbst als Matt dann vor dem Mann steht, der seit geraumer Zeit ein Liebesverhältnis zu seiner Ehefrau führt, kann er ihm zwar ein paar verbale Angriffe an den Kopf schmettern, belässt es am Ende aber doch bei einer Einladung ins Krankenhaus um Elizabeth die letzte Ehre zu erweisen.

George Clooney & Amara Miller

Die Vorurteile funktionieren hier in eine andere Richtung. Wo man von Hawaii erwartet, dass hier das gute Leben vorherrscht, zeigt der Film hauptsächlich Streit, Enttäuschung, Trauer und Melancholie – in jeder Szene findet sich mindestens einer dieser Aspekte wieder, sowohl in den Figuren, als auch in den Landschaftsbildern oder der Musik. Kein Wunder das in diesem Umfeld irgendwann die Nerven blank liegen. Dann kommt es zum emotionalen Zusammenbruch, wenn zuerst Clooney, dann Filmtochter Shailene Woodley die im Koma liegenden Ehefrau und Mutter anfauchen, sie für viele Dinge verantwortlich machen, die in ihrem Leben falsch gelaufen sind. Nur um kurz daraufhin in Tränen auszubrechen. Aber dieser Schritt ist nötig. Damit findet die Annäherung zwischen dem distanzierten Vater und den tollwütigen Töchtern einen Anfang, der sich langsam vollzieht, nicht zu schnell in die Wege geleitet wird und ein realistisches aufeinander zugehen aufzeigt. Am Ende sind dann Alkohol-Exzesse von Alexandra und Scotties Probleme in der Schule vergessen, am Ende hat man zwar eine Ehefrau und Mutter verloren, aber eine Familie gewonnen.

‚The Descendants‘ taucht tief in die Thematik der Wechselbeziehung von Verlust und Gewinn ein. Nur durch den wiedergewonnenen Zusammenhalt innerhalb der Familie können alle Drei den Verlust eines Mitgliedes dieser Gemeinschaft verkraften. Dabei steht zwar die Traurigkeit im Mittelpunkt, aber ebenso wie diese zum Leben hinzugehört, darf bei Regisseur Alexander Payne auch niemals der latent vorhandene Humor fehlen.

Denis Sasse


‘The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten‘

Originaltitel: The Descendants
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 115 Minuten
Regie: Alexander Payne
Darsteller: George Clooney, Shaileene Woodley, Amara Miller, Nick Krause, Patricia Hastie, Beau Bridges, Matthew Lillard, Judy Greer