Filmkritik zu ‘Sherlock Holmes – Spiel im Schatten’

Filmkritik zu ‘Sherlock Holmes – Spiel im Schatten’

Jeder Held benötigt einen guten Gegenspieler um selbst einen interessanten Charakter zu entwickeln. Batman hat den Joker, der in der Filmwelt bereits mehrmals von hervorragenden Schauspielern wie Cesar Romero, Jack Nicholson und Heath Ledger dargestellt wurde. Gene Hackman und Kevin Spacey nahmen in der Rolle des Lex Luthor die Gegenposition zu dem Mann aus Stahl – Superman – ein und mit Jared Harris, Darsteller in der Fernsehserie ‚Mad Men‘, bekommt nun auch Guy Ritchies Inkarnation des Sherlock Holmes seinen ebenbürtigen Nemesis Professor James Moriarty auf die Leinwand gebannt.

Dieser steckt hinter einem weltweiten Komplott, welches mit dem Auffinden der Leiche des österreichischen Kronprinzen beginnt. Während der etwas dümmliche Inspector Lestrade (Eddie Marsan) aufgrund der vorliegenden Indizien an Selbstmord glaubt, kombiniert Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) den exakten Tathergang und kommt auf die Spur des kriminellen Meisterhirns Moriarty. Er verfolgt die Hinweise bis zu einem unterirdischen Club, wo er mit seinem Bruder Mycroft Holmes (Stephen Fry) auf die Hochzeit seines guten Freundes Dr. Watson (Jude Law) anstößt, aber auch die Wahrsagerin Sim (Noomi Rapace) kennenlernt, die mehr in den Fall verstrickt ist, als sie zugeben möchte. Schnell gerät auch sie in das Visier. Nur mit knapper Not gelingt es Holmes ihr Leben zu retten und sichert sich damit ihre Dankbarkeit und Mithilfe bei der Jagd auf Moriarty. Die Ermittlungen führen Holmes, Watson, Sim und Mycroft von England über Frankreich und Deutschland bis in die Schweiz. Doch immer scheint ihnen Moriarty einen Schritt voraus zu sein.

Filmkritik zu ‘Sherlock Holmes – Spiel im Schatten’

Jared Harris als Professor Moriarty

Im Film selbst wiederum inszeniert Guy Ritchie Moriarty erst einmal im Schatten, wie der Beititel des zweiten Sherlock Holmes-Abenteuer es vorgibt. Wunderschön gestaltet sich eine Szene, in der Rachel McAdams‘ Irene Adler in einem Lokal neben dem Kriminellen Meisterhirn sitzt, der wiederum in tiefen Schatten getaucht wird und somit zuerst für den Zuschauer im Verborgenen bleibt. Leider verschwindet Moriarty-Darsteller Jared Harris im großen Teil des Filmes in eben diesen Schatten und bleibt ungesehen von der Kamera. In nur wenigen Sequenzen darf der in London geborene Harris seinem Gegenüber Paroli bieten, was er sowohl auf darstellerischer als auch auf der Ebene des Dialogs vollführen kann – ist er im Bilde, gehört der Raum ihm. Das Spiel zwischen Moriarty und Holmes entwickelt sich allerdings erst recht spät, zuvor verlieren sich Holmes und Watson im banalen Zwischengeplänkel, das erneut die gute Dynamik aufzeigen soll, die zwischen Robert Downey Jr. und Jude Law herrscht. Mit ein paar lästigen Actionsequenzen zeigt der Regisseur hier nur noch einmal auf, dass sein Meisterdetektiv eine etwas andere Natur hat, als es die Romanvorlagen von Sir Arthur Conan Doyle vermuten lassen. Einzig die vorbildliche Kameraführung, die Holmes‘ kombinierfreudigen Geist nachempfindet, entwickelt für die Figur eine stark charakterisierende Eigenschaft.

