Filmkritik zu ‘Contraband’

Filmkritik zu ‘Contraband’

In 2008 gab es einen erfolgreichen isländischen Krimithriller namens ‘Reykjavik – Rotterdam: Tödliche Lieferung’, der sogar als möglicher Kandidat für den besten fremdsprachigen Film bei der Oscar-Verleihung galt, aber von der Academy gar nicht erst beachtet wurde – was weniger mit der Qualität des Filmes, als mit dem Genre zu tun haben dürfte. Der Film, eine der erfolgreichsten isländischen Produktionen, erzählt von einem ehemaligen Alkoholschmuggler, der sich inzwischen im Ruhestand befindet und sich mit seiner Frau und zwei Kindern häuslich niedergelassen hat. Nun hat der Hauptdarsteller Baltasar Kormákur eigens die Regie für das amerikanische Remake übernommen: Unter dem Titel ‘Contraband’ und mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle versetzt er die Handlung aus der isländischen Hauptstadt nach New Orleans.

Dort hat Chris Farraday (Mark Wahlberg) seine kriminelle Karriere an den Nagel gehangen. Aber nachdem sein Schwager Andy (Caleb Landry Jones) ein Drogengeschäft vermasselt hat, zwingt dessen skrupelloser Boss Tim Briggs (Giovanni Ribisi) den im Ruhestand befindlichen Schmuggler, Andys Schulden zu begleichen. Chris ist in Schmugglerkreisen immer noch eine Legende und hat schnell eine Crew aufgestellt, mit der er nach Panama übersetzen will um mehrere Millionen Dollar Falschgeld ins Land zu holen. Aber der Plan misslingt und Chris bleiben nur wenige Stunden um an das Geld zu kommen, damit seiner Frau Kate (Kate Beckinsale) und seinen Söhnen nichts zustößt.

Filmkritik zu ‘Contraband’

Ben Foster als Sebastian Abney

Mark Wahlberg hat nicht zuletzt seit ‚The Fighter‘ die unbequeme Angewohnheit, sich zwar guten Filmen zuzuwenden um seine schauspielerischen Aktivitäten immer weiter auszubauen, aber sich dabei auch immer mit weitaus talentierteren Darstellern zu umgeben, die ihm jedes Mal die Show stehlen. Bei ‚The Fighter‘ waren es Christian Bale und Melissa Leo, denen diese Aufgabe zu Teil wurde, nun sind es Giovanni Ribisi (‚Public Enemies‘) und Ben Foster (‚The Mechanic‘). Wieder einmal erweist sich Mark Wahlberg also in einer Hauptrolle als das schwächste Glied vom Ganzen, bleibt mit seiner Figur des Ex-Schmugglers Chris Farraday hinter dem rabiat agierenden Ganoven Tim Briggs und dem undurchsichtigen Sebastian Abney, der im Verlauf des Filmes die interessanteste Wandlung durchlebt, weit zurück.

Davon aber einmal abgesehen, hat der Isländer Baltasar Kormákur mit seiner Verfilmung den richtigen Nerv getroffen, um nicht etwa einen banalen Actionstreifen zu inszenieren, sondern ein mehr oder minder gut durchdachten Thriller, der vor allem durch die Durchführung des Geldschmuggels und die ständig schief gehenden Planungen seine Spannungsmomente aufbaut. Gerade auf dem wenig anonymen Stahlklotz von einem Schiffsfrachter, dessen Kapitän Schauspieler J. K. Simmons immer ein wenig an seine aufbrausend hysterische Figur aus den ‚Spider-Man‘-Filmen erinnert, entwickelt sich eine ganz eigene Atmosphäre von bedrückender Beobachtung und Kontrolle, der sich die Schmugglercrew natürlich zu entziehen versucht. Action gibt es dennoch zu sehen, aber nur in wenigen, dafür umso intensiveren Sequenzen. Bei einem Überfall eines Geldtransporters in Panama bleiben so nur wenig Teilnehmer einer Schießerei am Leben, es folgt eine rasante Verfolgungsjagd im Auto, immer den Zeitdruck im Nacken, pünktlich mit der Schmuggelware zurück zum Schiff zu gelangen. Diese Momente bringen Tempo in die Geschichte, die sonst in eher ruhigen, aber durchdringenden Bildern erzählt wird.

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Kate Beckinsale als Kate Farraday

Es wird dagegen wohl auf ewig eine filmische Ungereimtheit bleiben, weshalb der letzte Job eines Ganoven, der aus seinem Metier aussteigen will – dasselbe gilt für Cops, die kurz vor dem Ruhestand sind – noch einmal alles schief geht, was nur schief gehen kann. Der Schwager schlägt trotz Warnungen den falschen Weg ein, ein brutaler Schläger vergreift sich an der Ehefrau, ein vertrauter Freund bescheißt wo er nur kann, die ursprüngliche Lieferung erweist sich als mangelhafte Ware. So geht es in ‚Contraband‘ immer weiter und Mark Wahlbergs Farraday muss alle erdenkliche Pein über sich ergehen lassen, bevor er am Ende mit seiner Frau und den Kindern ganz harmlos, ruhig auf einer Veranda mit Blick zum Meer den wohlverdienten Feierabend genießen kann. Ob ihm das so sehr gefällt, bleibt allerdings eine unbeantwortete Frage. Denn bei allen Strapazen zaubert ihm der letzte Job auf Anfrage seines trottelig handelnden Schwagers immer noch ein Lächeln ins Gesicht. Er hat sichtlich Spaß an seinem Handwerk – die Familie wird hier fast zur Last eines Ankers, der ihn notgedrungen aus seinem zwielichtigen Leben zieht.

Ebenso wenig wie Chris Farraday den Ausstieg ohne seine Familie schaffen würde, so wenig schafft es auch Ben Fosters Sebastian Abney, der lange Zeit als Freund der Familie auftritt, bevor seine Figur im Sündenpool versackt. Beim Treffen der Anonymen Alkoholiker merkt der Zuschauer, dass diesen Mann mehr als nur ein Problem beschäftigt. Foster spielt herausragend auf dem schmalen Grat zwischen freundlicher Fassade und gedrungener Notwehr um selbst sein Überleben zu sichern. Er hat den guten Job, er hat die 1A-Wohnung – was ihm fehlt ist die Familie, die Frau die er so sehr sucht, um ihn ebenfalls vor dem Untergang zu erretten.

‚Contraband‘ taucht nicht nur in die Welt des Schmuggels ein, sondern fungiert zugleich auch als Charakterstudie über die Menschen, die sich in dieser Umgebung bewegen und von ihr betroffen sind. Dabei wird New Orleans mit in Nachtlicht getauchten Bildern zur zwielichtigen Umwelt des Verbrechens, wo im Verborgenen gewaltige Kräfte agieren. Im Verborgenen findet zugleich auch der Schmuggel statt, bei dem es nicht um den offenen Schlagabtausch, sondern um das heimliche Abwickeln eines notwendigen Jobs geht. Hoffen wir das Regisseur Baltasar Kormákur mit seiner Verlagerung von ‚Raykjavik – Rotterdam‘ in amerikanische Gefilde zufrieden ist, der Zuschauer kann es jedenfalls sein.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Contraband’

‘Contraband‘


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