Filmkritik zu Christian Petzolds ‘Barbara’

Filmkritik zu Christian Petzolds ‘Barbara’

Es ist als hätte sich für Regisseur Christian Petzold in diesem Jahr der Kreis seines Schaffens geschlossen. Noch vor sechszehn Jahren gewann er für seinen Fernsehfilm ‚Cuba Libre‘ den Förderpreis Langfilm beim Filmfestival Max Ophüls Preis, eines der wichtigsten Events für den deutschen Nachwuchsfilm. Für seinen neuesten Film ‘Barbara’ – seine fünfte Zusammenarbeit mit Schauspielerin Nina Hoss – hat er den Silbernen Bären als bester Regisseur auf den Internationalen Filmfestspielen in Berlin erhalten. Sein Stil blieb aber über die Jahre hinweg immer derselbe. Petzold zeigt Einsamkeit und innere Leere seiner Figuren, verbreitet eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre und erzählt nicht nur eine oberflächlich wahrnehmbare Geschichte, sondern arbeitet auch mit unterschwelligen Tönen im Ungesehenen. Ruhig und trotzdem aufwühlend ist auch ‚Barbara‘ geworden, ein Film der von einer geplanten Flucht aus der Deutschen Demokratischen Republik handelt.

Filmkritik zu Christian Petzolds ‘Barbara’

Ronald Zehrfeld (links) & Nina Hoss (rechts)

Dementsprechend spielt der Film vor der Wende, im Sommer 1980. Barbara (Nina Hoss) hat einen Ausreiseantrag gestellt, für den sie strafversetzt wird. Sie ist Ärztin in der Hauptstadt, muss sich fortan aber mit einem kleinen Krankenhaus in der Provinz arrangieren, welches sich weitab von allem befindet. Jörg (Mark Waschke), ihr Geliebter aus dem Westen, arbeitet an der Vorbereitung ihrer Flucht. Die Ostsee bietet sich ihnen als Möglichkeit an. Nun muss Barbara nur noch auf den richtigen Augenblick warten. Ihre neue Wohnung, die Nachbarn, der Sommer und das Land, all das berührt sie nicht mehr. Sie arbeitet in der Kinderchirurgie unter der Leitung ihres neuen Chefs André (Ronald Zehrfeld), aufmerksam gegenüber den Patienten, distanziert zu den Kollegen. Aber André verwirrt sie. Sein Vertrauen in ihre beruflichen Fähigkeiten, seine Fürsorge und sein Lächeln lassen die Fragen verschwimmen, ob er als Aufpasser auf sie angesetzt wurde oder ob er in sie verliebt ist. Barbara beginnt die Kontrolle zu verlieren, obwohl der Tag ihrer geplanten Flucht kurz bevor steht.

Seit dem 2001er Fernsehkrimi ‚Toter Mann‘ arbeiten Nina Hoss und Christian Petzold beständig zusammen: 2003 mit ‚Wolfsburg‘, vier Jahre später ‚Yella‘ und ‚Jerichow‘ in 2008. Das merkt man den Filmen, in denen die beiden kooperieren, inzwischen an. Petzolds Hauptdarstellerin kann sich auf der einen Seite auf ihren Regisseur verlassen, der die Rollen die sie annimmt, geradezu auf ihr schauspielerisches Talent zuschneidet. Auf der anderen Seite enttäuscht Hoss ihren Regisseur niemals, scheint fasst ohne sein Wirken in die Rollen einzutauchen und diesen eine unnatürliche Wirklichkeit zu verleihen. So spielt sie auch die Figur der Barbara mit einer lethargischen Leere. Sie beginnt ihre Arbeit im Hospital pünktlich, sitzt lieber noch ein paar Minuten draußen auf der Bank als auch nur eine Sekunde zu früh die Räumlichkeiten zu betreten. Ihren Mitmenschen begegnet sie mit wortkargen und verachtenden Blicken. Sie will hier nicht sein, sie will raus aus diesem System, will sich abschotten. Das werden die Zuschauer recht schnell zu spüren bekommen, wenn sie einer Hauptfigur begegnen, die sie anfangs überhaupt nicht in der Lage sind ins Herz zu schließen. Nur sehr langsam öffnet sich diese Person den Zuschauern und ihrer filmischen Umwelt.

Filmkritik zu Christian Petzolds ‘Barbara’

Ronald Zehrfeld

Hier trifft die Kälte ihrer Emotionen, die aus dem Misstrauen gegenüber dem Überwachungsstaat herrühren, auf die Wärme die sie in der Klinik erfährt – sei es durch ihren Vorgesetzten André oder durch die beiden Patienten, die sich ihr anvertrauen: Ein Mädchen, welches später im Film von ihrer neugefundenen Freundschaft zu Barbara noch profitieren wird und ein selbstmordgefährdeter Junge. Die Menschlichkeit zwingt Barbara dazu, über ihre Situation nachzudenken. So fühlt sie sich mit der Zeit immer wohler in ihrer Umgebung, vergisst die ungemütlichen Begebenheiten in denen sie sich befindet und die sie bisher so stark kritisiert hat. Die Liebe macht es möglich. Da hinkt der Film. Zu sehr spielt er die Romantik-Karte aus, baut auf die Beziehung zwischen Barbara und André. Wo zu Beginn des Filmes noch die totale Ablehnung steht, soll nun die Liebe allein für die Kehrtwende verantwortlich gemacht werden. Für einen klischeebehafteten Hollywoodfilm mag diese Romanze funktionieren, bei einem Film von Christian Petzold wirkt es deplatziert.

‚Barbara‘ besticht durch die klirrende Kälte, die über die Zuschauer hinein bricht. Es sind die fehlenden Emotionen der Figuren, aber auch die Landschaft selbst, die Töne und Farben die für die Glaubhaftigkeit dieser Geschichte unerlässlich sind. Petzold versteht es seine Atmosphäre auf die Zuschauer zu transferieren, schnell wird man sich in das Gefühl der Gefangenschaft und Überwachung einfinden können – zumindest für die Figur der Barbara, deren Emotionen hier im Fokus stehen, es soll kein allgemeingültiges Bild geschaffen werden. Trotz zweier Hauptdarsteller die überzeugende Leistungen hervorbringen möchte ‚Barbara‘ aber nicht recht funktionieren. Die Handlung dümpelt vor sich hin und lässt Nina Hoss eine konstruierte menschliche Wandlung durchmachen, die man der anfangs gegen das System inszenierten Barbara nicht abkaufen möchte.

Denis Sasse

Filmkritik zu Christian Petzolds ‘Barbara’

‘Barbara‘


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