Mit den Filmbildern hat Guy Ritchie insbesondere seinen Spaß. Sein London im viktorianischen Zeitalter, aber auch die anderen Städte Europas in denen sich ‚Sherlock Holmes‘ abspielt, kommen kleinen Kunstwerken gleich, die ihre ganz eigene Ästhetik entfalten. Im Gegensatz zum ersten Teil, wo sich der Film noch gänzlich auf altertümliche Steampunk-Optiken konzentrierte, werden diese in ‚Spiel im Schatten‘ mit modernisierten Technologien gekoppelt. So fahren Holmes und Watson nicht nur eine der ersten motorisierten Kutschen, sondern verwenden auch andere technische Spielereien wie ein Atemgerät oder Maschinenpistolen- und Gewehre. Ein wiederkehrendes Arbeitsmittel Ritchies aus dem ersten Teil findet dann aber auch hier seinen Platz: Mit schnellen Kameraschnitten erzeugt er rasante Sequenzen, an die sich der Zuschauer gewöhnen muss, um ihnen folgen zu können. Den Ausgleich schafft der Regisseur durch ebenso undurchsichtig chaotische Actionszenen, die durch den Einsatz von Zeitlupe jedoch für den Zuschauer genauestens zu beobachten und genießen sind. Das beste Beispiel hierfür ist die Flucht der drei Hauptprotagonisten Sherlock Holmes, Dr. Watson und der Zigeunerin Sim aus einer deutschen Rüstungsfabrik in Heilbronn, bei der mit schweren Geschützen auf die Helden gefeuert wird – eine durchästhetisierte Flucht, deren Standbilder hübsche Bildmotive ergeben.

Noomi Rapace als Zigeunerin Sim

Beim Finale verfolgt der Film selbst einen genialen Schachzug, der das Ende nicht unbedingt vorhersehbar macht – und wenn, gestaltet er es dennoch höchst amüsant und logisch. Beginnt die scheinbar letzte Konfrontation zwischen Sherlock Holmes und James Moriarty mit einer harmlosen Partie Schach, entwickelt diese sich schnell zum sinnbildlichen Spiel, welches beide Männer mit ihren gut platzierten Figuren im wahren Leben führen. Befinden sich die beiden Hauptakteure auf einem Balkon außerhalb eines Schlosses in der Schweiz, bewegen sich Watson, Sim, Mycroft und Colonel Sebastian Moran, ein Scharfschütze auf der Seite Moriartys, der als dessen rechte Hand fungiert und somit als Spiegelbild für Dr. Watson funktioniert, in dem großen Ballsaal, dessen Boden ein Schachbrettmuster vorzuweisen hat. Somit schieben Holmes und Moriarty nicht nur die Figuren auf ihrem kleinen Schachbrett umher, sondern sorgen hier auch rein bildlich für eine Partie dieses Intelligenz-fordernden Sportes. Schon bald entwickelt sich dieses Spiel aber zu weitaus mehr und erneut präsentiert der Regisseur eine ungewöhnliche, auf diesen Film zugeschnittene Form des Showdowns. So spielen die beiden Kontrahenten einen physischen Schlagabtausch im Geiste durch und kommen dabei zu demselben Schluss: Moriarty ist Holmes aufgrund einer Schulterverletzung überlegen. Dann aber beweisen sowohl Holmes, als auch der Film ihre geschickte Eigenartigkeit: Sie wählen als Ende das Remi – ein Unentschieden, welches offensichtlich dafür sorgen wird, dass Jared Harris‘ Professor Moriarty kein Filmbösewicht sein wird, der klanglos das zeitliche segnet, sondern seine Bühne noch auf einen weiteren Sherlock Holmes-Film ausgeweitet werden wird.

‚Sherlock Holmes – Spiel im Schatten‘ entfernt sich noch ein wenig mehr von der literarischen Vorlage als sein Vorgänger, bietet dabei aber konsequent gute Unterhaltung und frische Ideen. Gerade auf die Optik wird viel Wert gelegt, aber auch das Schauspiel von Robert Downey Jr. kommt erneut erfrischend verdreht daher. Mit Stephen Fry als Mycroft Holmes und Noomi Rapace als Zigeunerin Sim wurden außerdem zwei wertvolle Ergänzungen gemacht, die neben Professor Moriarty hoffentlich ebenfalls im dritten Teil wieder mit dabei sein werden.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Sherlock Holmes – Spiel im Schatten’

‘Sherlock Holmes – Spiel im Schatten‘

Originaltitel: Sherlock Holmes – A Game of Shadows
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 128 Minuten
Regie: Guy Ritchie
Darsteller: Robert Downey Jr., Jude Law, Noomie Rapace, Jared Harris, Rachel McAdams, Stephen Fry, Paul Anderson, Eddie Marsan


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