Filmkritik zu Nicolas Winding Refns ‘Drive’

Filmkritik zu Nicolas Winding Refns ‘Drive’

Sein erster Ausflug in das amerikanische Kino bescherte dem dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn das Lob und die Anerkennung vieler Filmkritiker, darunter auf dem 2011er Filmfestival von Cannes, wo sein Film ‚Drive‘ mit Standing Ovations bejubelt wurde und Refn die Auszeichnung als bester Regisseur erhielt. Basierend auf dem Roman „Driver“ des amerikanischen Autors James Sallis von 2007 wurde Ryan Gosling verpflichtet, um den ruhigen Fluchtwagenfahrer zu spielen, der den simplen Namen Driver trägt. Ein Name, der nicht treffender gewählt sein könnte: „Ich fahre“ antwortet er auf die Frage, womit er sein Geld verdient. Dieser Lebensinhalt wird in ‚Drive‘ auf die Probe gestellt – und Regisseur Nicolas Winding Refn verlässt sich voll und ganz auf die emotionalen Welten seines Hauptdarstellers Ryan Gosling.

Als Tagesjob geht Driver einer Tätigkeit als Hollywood-Stuntman nach, seine wahre Leidenschaft lebt er allerdings bei Nacht als Fluchtwagenfahrer aus. Er ist ein Einzelgänger. Er ist schweigsam und verschlossen. Alles läuft glatt, bis er sich in seine Nachbarin Irina verliebt. Um ihr zu helfen, lässt er sich auf einen scheinbar harmlosen Job als Fahrer ein. Doch dieses Mal geht alles schief. Plötzlich ist ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt und er muss beweisen, wie viel ihm an seinem Überleben gelegen ist.

Filmkritik zu Nicolas Winding Refns ‘Drive’

Ryan Gosling & Carey Mulligan

‚Drive‘ ist ein Film, der nicht etwa von seinen geschmeidigen Autos lebt, wie es der Titel vermuten lassen würde. Dieses Motiv soll der ‚Fast and the Furious‘-Reihe vorbehalten bleiben, bei der ein Vergleich zu diesem Film höchst unangebracht wäre. Hier geht es vielmehr um die zentrale Figur des Driver und seiner Umwelt. Seine Wahrnehmung muss gestochen scharf sein, für beide Jobs die er ausübt. Am Tage als Stuntwagenfahrer, bei Nacht im Sitz eines Fluchtautos. Immer wird seine höchste Konzentration gefordert, die Gosling mit anfangs eisiger Mimik, fester Entschlossenheit und durchdringenden Blick dem Zuschauer übermittelt. Mit diesem Mann, hineingesetzt in eine Stille und ruhige Atmosphäre, wirkt jede Szene wie ein außerordentlicher Spannungsmoment. In den ersten zehn Minuten wird kein Wort gesprochen. Die Bilder werden von einem leichten Soundpochen begleitet, Ryan Gosling flüchtet vor der Polizei und es scheint so, dass nicht einmal seine Auftraggeber wissen, nach welcher Taktik er dabei vorgeht. Wenn der einleitende Schriftzug endlich erscheint und eine amüsante 80er Jahre Atmosphäre mit sich bringt, haben wir Driver als knallharten Profi kennengelernt, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt.

Natürlich muss mit diesem Bild dann gebrochen werden und was bietet sich besser an als die Liebe zu einer Frau, um einen Mann wie Driver aus seinem festen Stand ins Schwanken zu bringen. Hier tritt Schauspielerin Carey Mulligan als seine Nachbarin Irene in Erscheinung. Er wahrt bewusst Distanz, kann sein Interesse aber nicht verleugnen. Weder vor sich selbst, noch vor Irene. Die ersten Worte, die wir Driver reden hören, sind zu Irene. Zuvor wandelt er als Einzelgänger durch die Welt, bekommt keinen Anlass geboten uns seine Stimme hören zu lassen. Aber hier wechselt sich das Bild, Driver beginnt sich für Irene und die Zuschauer zu öffnen. Wie sehr Figurenzeichnungen auf den ersten Blick täuschen können, beweist auch Carey Mulligan. Sie bleibt hier zwar die zaghafte junge Frau, das unschuldige Wesen mit der reinen Weste, aber zugleich auch Initiatorin vieler Probleme für Driver. Auf einmal muss dieser sich mit brutalen Ehemännern, geldgierigen Geschäftsleuten und schlagkräftigen Handlangern auseinandersetzen. Die Frau bringt ein ganz schönes Paket mit sich, für das es sich aber zu kämpfen lohnt – zumindest entscheidet sich Driver für diesen Kampf für die Liebe, der hier besonders drastisch in Szene gesetzt wird.

Filmkritik zu Nicolas Winding Refns ‘Drive’

Ryan Gosling

Denn wo der Film zuvor die 80er Jahre Stilistik ausgelebt hat und die Zuschauer durch entsprechende Musik erheitert wurden, folgt nun die Verfinsterung der Geschichte, in der Driver sich als neuer Mensch präsentiert. Goslings Spiel verweist mit gebrochener Stimme auf einen skrupellosen Mann, der fast manisch seine Probleme lösen möchte. Der Film zeigt nicht mehr den konzentrierten Fluchtwagenfahrer, sondern einen verzweifelten Mann, der um sein Leben, aber auch um das Leben seiner Geliebten kämpft. Dabei sind ihm alle Mittel recht, so dass er selbst vor Bluttaten nicht zurückschreckt. Man wird sich unweigerlich fragen, wie viel von diesem Driver schon vorher in ihm steckte? Bringt der Ausbruch den wahren Charakter zu Tage oder ist es nur ein Verteidigungsmechanismus?

‚Drive‘ ist eine Charakterstudie vor unwirklicher 80er Jahre Ästhetik. Die schmucken Autos dienen zwar für diverse Verfolgungsszenen, bleiben jedoch nicht mehr als hübsche Schauobjekte. Viel mehr entfaltet sich die Funktion der Musik, die der atmosphärischen Untermalung immer einen guten Dienst erweist. Oftmals sind es nicht einmal Musikstücke, sondern das Sounddesign in Form von Motorengeräuschen, die den Zuschauer eine emotionale Explosion erwarten lassen. Und so viel Lob man Nebendarstellern wie Carey Mulligan, aber auch Bryan Cranston und Albert Brooks zukommen lassen möchte, wäre ‚Drive‘ doch nicht eine solche Eindringlichkeit gelungen, ohne die Performance eines Ryan Gosling.

Denis Sasse

Filmkritik zu Nicolas Winding Refns ‘Drive’

‘Drive‘

Originaltitel: Drive
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 100 Minuten
Regie: Nicolas Winding Refn
Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Oscar Isaacs, Christina Hendricks, Ron Perlman


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