Filmkritik zu ‘Naokos Lächeln’

Filmkritik zu ‘Naokos Lächeln’

Mit „Naokos Lächeln“ ist Trần Anh Hùng eine zarte, auf Bilder und Musik fokussierte Verfilmung von Haruki Murakamis gleichnamigen Roman gelungen. Und damit trifft er auch genau die Stimmung des Buches, wenn ihm nicht gar eine Verstärkung dieser gelingt.

Im Mittelpunkt der Handlungs steht die junge Frau Naoko und ihr ebenso junger Freund Toru Watanabe. Beide haben einen schweren Schicksalsschlag zu verarbeiten: im Alter von 18 Jahren begeht ihr gemeinsamer Freund Kizuki Selbstmord. Dieses Ereignis wirft Naoko völlig aus ihren gewohnten Lebensbahnen, seit Kindheitstagen sind sie und Kizuki ein Paar. Sie hat nie gelernt, andere Menschen zu lieben und sich auf andere Menschen einzulassen. Auch Watanabe trifft der Selbstmord schwer, er und Kizuki waren beste Freunde und alle drei verbrachten einen großen Teil ihrer Zeit zusammen.

Filmkritik zu ‘Naokos Lächeln’

Ken'ichi Matsuyama & Rinko Kikuchi

Während Naoko völlig in sich zerbricht und in eine weit abgelegene Heilanstalt mitten in den Bergen flieht, stürzt Watanabe sich ins Studentenleben und die Lektürearbeit. Beide verlieren sich aus den Augen, bis sie sich eines Tages zufällig wiedertreffen. Sie vermeiden es, über Kizuki zu sprechen und verbringen die Nachmittage damit durch die Stadt zu laufen, mehr schweigend und hastend als gemütlich schlendernd, aber immerhin zusammen.

Watanabe beschließt Naoko in den Bergen zu besuchen und macht dabei auch Bekanntschaft mit der älteren Reiko. Sie ist Naokos Zimmernachbarin und engste Vertraute. Die Besuche Watanabes bei Naoko sind geprägt von engen, vertrauten und intimen Geprächen, bei denen auch Kizuki Erwähnung findet; von spontanen sexuellen Anwandlungen, aber auch von immer wiederkehrenden plötzlichen emotionalen Zusammenbrüchen Naokos. Watanabe steht diesen Gefühlsausbrüchen zwischen Zuneigung und Ablehnung machtlos gegenüber. Zurück in Tokyo freundet er sich deshalb umso leichter mit der unkomplizierten und lebenslustigen Midori an. Diese hat ihrerseits ebenfalls einen herben Schicksalsschlag zu verkraften: nach langem Aufenthalt im Krankenhaus ist ihr Vater verstorben. Nun steht sie allein mit der Buchhandlung da. Trotz dem sie einen festen Freund hat, fühlt sie sich zu Watanabe hingezogen und auch er verbringt gerne Zeit mit ihr, was er Naoko allerdings aus Rücksicht verschweigt.

Beide Frauen wollen ihn für sich allein, sind bereit auf ihn zu warten und Watanabe ist hin- und hergerissen zwischen den zwei völlig verschiedenen Lebenswelten und der Verantwortung, die er gegenüber den beiden Frauen trägt.

Haruki Murakamis Bücher behandeln immer wieder die Thematik des Verlustes. Es geht um Menschen, die einsam unter Massen sind; die einsam sind, weil sie einen geliebten Menschen und damit auch ihren Lebenssinn verloren haben. Dabei ist es nicht leicht, diese unsichtbaren Gefühlsregungen adäquat darzustellen, sodass für den Zuschauer (im Gegensatz zum Leser) die Beweggründe der einzelnen Figuren klar werden.

Filmkritik zu ‘Naokos Lächeln’

Ken'ichi Matsuyama & Kiko Mizuhara

Aber hier steht der Film dem Buch in Nichts nach. Ist im Buch noch unklar, ob Watanabe bei seinen zahlreichen sexuellen Kontakten mit Frauen eigennützige, ausnutzende Motive verfolgt, wird im Film deutlich, dass er vielmehr in die Geschehnisse herein gerät, ohne es selbst drauf anzulegen oder bewusst geplant zu haben. Er scheint ebenso verstört wie all die Frauen und scheint ebenso wenig zu wissen, wie man mit einem solchen Todesfall und den danach vorherrschenden Gefühlen umzugehen hat. Das Resultat sind dann verzweifelte Küsse, noch verzweifeltere Berührungen und körperlicher Kontakt, wo eigentlich Nähe gereicht hätte. Die Protagonisten erzeugen einen Strudel aus emotionaler Verzweiflung und ziehen sich selbst immer tiefer hinein. Wie Ertrinkende versuchen sie, sich aneinander zu retten und während einige in der Not schwimmen lernen, gehen andere einfach unter.

„Naokos Lächeln“ wartet mit weitestgehend unbekannten Schauspielern auf, die es dafür aber umso mehr verstehen, ihren Figuren die nötige Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Besonders die Figur der verletzlichen, gebrochenen Naoko wird von Rinko Kikuchi sehr überzeugend gespielt und wirkt zu keinem Zeitpunkt gekünstelt oder gar lächerlich, wenn sie von einer Sekunde auf die andere einfach anfängt hysterisch zu weinen, wegzurennen oder sich sexuellen Anwandlungen hinzugeben. Sie ist wohl auch das bekannteste Gesicht im Film: spielte sie doch schon eine Nebenrolle in Alejandro González Inárritus „Babel“, die ihr 2007 eine Oscarnominierung einbrachte.

Auch auf die wunderbare Musik in „Naokos Lächeln“ sei hingewiesen, sie stammt nämlich von Jonny Greenwood, Gitarrist in der Band „Radiohead“. Ebenso groß wie der Name der Band ist auch die Musik im Film, sie untermalt die Stimmungen optimal, ohne zu dramatisch zu wirken. Mit leisen Tönen und fotomotivartigen Bildern kann der Zuschauer die Handlung nicht nur sehen, sondern eben auch verstehen, nachvollziehen. Wie man sich unsagbar nah und fremd zugleich wird, wie man sich erst vermisst und dann die Gegenwart des anderen unerträglich findet, wie man sich wortlos versteht und dann völlig verständnislos zurückbleibt.

Sarah Peters

Filmkritik zu ‘Naokos Lächeln’

‘Naokos Lächeln‘

Originaltitel: Noruwei No Mon
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: Japan, 2010
Länge: ca. 133 Minuten
Regie: Trần Anh Hùng
Darsteller: Rinko Kikuchi, Ken’ichi Matsuyama, Kiko Mizuhara, Kengo Kôra, Reika Kirishima, Tetsuji Tamayama

Deutschlandstart: 30. Juni 2011
Offizielle Homepage: naoko.pandorafilm.de/


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